Eichen [2]

Eichen [2]

Eichen (Aichen, Verifizieren) ist das amtliche Abgleichen, Berichtigen und Beglaubigen der für den Verkehr und den Gebrauch bestimmten Maße und Gewichte. Auf hölzerne Gefäße werden die Eichzeichen oder Stempel eingebrannt, auf gläserne eingeschliffen oder geätzt, auf metallene eingeprägt, nachdem zuvor durch Vergleichung der zu eichenden Maße und Gewichte mit den Normalmaßen und -Gewichten die Übereinstimmung der erstern mit den letztern festgestellt worden ist. Freilich ist eine völlige Übereinstimmung kaum erreichbar; auch bei der sorgfältigsten Vergleichung mit den besten Apparaten kann es nicht ausbleiben, daß die geeichten Gegenstände von dem Normalgewicht oder -Maß um ein Geringes abweichen. Daher ist in den Eichordnungen regelmäßig eine Fehlergrenze aufgestellt, die den Höchstbetrag der zulässigen Abweichung von den Normalen genau bezeichnet. Nach dem Reichsgesetz vom 26. April 1893, betreffend die Abänderung der Maß- und Gewichtsordnung vom 17. Aug. 1868, wird das Meter dargestellt durch den bei der Temperatur des schmelzenden Eises gemessenen Abstand der Endstriche auf demjenigen Maßstab, der von der internationalen Generalkonferenz für Maß und Gewicht als internationales Prototyp des Meters anerkannt worden und auf dem internationalen Maß- und Gewichtsbureau zu Bréteuil bei Paris niedergelegt ist; das Kilogramm wird dargestellt durch die Masse desjenigen Gewichtsstückes, das durch die genannte Konferenz als internationales Prototyp des Kilogramms anerkannt worden und auf dem genannten Bureau niedergelegt ist.

Urmaß ist derjenige vom Prototyp des Meters abgeleitete Maßstab aus Platin-Iridium, der durch die Generalkonferenz dem Deutschen Reich als nationales Prototyp überwiesen worden ist; Urgewicht ist das vom Prototyp des Kilogramms abgeleitete Gewichtsstück aus Platin-Iridium, das in gleicher Weise dem Deutschen Reich überwiesen worden ist. Urmaß und Urgewicht werden bei der deutschen Normaleichungskommission in Berlin aufbewahrt. Letztere liefert hiervon beglaubigte Kopien den Aufsichtsbehörden der Eichungsstellen. Auf Grund derselben stellen dann diese Aufsichtsbehörden Hauptnormale her, nach denen die Kontrollnormale der einzelnen Eichungsstellen richtig erhalten werden. Diese letztern führen Gebrauchsnormale, nach denen die Richtigkeit der zu eichenden Verkehrsgegenstände bei den Eichungsarbeiten beurteilt wird, und Kontrollnormale, die zur Berichtigung der Gebrauchsnormale an der Eichungsstelle dienen.

Die Oberleitung des Eichungswesens steht der Normaleichungskommission in Berlin zu. Diese Reichsbehörde, deren Zuständigkeit sich auf das ganze Bundesgebiet, mit Ausnahme von Bayern, erstreckt, hat alle die technische Seite des Eichungswesens betreffenden Gegenstände zu regeln, die bezüglichen allgemeinen Vorschriften zu erlassen, die Taxen für die von den Eichungsstellen zu erhebenden Gebühren festzustellen und darüber zu wachen, daß das Eichungswesen nach übereinstimmenden Regeln, wie solche in der Eichordnung gegeben, und dem Interesse des Verkehrs entsprechend gehandhabt werde. In dieser Hinsicht ist die Eichordnung vom 27. Dez. 1884 (bez. vom 1. Aug. 1885) maßgebend, zu der verschiedene Nachtragsbestimmungen ergangen sind. Für Bayern besteht eine Normaleichungskommission in München. Die Errichtung der Eichungsämter und deren Beaufsichtigung steht den Bundesregierungen nach Maßgabe des Landesrechts zu. Zur Herstellung und Beglaubigung der Hauptnormale sind außer der Normaleichungskommission nur solche Eichungsbehörden befugt, die beglaubigte Kopien des Urmaßes und Urgewichts haben. Die Vergleichung der Hauptnormale auf ihre fortdauernde Richtigkeit wird in langern Zwischenräumen von der Normaleichungskommission vorgenommen.

