- Ferry
Ferry, 1) Jules, franz. Politiker., geb. 5. April 1832 in St.-Dié (Vogesen), gest. 17. März 1893 in Paris, ward 1851 Advokat in Paris, trat 1865 in die Redaktion des »Temps« ein und veröffentlichte 1865 die durch Schärfe und Freimut ausgezeichneten Artikel gegen die schlechte Munizipalverwaltung von Paris: »Comptes fantastiques d'Haussmann«. 1869 in den Gesetzgebenden Körper gewählt, gehörte er hier zu den heftigsten Oppositionsmitgliedern. Am 4. Sept. 1870 wurde er Mitglied der Regierung der nationalen Verteidigung und 15. Nov. Maire von Paris. Im Februar 1871 wurde er zum Mitglied der Nationalversammlung erwählt, gehörte seitdem zu den Führern der republikanischen Linken und übernahm 1879 das Portefeuille des Unterrichts; er verwaltete es mit Geschick und führte wichtige Reformen ein. Seine bedeutendste, aber auch mühevollste Leistung war die Durchbringung der antiklerikalen Unterichtsgesetze, die ihm erst 1880 gelang. 1880–81 sowie 1883 war er Präsident opportunistischer Ministerien Während F. im Innern die Republik zu befestigen suchte und zu diesem Zweck auch die von den Opportunisten und Radikalen gewünschte Verfassungsrevision nebst der Listenwahl durchführte, stellte er nach außen hin ein freundlicheres Verhältnis zu Deutschland her, mit dem er sich zur Wahrung der europäischen Interessen in Ägypten und Westafrika verband, und wendete die ganze Kraft Frankreichs nach Hinterindien zur Unterwerfung Anams und zur Eroberung Tongkings. Er begann sogar 1884 einen Krieg gegen China. Schon hatte er einen im ganzen günstigen Frieden mit China eingeleitet, als er infolge eines Mißgeschicks der französischen Truppen in Tongking durch die plötzlich aufwallende Entrüstung der öffentlichen Meinung und der Kammer 30. März 1885 gestürzt wurde. Unbeirrt von seiner großen Unpopularität, wagte er es, als erster gegen Boulanger aufzutreten, den er in einer im Juli 1887 zu Epinal gehaltenen Rede auf das bitterste verspottete. Ein halbverrückter Mensch, namens Aubertin, unternahm auf F., den »Tongkinesen«, 1887 sogar ein Attentat und verwundete ihn, wenn auch nur leicht. Aber der unerschrockene Mann setzte den Kampf gegen den Boulangismus mutig fort, gegen den er 1888 den Republikanischen Nationalverein gründete. 1891 wurde er in Epinal zum Senator gewählt. Die glänzendste Genugtuung ward ihm jedoch zuteil, als ihn der Senat, nach dem Rücktritt Leroyers, 24. Febr. 1893 zur Würde seines Präsidenten, dem zweithöchsten Amt im Staat, erhob. 1894 erhielt er eine Bildsäule in St.-Denis. Vgl. »Discours et opinions de Jules F.« (hrsg. von Robiquet, Par. 1893–98, 7 Bde.); Rambaud, Jules F. 1832–1893 (das. 1903).
2) Gabriel, Pseudonym, s. Bellemarre.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.