Dongŏla

Dongŏla

Dongŏla (Dâr D.), der südlich vom Wadi Halfa gelegene Teil Nubiens, war früher ein selbständiges Reich, gehörte unter ägyptischer Herrschaft zur Mudirieh Berber und Dongola und zieht sich beiderseits des Nils zwischen 19°42´ u. 18° nördl. Br. in einer Länge von 260 km hin. Nur das schmale Flußtal ist kulturfähig; davon sind 10,800 Hektar bebaut. Dumpalmen, Ssantakazien, Mimosen, schön blühende Volkamerien, Weiden, Kassien umsäumen die Ufer. Am Rande des Kulturlandes wuchert die heilkräftige Sennastaude, abseits vom Fluß herrscht die Wüste. Die Tierwelt weist Löwen, Hyänen, Gazellen, Krokodile, Nilpferde, die riesige Tyrseschildkröte (Trionyx nilotica) u.a. auf. Von Haustieren werden Pferde, Ochsen, Schafe, Ziegen und Büffel mit langen Hörnern gehalten. Das Klima wird durch kühle Südostwinde im Dezember und Januar gemildert, Sandstürme wehen im April. Zur heißen Jahreszeit treten, namentlich am Nil, verderbliche Fieber auf. Die nur etwa 56,000 Köpfe starke Bevölkerung besteht z. T. aus Arabern und Türken, in der Hauptmasse aber aus den zu den Nuba oder Berâbra (s. d.) gehörenden Dankala. Sie haben bronzene Hautfarbe, regelmäßigen und schönen Körperbau und Gesichtstypus und stark gelocktes, reiches Haar, dagegen nur dünnen Bart. Besonders schön sind die Frauen; sie tragen die Haare geflochten und gehen, mit Ausnahme eines Schurzes, ganz nackt. Die Dankala bekennen sich zum Islam, reden das Dogolawi (einen Dialekt des Nubischen) und Arabisch und treiben Ackerbau (Durra, Dochn, Weizen, Gerste, Datteln, Bohnen, Tabak, Baumwolle, Indigo) und Viehzucht. Die von den einheimischen Meliks oder Kaschess arg dedrückten Bewohner leben trotz der Ergiebigkeit des Bodens in größter Armut und wandern viel nach dem Süden aus. Die jetzige Hauptstadt ist Dongola el Urdu (auch kurzweg Urdu, früher Kasr Dongola genannt), ein neu angelegter, gut gebauter Ort am linken Nilufer mit 8–10,000 Einw. Er besitzt eine Zitadelle und ist wichtig als Handelsplatz. 1885 bis 1896 befand sich die Stadt in den Händen des Mahdi, der sie zum Sitz eines Emirs machte. 100 km oberhalb liegt auf hohem Felsen Dongola el Adjuzeh (»Altdongola«), in altägyptischer Zeit unter dem Namen Dongul eine wichtige Handelsstadt, die aber 1820 durch die Mamelucken zerstört wurde und jetzt nur noch ein armseliges Dorf inmitten von Ruinen ist. S. Karte »Ägypten«.

Geschichte. Aus der Lage der von Usertesen III. oberhalb Wadi Halfa bei Semneh um 1874 v. Chr. errichteten Grenzfestungen geht hervor, daß das heutige D. nicht zum Reiche der Pharaonen gehörte, wenn es auch mit ägyptischer Kultur in Berührung kommen mußte. Der Ursprung des im Mittelalter mächtigen Königreichs D. scheint in die Zeit zu fallen, wo das Christentum nach Nubien drang. Die Regierung des Reiches war theokratisch, die Liturgie griechisch, und wie die Abessinier erkannte D. die kirchliche Obergewalt des Patriarchen von Alexandria an. 651 kam D. durch Othmans Feldherrn Abdallah ben Saad in lose Abhängigkeit von den Arabern in Ägypten, ohne deshalb seine griechisch-ägyptische Kultur sofort einzubüßen. Im 10. Jahrh. machten die Nubier Einfälle in Unterägypten; doch im 11. Jahrh. sank die Macht der Könige von D. so, daß die Sultane von Ägypten 1275 Gebieter von Niedernubien wurden und Oberherren von D. blieben. Verschiedene Versuche der Nubier, das Joch wieder abzuschütteln, schlugen fehl. Im 15. Jahrh. nahmen die Beni Kensy (Kenz), deren Führer als erster islamischer Herrscher von D. erscheint, Niedernubien in Besitz, während die Könige von Senaar ihre Herrschaft auf den südlichen Teil des Reiches ausdehnten. Schließlich überwand der Mohammedanismus der nomadischen Araber das Christentum der ackerbauenden Nubier vollends. Gegen Ende des 18. Jahrh. vernichteten die Schaikyeh-Araber den Einfluß der Tungidynastie, setzten die Meliks, d.h. Unterkönige, ein und ab, übten Erpressungen und unternahmen fortwährend Raubzüge ins Land, gegen die nur die feste Lage von Dongola el Adjuzeh einigermaßen Schutz gewährte. Die Dongolawi, der immerwährenden Feindseligkeiten müde, wanderten allmählich nach Norden, Kordofan und Dar Fur aus. 1814 setzten sich die von Mehemed Ali aus Ägypten vertriebenen Mamelucken in D. fest, bis sie 1820 durch Ismail, einen Sohn Mehemed Alis, weiter nach Süden und Westen (Dar Für) verdrängt wurden. Seitdem war D. ägyptisch. 1885 ging D. an die Mahdisten verloren, bis es im Sommer 1896 durch die Engländer unter Kitchener wieder besetzt ward. Vgl. Schurtz im 3. Bande von Helmolts »Weltgeschichte« (Leipz. 1901).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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