- Wüstenpflanzen
Wüstenpflanzen (hierzu die Tafel »Wüstenpflanzen«), in sehr regenarmen Gebieten, vorzugsweise der Tropenzone einheimische Gewächse, die sich wie die Steppenpflanzen durch Schutzeinrichtungen gegen Trockenheit auszeichnen. Die Vegetation der Wüsten ist durch mancherlei Übergänge mit der der Steppen (s. Steppenflora) verbunden und stellt den äußersten Grad von Reduktion dar, bis zu dem das pflanzliche Leben bei größtmöglicher Regenlosigkeit und Lufttrockenheit, z. B. in der Sahara, auf dem Zentralplateau Innerasiens, in der Kalahari- und Atacamawüste u. a., herabzusinken vermag. Die Vegetation tritt nur in ganz vereinzelten, weit voneinander entfernten Beständen von vorwiegend graugrüner Färbung, zwerghaftem Wuchs und ausgesprochen xerophilem Charakter (s. Xerophyten) auf. Als Typus kann die ägyptisch-arabische Wüste gelten, in der sich Fels-, Geröll- und Sandstrecken mischen. Da der Regen nur in wenigen Frühlingsmonaten (Februar bis April) fällt, so beschränken zahlreiche W. ihre Vegetation auf die kurze Regenzeit und sterben nach ihr völlig ab, wie einige ephemere Gewächse mit kurzen Wurzeln. Dagegen besitzen die mehrjährigen W. außerordentlich lange, oft mehrere Meter senkrecht hinabsteigende Wurzeln, soz. B. bei Caillgonum comosum (Fig. 4), da in der trockenen Jahreszeit Feuchtigkeit nur in sehr tief liegenden Erdschichten erhalten bleibt. Die an Telegraphendrähte erinnernden Wurzeln ausdauernder Gräser, z. B. von Aristida (Fig. 7), umgeben sich außerdem zum Schutz gegen Austrocknung mit einer eigentümlichen, aus aneinander haftenden Erdpartikelchen bestehenden Hülle. Die während des Tages abnorme Lufttrockenheit des Wüstenklimas macht besondere Mittel der W. zur Aufnahme von Wasser aus der Atmosphäre während der feuchten Nachtstunden notwendig. Ein solches besteht z. B. bei Reaumuria hirtella u. a. in der Ausscheidung hygroskopischer Salze aus den Blättern. Auch den zur Nachtzeit reichlich in der Wüste sich abscheidenden Tau können einige W. direkt mittels besonderer Haarbildungen aufnehmen. Gegen die Gefahr übermäßiger Verdunstung schützen sich die W. durch Reduzierung der verdunstenden Flächen, z. B. bei Retama Raetam (Fig. 1), Farsetia aegyptiaca (Fig. 10) u. a. Auch die Ausscheidung ätherischer Öle scheint bei manchen W. den Zweck zu haben, die betreffende Pflanze mit einer überstarke Erwärmung hindernden Dunsthülle zu umgeben. Ein weiteres Mittel zur Verhinderung von Wasserverlust besteht in der Ausbildung von blasenartigen Ausstülpungen auf den Epidermiszellen (Mesembryanthemum crystallinum u. a.), die als Wasserspeicher dienen. Auch innere Gewebe dienen zur Wasseraufspeicherung (Wassergewebe). Der in diesen Geweben aufgespeicherte Zellsaft zeichnet sich durch starken Salzgehalt aus, wodurch die Saugkraft der Zellen erhöht und der Wasserzufluß aus den zuleitenden Gefäßsträngen erleichtert wird.
Die Bestäubungsverhältnisse der W. scheinen nicht so ungünstig zu sein, wie man bisher wegen der Armut der Wüste an geeigneten Blumenbesuchern angenommen hat; auch finden sich bei einzelnen W. größere und farbenprächtige Blüten und Schauapparate (bei Arten von Erodium, Zilla (Fig. 3.), Capparis (Fig. 5), Reaumuria, Pancratium, Infloreszenzen von Ochrodenus, Acacia u. a.). Die Verbreitung der Früchte oder Samen geschieht durch den Wind, z. B. bei Aristida (Fig. 7), oder durch Tiere, z. B. bei Forskalia, deren widerhakige Zweige beim Vorüberstreifen fortgeschleppt werden. Bei der Jerichorose (Anastatica hierochontica) breiten sich die in der Zeit der Dürre kugelartig eingekrümmten Äste der Pflanze beim ersten Regen aus und legen die vorher geborgenen Früchte bloß; die schaufelartigen Fortsätze an der Spitze der Fruchtklappen wirken als Hebel, um beim geringsten Stoß die Klappen an der vorgebildeten Trennungsfläche zum Zerreißen und dadurch die Samen zum Herausspringen und zur Aussäung zu bringen. