- Dualismus
Dualismus (v. lat. duo, zwei, »Zweiheitslehre«) heißt im Gegensatze zum Monismus (s. d.) jede Erklärungsweise eines einzelnen Gebietes der Wirklichkeit oder der Welt im Ganzen, die von der Voraussetzung zweier, einander entgegengesetzter Prinzipien ausgeht. So wird in gewissen Systemen der religiös-sittlichen Weltbetrachtung, z. B. in der Lehre Zoroasters (s. d.), ein gutes Wesen als Urheber alles Guten und ein böses als Urheber alles Bösen angenommen, eine Form des D., die sich auch in der Sittenlehre Platons, des Christentums und Kants in der Unterscheidung der sinnlichen (unsittlichen, zum Bösen geneigten) und der geistigen (sittlichen) Natur des Menschen wiederfindet und die Grundlage der asketischen Moral bildet. Ebenso alt wie dieser ethische ist der anthropologische D., der den Menschen aus Leib und Seele zusammengesetzt sein läßt. Denselben erweiterte in der neuern Philosophie Descartes (s. d.) zum metaphysischen D., nach dem es in der Welt überhaupt zweierlei, in allen ihren Eigenschaften verschiedene Substanzen (Grundwesenheiten) gibt, die ausgedehnten Substanzen oder Körper und die denkenden oder Geister, die deshalb auch auf natürlichem Weg irgend einen Einfluß auseinander auszuüben nicht vermögen. Handelt es sich in diesen Fällen um den Gegensatz zweier Wesensarten, so besteht der kosmonomische D. in der Annahme zweier Grundformen des Geschehens, indem er dem Prinzip der Verursachung dasjenige der Zweckbestimmung gegenüberstellt. – In der Chemie nimmt die dualistische Theorie an, daß jeder zusammengesetzte Körper, welches auch die Anzahl seiner Bestandteile sein mag, in zwei Teile zerlegt werden kann, von denen der eine positiv, der andre negativ elektrisch ist. – In der Elektrizitätslehre nennt man dualistische Hypothese (Symmer) die Annahme, daß es zwei einander entgegengesetzte elektrische Fluida gebe, im Gegensatze zu der unitarischen Hypothese (Franklin, Wilke, Äpinus), nach der die elektrischen Erscheinungen nur durch ein einziges Fluidum (Elektrikum) verursacht werden. – Da die Vorstellung einer Zweiheit der letzten Gründe unserm überall Einheit suchenden Denken widerstrebt und auch in der Wirklichkeit sich nirgends schroffe und unverbundene Gegensätze vorfinden, vielmehr alle Erscheinungen in einem Zusammenhange stehen, so hat der D. gegen den Mo nismus einen schweren Stand, und es darf wohl die dualistische Erklärungsweise auf keinem Gebiet als die letzte und tiefste angesehen werden (man denke nur an die künstlichen Hypothesen des Okkasionalismus [s. d.] und der prästabilierten Harmonie [s. d.] die aufgestellt werden mußten, um die tatsächliche Verknüpfung des geistigen und leiblichen Lebens vom dualistischen Standpunkt aus einigermaßen begreiflich zu machen). Dessenungeachtet ist die dualistische Betrachtungsweise auf einer gewissen Stufe der Entwickelung des Erkennens unvermeidlich und förderlich. Wir können nicht alle Seiten und Beziehungen der Dinge auf einmal umfassen, sondern müssen, um klare Begriffe zu bilden, Verbundenes zunächst trennen und Gegensätze fixieren, wo stetige Übergänge vorhanden sind. – In politischer Beziehung versteht man unter D. die Teilung der politischen Gewalt zwischen zwei Faktoren, insbes. das Verhältnis, wonach in einem Staatenbund zwei (natürlich die mächtigsten) Staaten an dessen Spitze stehen und die Angelegenheiten des Bundes leiten, besonders die Exekutive in den Händen haben. So war die zur Zeit des vormaligen Deutschen Bundes angestrebte Leitung Deutschlands durch Österreich und Preußen ein D., gegenüber der Trias, dem System, wonach drei Staaten die Exekutive haben sollten, sei es, daß außer jenen beiden noch Bayern, sei es, daß dies abwechselnd mit den andern damals bestehenden deutschen Königreichen die Führung haben sollte. Als D. bezeichnet man insbes. auch das seit 1867 zwischen Österreich und Ungarn bestehende staatsrechtliche Verhältnis. – Dualist, Anhänger des D.; dualistisch, auf D. gegründet; Dualität, Zweiheit.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.