- Fleischextrakt
Fleischextrakt (Extractum carnis), zur Muskonsistenz eingedampfte Fleischbrühe, wurde zu Anfang des 19. Jahrh. von Proust und Parmentier zuerst dargestellt, 1830 in Form von Bouillontafeln zur Verproviantierung von Schiffen benutzt und später in Apotheken als konzentriertes Nahrungsmittel für Kinder und Rekonvaleszenten bereitet. Eine rationelle Darstellungsweise lehrte Liebig 1857, und auf deren Prinzipien wird es seit 1864 in Fray Bentos (Uruguay) fabrikmäßig dargestellt. Große Quantitäten kommen auch aus Montevideo, Argentinien (Gualeguaychu und Santa Elena), San Antonio in Texas und Australien. In Fray Bentos wird das möglichst fettfreie Fleisch (von jährlich 150–200,000 Rindern) auf Maschinen zerhackt und mit seinem gleichen Gewicht Wasser durch Dampf langsam auf 70° erwärmt. Die Fleischfaser wird ausgepreßt und auf Fleischmehl verarbeitet, die Flüssigkeit aber von Fett vollständig befreit und dann verdampft. 34 kg knochenfreies Fleisch liefern 1 kg Extrakt. Es bildet eine extraktförmige, braune, nach gebratenem Fleisch riechende, sehr haltbare, in Wasser leicht und klar lösliche Masse, soll frei von Leim sein und kein andres Kochsalz enthalten als das aus dem Fleisch selbst stammende. F. enthält 10,5–21,5 Proz. mineralische und 49,5–68,8 Proz. organische Stoffe (Kreatin, Kreatinin, Sarkin, Xanthin, Inosinsäure, Karnin etc.). Die Asche enthält 42 Proz. Kali, 23,5 Proz. Kochsalz und 30,4 Proz. Phosphorsäure. Gutes F. soll etwa 16–22 Proz. Wasser enthalten, und ca. 60 Proz. des Extrakts sollen sich in 80proz. Alkohol lösen. F. hat sehr schnell in weiten Kreisen Eingang gefunden (Deutschland verbraucht jährlich für mehr als 10 Mill. Mk.), und in der Tat liefert es, in Wasser gelöst und mit Salz versetzt, eine Brühe von angenehmem Geschmack, und wenn man 2,25 Lit. Wasser mit 0,25 kg grob zerschlagenen Knochen (oder 30 g Ochsenmark) und den nötigen Suppengemüsen eine Stunde kocht, dann 18–19 g F. (nicht mehr!) und das nötige Salz hinzutut, so erhält man eine Suppe, die einer aus frischem Fleisch bereiteten sehr ähnlich ist. F. hat denselben Wert wie frische Fleischbrühe (s.d.), ist also kein Nahrungsmittel. Man hatte angenommen, daß vegetabilische Nahrungsmittel den Ernährungswert des Fleisches erhalten, wenn man sie mit F. mischt, und legte daher dem F. besondere Bedeutung für solche Verhältnisse bei, unter denen man kein Fleisch haben oder nicht die nötige Zeit auf dessen Zubereitung verwenden kann. Dies ist indes ein Irrtum; Pflanzenkost erhält durch Zusatz von F. keinen höhern Nährwert, vielmehr ist das F. lediglich wertvoll als Erregungsmittel gleich der Fleischbrühe und als ein Mittel, vegetabilische Kost schmackhafter zu machen. Das F. macht den Hunger erträglicher und die Soldaten im Feld bewegungsfähiger, es erzeugt, in etwas konzentrierter Lösung eingegeben, im Magen eine wohltuende Wärme, macht Puls- und Herzschlag kräftiger und vermehrt die Harnabsonderung. So werden rascher Stoffwechsel und damit eine Reihe wohltätiger Wirkungen erzeugt, die man sonst durch Medikamente hervorzubringen sucht. Es regt den Appetit an und besitzt durch seinen Reichtum an Salzen besondern Wert, der z. B. auch bei der Ernährung rachitischer Kinder in Betracht kommt. Vgl. Davidis, Kraftküche von Liebigs F. (Braunschw. 1870).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.