- Weide [1]
Weide (Viehweide, Trift), mit Weidepflanzen bestandenes und zum Abhüten durch die Haustiere bestimmtes Grundstück. Die natürliche W. ist eine unbedingte, dauernde, wenn ihr Umbruch selbst bei entwickelter Kultur unzulässig ist, wie z. B. bei Lokalitäten, die regelmäßigen Überschwemmungen ausgesetzt sind oder an steilem Bergabhang liegen; bei extensiver Wirtschaft, der Kapital und Arbeitskräfte fehlen, kann selbst reine Weidewirtschaft, ohne Ackerbau, die sichersten Reinerträge liefern. Wo jedoch solche Verhältnisse nicht maßgebend sind, hat nur die künstliche oder wechselnde W. noch Berechtigung, und zwar als Teil der allgemeinen Feldbestellung, sei es auf ein, zwei oder mehrere Jahre (Koppel-, Feldgras-, Schlag- und Egartenwirtschaft; s. Grasland und Koppelweide). Die W. bildet, gut bestanden, eine vortreffliche Vorfrucht für viele Kulturpflanzen, in feuchten Gebirgslagen stellt sich dann von Natur aus wieder ein Graswuchs ein; die künstliche Ansaat aber gewährt den Vorteil, den Bestand der W. beeinflussen zu können. Soll die W. in der Fruchtfolge den höchsten Vorteil gewähren, so muß ihr kräftig gedüngte Vorfrucht vorausgehen, der Boden tüchtig und tief bearbeitet sein, und an Samen darf nicht gespart werden. Die Samenmischung besteht nur aus Klee und Raigras, oder aus Timothygras, oder auch nur aus Samen von andern Gräsern und Kräutern. Man sät in eine Getreideart als Überfrucht und muß nach deren Aberntung das Vieh so lange fern halten, bis die jungen Pflanzen genugsam entwickelt sind. Die W. darf nur mit Vorsicht behütet, d. h. nicht mit Vieh übersetzt und diesem nicht zugleich die ganze Fläche eingeräumt werden. Die Weiden sind zu dem Zweck entweder in angemessene Schläge von vornherein eingeteilt und mit Hecken oder Gräben umgrenzt, oder das Vieh wird in künstlichen Umzäunungen gehalten oder selbst angebunden. Man behütet entweder nur mit Schafen oder auch mit Rindvieh, Pferden und Schweinen, und zwar, wenn mit verschiedenem Vieh, mit allem zugleich oder mit dem größern zuerst. In England füttert man die Tiere auch noch mit anderm Futter auf der W., besonders das Mastvieh. Für Gestüte und überhaupt für die Aufzucht von Jungvieh bedarf man größerer, mehr magerer Weiden; auf großen Gütern räumt man die dem Hof zunächst gelegenen Weiden dem Jungvieh und Arbeitsvieh ein; besonders üppige (Fettweiden) dienen nur zur Mastung und die entferntesten (Außenweiden) nur für Schafe. Dem Vieh darf es auf der W. nicht an gutem Wasser und Schutz gegen Sonne und heftige Stürme fehlen. Die eigentliche Weidewirtschaft gewährt den Nutzen der Arbeits- und Kapitalersparn is, setzt aber für gleiche Viehstände weit größere Flächen als die Stallfütterung voraus und gewährt keineswegs den größten Reinertrag von gegebenem Areal. Das Vieh selbst bleibt bei vollem Weidegang gesünder und robuster, erlangt aber nicht die hohe Leistungsfähigkeit der heutigen Kulturrassen: beim Milchvieh begünstigt der Weidegang die Milchbildung, keineswegs aber größere Güte und Schmackhaftigkeit der Butter als die (rationelle) Stallfütterung. Nur die Zucht von Pferden und gutem Arbeitsvieh setzt den Weidegang voraus, und Schafe gedeihen als Wollvieh in der Regel besser mit Weidegang als bei Stallhaltung. Zufällige Weiden sind: die Stoppelweide nach Aberntung der Halmfrüchte, die Brachweide, die Vor- und Nachhut auf den Wiesen im zeitigen Frühjahr und im Herbste, die Saatweide bei zu üppigem Stande der Getreidefelder, endlich die Waldweide. Vgl. Delius, Die Kultur der Wiesen und Grasweiden (Halle 1874); Stebler, Der rationelle Futterbau (5. Aufl., Berl. 1903) und Alp- und Weidewirtschaft (das. 1903); Burgtorf, Wiesen- und Weidenbau (5. Aufl., das. 1905); Braungart, Handbuch der rationellen Wiesen- und Weidenkultur (Münch. 1899); Emmerling und Weber, Beiträge zur Kenntnis der Dauerweiden (Berl. 1901); König, Die Pflege der Wiesen und Weiden (2. Aufl., das. 1906); Dünkelberg, Die Grasweide (das. 1905); Falke, Die Dauerweiden (Hannov. 1907); Strebel, Die Jungviehweiden (Stuttg. 1908).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.