Äthiopische Region

Äthiopische Region

Äthiopische Region (hierzu die Tafel »Äthiopische Fauna«), tiergeographische Region, den größten Teil des afrikanischen Kontinents und die östlich von Afrika im Indischen Ozean gelegenen Inseln Madagaskar, Mauritius, Rodriguez, Réunion, die Seschellen und Comoro-Inseln umfassend. Die ä. R. bildet einen in sich und auch an den Grenzen verhältnismäßig gut geschlossenen geographischen Bezirk. Im N. stößt sie an die mittelländische Subregion der paläarktischen Region, die den nördlichsten Teil Afrikas, südlich bis zum Wendekreis des Krebses gehend, umfaßt; die Sahara beherbergt z. T. eine aus Angehörigen beider Regionen gebildete Fauna. Ostlich in Arabien ist die Abgrenzung gegen die orientalische Region weit schärfer. Klimatisch ist der Charakter überwiegend tropisch. Von dem einheitlichen Typus der Region unterscheidet sich sehr scharf Madagaskar, das mit den benachbarten Inseln eine besondere Subregion bildet. Auf dem afrikanischen Kontinent dagegen sind die drei Subregionen, in die dieser zerlegt wird (die ostafrikanische, westafrikanische und südafrikanische), unter sich wenig verschieden, weit weniger, als dies sonst bei geographischen Regionen der Fall ist. Den bedeutendsten Umfang besitzt die ostafrikanische Subregion; sie umfaßt Südarabien, den Süden Ägyptens, Abessinien und den Sudân und erstreckt sich südlich bis zum Ngamisee und der Kalahariwüste; westlich erstreckt sie sich weit nach dem Innern des Kontinents, und ihre Begrenzung gegen die westafrikanische Subregion ist wahrscheinlich im O. des Kongogebiets zu suchen, ohne jedoch eine irgendwie scharfe zu sein. Dieses ungeheure Gebiet bildet größtenteils ein gewaltiges Hochplateau, mit Ausnahme des schmalen Streifens an der Ostküste, der Täler des Nils und Niger sowie des Kilimandscharo, Kenia und der abessinischen Gebirge. Es sind weniger Wälder als offene, mit Gräsern und Gebüsch bedeckte Flächen, die als Wohnplatz der Tiere in Frage kommen. In dieser Subregion lebt die größere Mehrzahl der für die ä. R. charakteristischen Tiere; Flußpferd (Fig. 7), Kuduantilope (Fig. 5), afrikanischer Elefant (Fig. 8), Löwe (Fig. 6) finden sich, wie im ganzen Gebiet, auch hier; dagegen besitzt diese Subregion nur wenige ihr eigentümliche Gattungen und Arten, die meist einen beschränkten Verbreitungskreis haben. So ist auf das Gebirge Abessiniens beschränkt der Gelada-Affe (Theropithecus), und von Antilopen ist Neotragus in Abessinien heimisch; das Somalland besitzt einen eignen Strauß, ein eignes Zebra und die merkwürdige Antilope Walleri. Von Insektenfressern ist das Rüsselhündchen, von Mäusen die Gattungen Saccostomus und Palomys, von den Trugratten Pectinator für diese Subregion charakteristisch. Am Nil lebt als ihr eigentümlicher Vogel der Schuhschnabel (Balaeniceps), im obern Nil der Flößelhecht.

