Gräberschmuck

Gräberschmuck

Gräberschmuck. Der natürliche Gebrauch, die Ruhestätte der Toten liebevoll zu schmücken, findet sich überall, wo der Mensch aus den rohesten Zuständen herausgewachsen ist, nimmt aber bei verschiedenen Völkern und Stämmen charakteristisch verschiedene Formen an. Neben dem Grabdenkmal (s. Grabmal), als welches auch Leichenbretter (s. d.), militärische und andre Embleme dienen, kommt vor allem der Pflanzenschmuck in Betracht, teils in Form von Kränzen und Guirlanden, teils als immergrüne oder blühende Pflanzen, Sträucher und Bäume, die man auf oder neben dem Grabe pflanzte. Im Altertum (und noch jetzt im Morgenlande) war die immergrüne Zypresse der bevorzugte Trauerbaum (tristis Cupressus der Römer), und ihre Zweige wurden auch zum Verbrennen der Leiche benutzt. Die türkischen Friedhofe sind noch heute Zypressenhaine. In nordischen Ländern sind Taxus- und Wacholderarten, in China und Japan sowie dann auch bei uns Lebensbaumarten, Kryptomerien und andre schöne immergrüne Nadelhölzer an die Stelle der Zypresse getreten, deren düstern und feierlichen Eindruck sie freilich nicht erreichen. Auch die Fichte galt den Alken als Totenbaum, angeblich weil sie abgehauen nicht wieder ausschlägt. Sonst waren noch die der Persephone heilige Granate, die Myrte der Venus Libitina, Ölbaum, Weißpappel, Buchsbaum u.a. Friedhofsbäume. Zum Bepflanzen der Gräber dienten Efeu, Acanthus, Asphodelus, Sellerie (Apium defunctorum), wilde Rosen und Veilchen. In Kleinasien und Arabien ist die Gräberlilie (Iris sepulcrorum) für weite Strecken der bevorzugte G., daneben mehrere ornamentale Aloë-Arten, während auf den griechischen und Kanarischen Inseln daneben Dracänen und Yucca-Arten als beliebte Friedhofspflanzen gelten. In Australien und seinen Inseln wurden vor allem Kasuarinen, an unsre Trauerweiden erinnernd, daneben namentlich in neurer Zeit Eukalypten angepflanzt. Die Angola pflanzten auf die Gräber Wolfsmilcharten und Maniok, letztern als Nahrung für die Toten. In Amerika scheint man die Gräber weniger mit Pflanzen geschmückt zu haben; nur bei den Camacan sahen Spix und Martius die Hügel mit Palmenblättern gedeckt. Der bevorzugte, heute meist von Eykadazeen genommene Palmenwedel galt den Alten als Siegessymbol und ist erst von den Christen in demselben Sinne (als Sieg über den Tod und Unsterblichkeitssymbol) für die Begräbniszeremonien in Aufnahme gebracht worden. Die palmenzweigartigen Figuren auf syrischen, phönikischen und karthaginensischen Grabsteinen und Altären sind auf Lilien zu deuten. In den ägyptischen Gräbern aus der Zeit Ramses' II. (des Großen und Amenhoteps I.) fand man große, wunderbar erhaltene Kränze aus Teilen von Mimusops Schimperi, Nymphaea coerulea, Acacia nilotica und vielen Blumenarten.

Die nordischen Völker verbrannten den Leichnam mit Dornen und Wacholder und bepflanzten die Gräber mit Dornen (namentlich Weißdorn), um ihre Unnahbarkeit zu erhöhen. Das Mittelalter bevorzugte außer Immergrün (Vinca), von dem auch der Leiche ein angeblich vor Verwesung schützender Kranz aufgesetzt wurde, namentlich starkduftende Pflanzen, wie Rosmarin, Wermut, Stabwurz oder Grabzypresse (Artemisia Abrotanum), Raute u.a. zum Leichen- und Gräberschmuck, die daher auch die Namen Toten- oder Gräberpflanzen führten. Ihnen gesellte sich die Ringel- oder Totenblume (Calendula officinalis) mit solcher Regelmäßigkeit zu, daß man vermied, diese Blume in Freudensträußen anzubringen, und der Traum von Rosmarin oder Ringelblumen im deutschen Volksliede Todesahnungen erweckt, gerade so wie bei den Griechen der Sellerietraum. Heute ist man vor allem darauf bedacht, die Grüber mit immergrünen Gewächsen zu bedecken, namentlich mit Sinngrün oder Efeu (an schattigen Stellen) oder mit Sedum-, Sempervivum- und Saxifraga-Arten, die dem Sonnenbrand widerstehen. Daneben spielen Trauerbäume (s. d.) eine hervorragende Rolle. Als Liebeszeichen stellt man bei uns Vergißmeinnichtkränze in wassergefüllten Tellern auf die Gräber, während in Frankreich das Stiefmütterchen (Pensée) die Gedenkblume der Toten ist und in allen Formen, namentlich auch in der von Blechkränzen mit Glasperlen, Verwendung findet. Dort sind auch die dauerhaften, aber steifen Immortellenkränze beliebt, während bei uns Buchsbaum-, Lorbeer- und Kirschlorbeerzweige, auch das schwarzviolette Mahonia-Laub für Grabkränze vorgezogen werden. Der in vielen Dichtungen hervortretende Glaube über das Fortleben der Menschenseelen in Blumen hat auch weiße Lilien und Rosen zu einem beliebten G. junger Verstorbener gemacht. Vgl Unger, Die Pflanze als Totenschmuck und Grabeszier (Wien 1867); Koberstein und Köhler, Über das Fortleben der Seele in der Pflanzenwelt (im »Weimarischen Jahrbuch für deutsche Sprache, Literatur und Kunst«, Bd. 1, Hannov. 1854).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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