Die Eichungsstellen haben nach der Eichordnung, § 79 ff., die ihnen zur Eichung und Stempelung überbrachten, für den öffentlichen Verkehr bestimmten neuen Gegenstände ohne Berücksichtigung des Ursprungsortes der Gegenstände auf ihre Richtigkeit zu prüfen und abzustempeln, sofern sie keine größern als die noch zulässigen Abweichungen von der Richtigkeit zeigen. Außerdem sind die Eichungsstellen verpflichtet, an den Gegenständen, die bei jener Prüfung noch nicht stempelfähig befunden wurden, solche Berichtigungsarbeiten auszuführen, die sich innerhalb der Grenzen der im Verkehr noch zulässigen Abweichungen halten, und für die sie die erforderlichen Einrichtungen haben; weiter gehende Berichtigungsarbeiten bleiben der Privatverständigung der Beteiligten überlassen. Endlich hat jede Eichungsstelle solche bereits im Verkehr befindliche und mit dem Eichungsstempel versehene Gegenstände, zu deren Prüfung sie eingerichtet ist, auf erhaltene Veranlassung entweder auf ihre Richtigkeit im Sinne der Eichordnung (Nacheichung) oder auf die äußersten Grenzen der im öffentlichen Verkehr zu duldenden Abweichungen von der absoluten Richtigkeit (Revision) zu prüfen. Zeigt der Gegenstand bei der Revision eine geringere als die im Verkehr noch zulässige größte Abweichung, und ist sein früherer Stempel noch genugsam kenntlich, so kann ohne weiteres die Zurückgabe erfolgen; im entgegengesetzten Fall ist er entweder zu berichtigen und neu zu stempeln, oder durch Vernichtung des frühern Beglaubigungszeichens als untauglich für den Verkehr zu kennzeichnen. Die Eichungsstellen erheben für die Eichungsarbeiten die Gebühren, die ihnen nach Maßgabe der Eichgebührentaxe vom 28. Dez. 1884 und den hierzu erlassenen Nachträgen zukommen; daneben können sie noch die Auslagen für etwa verwendetes Material in Ansatz bringen. Über die vorgenommenen Prüfungen haben die Eichungsämter Eichscheine oder Befundbescheinigungen auszustellen. Bezüglich der Bezeichnung des Raumgehaltes der Schankgefäße hat das Reichsgesetz vom 20. Juli 1885 folgendes bestimmt: Alle Schankgefäße (Gläser, Krüge, Flaschen etc.), die zur Verabreichung von Wein, Obstwein, Most oder Bier in Gast- oder Schankwirtschaften dienen, müssen mit einem Strich (Füllstrich) versehen sein, der bei der Ausstellung des Gefäßes auf einer horizontalen Ebene den Sollinhalt begrenzt. Dieser Strich wird eingeschnitten, eingeschliffen, eingebrannt oder eingeätzt. In der Nähe des Striches ist der Sollinhalt nach Litermaß zu bezeichnen. Jedoch bedarf es dessen nicht, wenn der Soll inhalt 1 oder 0,5 Lit. beträgt. Zugelassen sind nur Schankgefäße, deren Sollinhalt einem Liter oder einer Maßgröße entspricht, die vom Liter aufwärts durch Stufen von 0,5 L., vom Liter abwärts durch Stufen von Zehnteilen des Liters gebildet wird. Außerdem sind Gefäße zugelassen, deren Sollinhalt 0,25 L. beträgt. Auch Fässer sind zum E. zugelassen, und zwar wird der Raumgehalt durch Ausmessen mit Wasser bestimmt und in Litern in die Fässer eingebrannt. Auch bei Schiffen pflegt man von dem E. derselben (Schiffseiche) als der amtlichen Feststellung ihrer Tragfähigkeit zu sprechen (s. Schiffsvermessung).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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