Genremalerei

Genremalerei

Genremalerei (»Gattungsmalerei«) ist das Fach der Malerei, das Individuen als Typen einer bestimmten Gattung zur Darstellung bringt, im Gegensatz zur Historienmalerei, die bestimmte geschichtliche Individuen vorführt; im weitesten Sinn ist G. jede Darstellung aus dem Leben irgend einer Zeitperiode, in der nichthistorische Personen vorkommen (daher auch Sittenbild). Im Französischen bezeichnet das Wort genre jedes Fach der Malerei, so genre historique, genre du paysage etc., absolut gebraucht aber jedes Gemälde mit menschlichen Figuren, doch nicht mit solchen von historischer Bedeutung, auch Tier- und Architekturstücke, Blumen und Stilleben. Schärfer ist der Begriff, den man in Deutschland mit Genrebildern verbindet. Nach diesem ist zu einer solchen Darstellung keineswegs immer eine bestimmte Handlung als Vorwurf notwendig, sondern es können auch allerlei Zustände den Stoff hergeben, wie auch historische Personen, sobald sie in Situationen des alltäglichen Lebens zur Anschauung gebracht werden, dazu geeignet sind. Man bezeichnet Darstellungen der letztern Art mit dem Namen historisches Genre. Obwohl Genrebilder in der Regel in kleinerm Maßstab ausgeführt werden als historische Darstellungen, die meist lebensgroße oder selbst überlebensgroße Dimensionen in Anspruch nehmen, so ist dies doch kein wesentlicher Unterschied, sondern dieser wird einzig und allein durch den Charakter der Darstellung bedingt. Genrebilder malten bereits die alten griechischen Maler, so Peiraikos Barbierstuben, Antiphilos eine Weberwerkstätte etc., und in Pompeji trifft man unter den Wandgemälden auch Genrebilder an. Zu einer selbständigen Ausbildung gelangte die G. erst infolge der Erfindung der Ölmalerei, und schon J. van Eyck malte Genrebilder im modernen Sinne. Die nordische Kunst folgte in erster Linie dem von ihm gegebenen Beispiel, und nachdem bereits im 16. Jahrh. P. Brueghel die niederländische Bauernwelt trefflich geschildert, erreichte die G. im 17. Jahrh. ihren Höhepunkt. Die ganze Auffassung der holländischen Kunst hat einen genreartigen Charakter. Rembrandt, Teniers, Brouwer, Terborch, Metsu, Don, Ostade, J. Steen, Jan van der Meer von Delft, Pieter de Hooch u. v. a. schufen unerreichte Meisterwerke im Genre. In Deutschland hatten bereits Schongauer und Dürer verschiedene Darstellungen der Art im Stich oder Holzschnitt ausgehen lassen, und B. und H. S. Beham u. a. folgten ihrem Vorbilde; jedoch vermochten die Deutschen im 17. Jahrh. den Niederländern in der Malerei nichts Ebenbürtiges an die Seite zu stellen. In der italienischen Malerei haben nur Giorgione und später Caravaggio Genrebilder im engern Sinne geschaffen. Im 18. Jahrh. wurde die G. in Frankreich mit großem Erfolg durch Watteau, Lancret, Pater, Boucher, Grenze u. a. kultiviert, und in Spanien schufen Velazquez und Murillo Ausgezeichnetes. Einen neuen Aufschwung zu großer Blüte nahm die G. im 19. Jahrh., in Deutschland besonders durch den Einfluß der Düsseldorfer Schule, so daß sie zuletzt die Geschichtsmalerei großen Stiles in den Hintergrund drängte. Nach dem Vorgang von Hasenclever, A. Schrödter, Th. Hildebrandt in Düsseldorf, F. E. Meyerheim, Hosemann und Menzel in Berlin hat die deutsche G. ihren Höhepunkt in Knaus, Vautier, Defregger, M. Schmid, W. Diez, E. Grützner, Bokelmann, Brütt u. v. a. erreicht. Das österreichische Genrebild, begründet durch Danhauser und Waldmüller, hat ebenfalls glänzende Vertreter (Passini, Friedländer, E. Blaas, Probst u. a.). Noch mehr Übergewicht hat die G. in England (Millais, Herkomer, Frith etc.), in Frankreich (Meissonier, Breton, Brion, Bastien-Lepage u. v. a.), in Italien und Spanien (Fortuny, José Benlliure y Gil, Corelli, Michetti, Simoni, Favretto, Dall' Oca Bianca u. a.). Die neueste Kunst, welche die Natur als ein Ganzes betrachtet, hat die Trennung der Malerei in einzelne Fächer aufgegeben, so daß jetzt eine G. im alten Sinne des Wortes nicht mehr besteht. Die meisten Figurenmaler malen auch Landschaften, und die Landschaftsmaler sind zumeist auch Genremaler. Eine besondere Abart der G. wurde in neuester Zeit das ethnographische Genre.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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