- Zollstrafrecht
Zollstrafrecht, Inbegriff derjenigen Strafbestimmungen, die Zuwiderhandlungen gegen die Zollgesetze (Zollvergehen) zum Gegenstand haben. Das deutsche Vereinszollgesetz (Reichsgesetz) vom 1. Juli 1869 bezeichnet als die hauptsächlichsten Zollvergehen die Konterbande (s. d.), d. h. die Ein-, Aus- oder Durchfuhr solcher Gegenstände, die einem Ein-, Aus- und Durchfuhrverbot unterliegen, und die Zolldefraudation, d. h. die Hinterziehung von Zöllen (s. Defraudation). Neben diesen beiden Hauptvergehen sind noch die Verletzungen andrer Vorschriften der Zollgesetze (Zollkontraventionen, Ordnungswidrigkeiten), namentlich solcher, die im Interesse der zollamtlichen Kontrolle gegeben sind, mit Strafe bedroht. Abgesehen von den sonst verwirkten Strafen (Geldstrafe, ausnahmsweise Gefängnis), werden Konterbande und Defraudation auch mit der Einziehung (Konfiskation) derjenigen Gegenstände, in bezug auf die das Zollvergehen verübt wurde, bestraft. Eine Eigentümlichkeit des Zollstrafrechts ist die Haftverbindlichkeit gewisser Personen für Mitglieder ihrer Familien und für ihre Gehilfen im Geschäftsbetrieb hinsichtlich der defraudierten Gegenstände und der verwirkten Geldstrafen. Eisenbahnverwaltungen und Dampfschiffahrtsgesellschaften haften für ihre Angestellten und Bevollmächtigten unbedingt; Handels- und Gewerbtreibende haften für ihre Diener, Lehrlinge, Markthelfer, Gewerbsgehilfen, Ehegatten und Kinder; das Familienhaupt haftet für die Familienglieder. Wird der Beweis geführt, daß ein Zollvergehen nicht beabsichtigt war, so tritt nach dem deutschen Vereinszollgesetz nur eine Ordnungsstrafe ein, wie sie die Zollordnungswidrigkeiten nach sich ziehen. Die Erledigung der Zollstrafsachen erfolgt zunächst im Wege des administrativen Verfahrens (Zollstrafverfahren) der Zollbehörden (Hauptzoll- und Hauptsteuerämter, Provinzialsteuerdirektionen etc.). Der Angeschuldigte kann jedoch auf gerichtliches Gehör und Erkenntnis antragen. Die Verurteilung auf Grund subsidiärer Haftbarkeit kann nur durch die Gerichte erfolgen. In Österreich urteilen über die Zollvergehen besondere, durch richterliche und politische Beamte gebildete Gefällsbezirksgerichte, Gefällsobergerichte und ein oberstes Gefällsgericht. Dabei wird zwischen mindern und schweren Gefällsstrafsachen unterschieden, indem bei den erstern ein abgekürztes Verfahren ein tritt. Vgl. Deutsches Vereinszollgesetz, § 134–165; Deutsche Strafprozeßordnung, § 459 ff.; Österreichisches Strafgesetzbuch über Gefällsübertretungen vom 11. Juni 1835; Löbe, Das deutsche Z. (3. Aufl., Leipz. 1901); Bonnenberg, Das Strafverfahren in Zoll- und Steuersachen (2. Aufl., Berl. 1899); Trautvetter, Das Strafrecht der Zoll- und Verbrauchssteuergesetze in der Rechtsprechung (das. 1894); Röhr, Strafgesetzgebung und Strafverfahren in Bezug auf die Zuwiderhandlungen gegen die Zoll- und Steuergesetze etc. (4. Aufl., Bresl. 1903).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.