Die westafrikanische Subregion umfaßt das westliche Afrika südlich des Gambiaflusses und erstreckt sich zentral bis an die Ostgrenze des Kongogebiets, bis zum Gebiete der großen Seen; die Südgrenze ist noch nicht klar gelegt, vielleicht wird sie gebildet durch den Kunenefluß und die Kalahariwüste; in diese Subregion fällt das gewaltige Waldgebiet Zentralafrikas, und eine ganze Reihe von Arten sind für dieselbe charakteristisch; unter den Affen Gorilla (Fig. 1), Schimpanse (Fig. 2), Mandrill (Fig. 3), ferner gewisse Halbaffen; von Insektenfressern Potamogale, von Nagern der den Flughörnchen verwandte Anomalurus und der große Aulocodus; an Stelle des oft zentralafrikanischen Warzenschweines (Fig. 9) tritt in Westafrika das Larvenschwein, und Liberia besitzt auch eine eigne Art des Flußpferdes. Der hervorstechendste Charaktervogel ist der graue Papagei (Fig. 13), außerdem bestimmte Arten der Perlhühner (Fig. 14) und die Bananenfresser (Fig. 12). Von Reptilien sind ca. 18 Gattungen auf Westafrika beschränkt, von Amphibien 2 Gattungen von Krötenfröschen (Fig. 16), von Insekten spielen die prächtigen Goliathkäfer eine besondere Rolle. Die Molluskenfauna Afrikas scheint noch gleichförmiger gestaltet als die übrige Tierwelt des kontinentalen Teiles der äthiopischen Fauna.

Die südafrikanische Subregion umfaßt eigentlich nur die Südspitze Afrikas, im weitern Umfang kann die Kalahariwüste die nördliche Grenze bilden, trotzdem enthält die südafrikanische Subregion eine Reihe eigentümlicher Tiere: von den Insektenfressern sind es die Goldmulle sowie die allerdings auch nach Ostafrika gehenden Elefantenspitzmäuse und der Klippschliefer (Hyrax, Fig. 18); von den Raubtieren ist auf Südafrika beschränkt der Erdwolf, von den Zahnarmen eine Art Erdferkel, von den Paarzehern der Springbock, die Elenantilope, das Haartebeest, die Giraffe (Fig. 4), von den Nagern eine Maulwurfsratte; von den Vögeln ist als besonders wichtig der Strauß (Fig. 15) zu erwähnen; Reptilien finden sich 14 Gattungen, darunter vor allem als afrikanisches Charaktertier das Chamäleon (Fig. 17); von Amphibien sind 4 Gattungen vorhanden. Die Insektenwelt hingegen übertrifft die andern Subregionen durch die Zahl eigentümlicher Arten.

Die madagassische Subregion ist eine der merkwürdigsten und bestcharakterisierten Regionen der Welt; negativ ist diese Subregion ausgezeichnet durch das Fehlen von Affen, Löwen, Leoparden, Hyänen, Zebras, Giraffen, Antilopen, Elefanten, Rhinozerossen, Stachelschweinen, Eichhörnchen, lauter Gruppen, die für den afrikanischen Kontinent bezeichnend sind. Dagegen finden sich besonders in dem Walddistrikt Madagaskars eine Reihe höchst charakteristischer Formen, hauptsächlich Halbaffen und Insektenfresser. Von erstern gehört Madagaskar die überwiegende Zahl der Arten zu, ganz auf Madagaskar beschränkt ist das eigentümliche Fingertier (Fig. 10) und Vari (Fig. 11); von den Insektenfressern gilt dies für die Familie der Borstenigel mit mehreren Gattungen, und ebenso finden sich mehrere Nager nur in der madagassischen Subregion; von den übrigen Säugetieren ist eine höchst eigentümliche Charakterform Cryptoprocta ferox. Ebenso außerordentlich reich ist die madagassische Subregion an eigentümlichen Vögeln. Hier lebten auch die erst in historischer Zeit ausgestorbenen Taubenvögel Dronte und Solitär und der Riesenvogel Aepyornis (der Vogel Rock der orientalischen Märchen ?). Alles in allem läßt die Fauna der madagassischen Subregion auch in den Reptilien und andern Tierklassen eine gewaltige Verschiedenheit von der übrigen äthiopischen Region erkennen, was für ein bedeutendes Alter und eine lange fortgesetzte Isolierung dieser Inseln spricht.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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