- Handlungsgehilfe
Handlungsgehilfe ist, wer in einem Handelsgewerbe (s. d.) zur Leistung kaufmännischer Dienste, d. h. Dienste, zu deren Leistung die Ausbildung in einem Handelsgewerbe gehört, gegen Entgelt (festes Gehalt, Tantieme, Provision) angestellt ist (§ 59 des Handelsgesetzbuches). Den Gegensatz bildet der Handlungslehrling (s. d.), der kaufmännische Dienste erst lernen soll. Ebenso unterscheidet er sich von dem Gewerbegehilfen, der gewerbliche Dienste zu leisten hat und der Gewerbeordnung untersteht.
I. Pflichten des Handlungsgehilfen. Er hat die ihm obliegenden Dienste treu zu verrichten, und zwar richtet sich ihre Art und Umfang mangels besonderer Vereinbarung nach dem Ortsgebrauch, bez. sind sie in angemessener Weise zu erledigen (§ 59). Jedenfalls hat er im Zweifel nur kaufmännische Dienste zu leisten, braucht also beispielsweise nicht in einem Glasgeschäft Gläser zu putzen oder leere Kisten in die Niederlage zu schaffen. Während seines Dienstverhältnisses darf er seinem Prinzipal keine Konkurrenz machen (sogen. Konkurrenzverbot), es sei denn, daß dieser es ihm gestattet, oder daß er beim Eintritt in den Dienst mit Wissen seines Prinzipals bereits ein Konkurrenzgeschäft betrieb. Zuwiderhandlungen nach dieser Richtung haben zur Folge, daß der Prinzipal Schadenersatz fordern oder aber die betreffenden Geschäfte als für seine Rechnung gemacht gelten lassen kann. Um den Handlungsgehilfen jedoch gegen Forderungen zu schützen, die weit zurückliegende Geschäfte betreffen und infolgedessen schwer kontrollierbar sind, muß der Prinzipal 3 Monate nach erlangter Kenntnis hiervon, spätestens aber in 5 Jahren nach Abschluß dieser Geschäfte seine Ansprüche geltend machen (§ 60, 61). Eine zwischen ihnen getroffene Vereinbarung, sogen. Konkurrenzklausel, durch die der H. noch für die Zeit nach Beendigung seines Dienstverhältnisses in seiner beruflichen Tätigkeit beschränkt wird, ist für den Handlungsgehilfen nur insoweit verbindlich, als die Beschränkung nach Zeit, Ort und Gegenstand dem Handlungsgehilfen nicht unbilligerweise sein Fortkommen erschwert. Hat der Prinzipal an der Beobachtung der Konkurrenzklausel gar kein oder kein berechtigtes Interesse, oder steht diese zu den Leistungen des Prinzipals in gar keinem Verhältnis, so ist sie nichtig. Das Gleiche ist der Fall, wenn der H. zur Zeit des Abschlusses minderjährig, d. h. noch nicht 21 Jahre alt ist. Die Dauer der Konkurrenzklausel darf den Zeitraum von 3 Jahren nach Beendigung des Dienstverhältnisses nicht überschreiten (§ 74). Überschreitet der H. dies Konkurrenzverbot, so muß er die vereinbarte Konventionalstrafe zahlen. Ist sie zu hoch, so kann sie durch Rechtsspruch entsprechend herabgesetzt werden. Hat der Geschäftsherr jedoch durch vertragswidriges Verhalten Grund zur sofortigen Lösung des Dienstverhältnisses gegeben, oder hat er dem Handlungsgehilfen gekündigt, ohne daß dieser nachweisbar hierzu Veranlassung gegeben hat, so tritt die Konkurrenzklausel nicht in Wirksamkeit, es sei denn, daß dem Handlungsgehilfen für ihre Dauer der Gehalt fortbezahlt wird (§ 75). Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, die er infolge seines Dienstverhältnisses erfahren hat, darf er weder unbefugt verwerten noch andern mitteilen (§ 9 des Reichsgesetzes zur Bekämpfung des unlautern Wettbewerbs).
