Gewerbliche Arbeiter

Gewerbliche Arbeiter

Gewerbliche Arbeiter sind nach der deutschen Gewerbeordnung Gesellen, Gehilfen, Lehrlinge, Betriebsbeamte, Werkmeister, Techniker und Fabrikarbeiter. Das Verhältnis zwischen ihnen und den selbständigen Gewerbtreibenden ist ein privatrechtliches; es ist, vorbehaltlich der durch Reichsgesetz begründeten Beschränkungen, Gegenstand freier Übereinkunft. G. A. können zu Arbeiten an Sonn- und Festtagen nicht verpflichtet werden, soweit nicht gesetzlich Ausnahmen zugelassen sind (vgl. Gewerbeordnung, § 105b ff., und zahlreiche Bekanntmachungen des Bundesrats; auch können die Verwaltungsbehörden in beschränktem Umfang Ausnahmen gestatten). Um die Kontrolle zu erleichtern, wurde für minderjährige Arbeiter die Führung von Arbeitsbüchern (s.d.) angeordnet. Gewerbtreibende, die sich nicht im Vollgenuß der bürgerlichen Ehrenrechte befinden, dürfen sich mit der Anleitung von Arbeitern unter 18 Jahren nicht befassen; in jedem Fall ist bei Beschäftigung jugendlicher Arbeiter (unter 18 Jahren) die durch das Alter gebotene besondere Rücksicht auf Gesundheit und Sittlichkeit zu nehmen und ihnen die zum Besuch von Fortbildungsschulen erforderliche Zeit zu lassen. Die Gewerbtreibenden sind verpflichtet, alle Einrichtungen zu treffen, die zur Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes sowie mit Rücksicht auf die besondere Beschaffenheit des Gewerbebetriebs zur tunlichsten Sicherheit gegen Gefahr für Leben und Gesundheit notwendig sind. Gerade in dieser Hinsicht sucht die neueste Gesetzgebung die berechtigten Ansprüche der arbeitenden Klasse im weitesten Maße zu erfüllen; detaillierte Bestimmungen trifft sie insbes. für die Fabrikarbeiter (s. Fabrikgesetzgebung) und für Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter in offenen Verkaufsstellen (Gewerbeordnung, § 139 c ff.). Das Arbeitsverhältnis zwischen Gesellen oder Gehilfen und ihren Arbeitgebern kann, wenn nicht etwas andres verabredet ist, beiderseits mit 14tägiger Kündigungsfrist gelöst werden. Vor Ablauf der vertragsmäßigen Frist und ohne Kündigung kann die Auflösung nur in den vom Gesetz bestimmten Fällen erfolgen. Jede andre Auflösung ist Vertragsbruch (s.d.). Hat ein Geselle oder Gehilfe rechtswidrig die Arbeit verlassen, so kann der Arbeitgeber als Entschädigung für den Tag des Vertragsbruchs und jeden folgenden Tag der vertragsmäßigen oder gesetzlichen Arbeitszeit, höchstens aber für eine Woche, den Betrag des ortsüblichen Tagelohns fordern. Diese Forderung ist nicht an den Nachweis eines Schadens gebunden. Durch ihre Geltendmachung wird der Anspruch auf Erfüllung des Vertrags und auf weitern Schadenersatz ausgeschlossen. Dasselbe Recht steht dem Gesellen oder Gehilfen gegen den Arbeitgeber zu. Im übrigen hat der Kontraktbruch nur zivilrechtliche Folgen. Einige Erschwerung findet er dadurch, daß die Verleitung zum Kontraktbruch und die Annahme von Arbeitern, von denen man weiß, daß sie einem andern Arbeitgeber gegenüber noch vertragsmäßig gebunden sind, zum Ersatz des diesem hierdurch erwachsenden Schadens verpflichtet. Einen gleichen Zweck erfüllt das Arbeitsbuch. Streitigkeiten über den Arbeitsvertrag werden nicht im ordentlichen Gerichtsverfahren. sondern durch besondere hierfür geschaffene Organe erledigt (s. Gewerbegerichte). Beim Abgang können die Arbeiter ein Zeugnis über Art und Dauer ihrer Beschäftigung fordern, das auf ihr Verlangen auch auf ihre Führung und ihre Leistungen auszudehnen ist. Für bestimmte Gewerbe kann der Bundesrat Lohnbücher oder Arbeitszettel vorschreiben. Das früher nur in bezug auf Fabrikarbeiter erlassene Verbot des Trucksystems (s.d.) wurde 1878 auf alle gewerblichen Arbeiter ausgedehnt. Über die besondern Verhältnisse der Lehrlinge, zumal derjenigen der Handwerker (Gewerbeordnung, § 129ff.), s. Lehrlingswesen, über die der Fabrikarbeiter s. Fabrikgesetzgebung. Eignen Normen untersteht z. T. auch das Dienstverhältnis der Betriebsbeamten, Werkmeister, Techniker und ähnlicher Angestellter, vor allem die Auflösung dieses Dienstverhältnisses (Gewerbeordnung, § 133 a ff.). – Über die Arbeit der Kinder vgl. jetzt das besondere Gesetz, betr. Kinderarbeit in gewerblichen Betrieben vom 30. März 1903, das seit 1. Jan. 1904 in Kraft getreten ist. Als Kinder bezeichnet dieses Gesetz alle Knaben und Mädchen unter 13 Jahren sowie solche Knaben und Mädchen über 13 Jahren, die noch zum Besuche der Volksschule verpflichtet sind. Vgl. Bail, Das Rechtsverhältnis der Arbeitgeber und Arbeitnehmer etc. (Berl. 1904); Weiteres im Art. »Arbeiterschutz«.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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