II. Rechte des Handlungsgehilfen. Für seine Dienste hat er den vereinbarten oder ortsüblichen Gehalt zu beanspruchen, der am Schlusse jedes Monats zu zahlen ist (§ 64). Gehalt und Unterhalt hat der Geschäftsherr bis zur Dauer von 42 Tagen dem Handlungsgehilfen auch dann zu gewähren, wenn dieser infolge eines unverschuldeten Unglücks an der Dienstleistung verhindert ist (§ 63). Ebenso geht der H. seines Anspruchs auf Gehalt nicht verlustig, wenn er für eine verhältnismäßig kurze Zeit durch einen zwar in seiner Person liegenden, aber unverschuldeten Grund an der Dienstleistung verhindert wird (§ 616 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Hierunter fällt z. B. Erkrankung eines nahen Angehörigen, Einberufung zu einer Reserveübung. Ausschlaggebend ist dabei die Dauer der Verhinderung zur Gesamtdauer des Dienstverhältnisses. Die Arbeitsräume und die für das Geschäft notwendigen Vorrichtungen und Gerätschaften, den Geschäftsbetrieb und die Arbeitszeit und event. die Wohn- und Schlafräume muß der Prinzipal so einrichten, daß der H. nicht an seiner Gesundheit Schaden leidet (§ 62). Insonderheit ist ihm nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 10 Stunden zu gewähren, eine Ruhepause, die sich in Städten von mehr als 20,000 Einw. in offenen Verkaufsstellen bei Beschäftigung von zwei oder mehr Gehilfen und Lehrlingen um eine weitere Stunde verlängert (§ 139 c ff. der Gewerbeordnung). Während der täglichen Arbeitszeit ist dem Handlungsgehilfen eine angemessene Mittagspause zu gewähren, die mindestens 11/2 Stunde betragen muß, wenn die Mahlzeit außerhalb des Geschäftsgebäudes eingenommen wird. Offene Verkaufsstellen müssen von 9 Uhr abends bis 5 Uhr morgens für den geschäftlichen Verkehr geschlossen sein (vgl. Ladenschluß). In den Verkaufsräumen und Kontoren muß ausreichende und geeignete Sitzgelegenheit für sie vorhanden sein, deren Benutzung ihnen, falls ihre Beschäftigung sie nicht daran hindert, gestattet werden muß. Am ersten Weihnachts-, Oster- und Pfingstfeiertag dürfen Handlungsgehilfen überhaupt nicht, an Sonn- und Festtagen höchstens 5 Stunden beschäftigt werden (§ 105 b der Gewerbeordnung). Nach erfolgter Kündigung, also nicht erst beim Dienstaustritt, kann der H. ein schriftliches Zeugnis über Art und Dauer der Beschäftigung fordern, das auf seinen Wunsch auf Führung und Leistungen auszudehnen ist (§ 73 des Handelsgesetzbuches). Ebenso muß ihm nach erfolgter Kündigung angemessene Zeit zum Aufsuchen einer andern Stellung gewährt werden (§ 629 des Bürgerlichen Gesetzbuches).
III. Dienstverhältnis. Ist letzteres auf bestimmte Zeit eingegangen, so gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über den Dienstvertrag (s. Arbeitsvertrag). Ein auf unbestimmte Zeit eingegangenes Dienstverhältnis kann mangels abweichender Vereinbarung von jedem Teil für den Schluß eines Kalendervierteljahres unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Wochen gekündigt werden. Diese gesetzliche Kündigungsfrist kann von den Parteien durch eine vertragsmäßige ersetzt werden, die jedoch den in den § 67 mit 69 aufgestellten Beschränkungen unterliegt, von denen besonders hervorzuheben ist, daß ein auf Lebenszeit oder auf länger als 5 Jahre eingegangenes Dienstverhältnis vom Handlungsgehilfen nach Ablauf von 5 Jahren mit 6 monatiger Kündigungsfrist gekündigt werden kann (§ 624 des Bürgerlichen Gesetzbuches), daß bei Vereinbarung von nicht im Gesetze vorgesehenen Kündigungsfristen diese für beide Teile gleich sein müssen, daß sie nicht kürzer als 1 Monat sein dürfen, und daß die Kündigung nur für den Schluß eines Kalendermonats zulässig ist. Ferner endigt das Dienstverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist durch sofortige Entlassung seitens des Geschäftsherrn, wenn für diesen, und durch sofortigen Dienstaustritt des Handlungsgehilfen, wenn für den letztern ein wichtiger Grund dazu vorliegt (§ 70). Der Prinzipal ist zur sofortigen Entlassung des Handlungsgehilfen berechtigt wegen Untreue, Vertrauensmißbrauchs oder Nichtachtung des Konkurrenzverbotes durch den Handlungsgehilfen, wegen unbefugtem und längerm Verlassen des Dienstes, wegen beharrlicher Verweigerung der Dienstobliegenheiten, wegen anhaltender Krankheit, längerer Freiheitsstrafe oder einer über 8 Wochen dauernden militärischen Dienstleistung, wegen Tätlichkeiten oder erheblichen Ehrverletzungen gegen ihn oder seinen Stellvertreter (§ 72). Der H. dagegen ist zu sofortigem Austritt berechtigt wegen Unfähigkeit zur Dienstleistung und wegen Nichtgewährung des Gehaltes und gebührenden Unterhaltes, wegen Vernachlässigung der Sorge des Prinzipals für das persönliche Wohl des Handlungsgehilfen, wegen Tätlichkeiten, erheblichen Ehrverletzungen oder unsittlichen Zumutungen seitens des Prinzipals, oder falls er es ablehnt, den Handlungsgehilfen gegen derartige Angriffe seitens seiner Familienangehörigen oder Angestellten zu schützen (§ 71). Wurde eine derartige Beendigung des Dienstverhältnisses durch schuldhafte Verletzung der Pflichten des einen Teiles veranlaßt, so kann der andre Ersatz des ihm durch die Beendigung entstandenen Schadens verlangen (§ 70, Abs. 2). Vgl. Fuld, Das Recht des Handlungsgehilfen (Hannov. 1897).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.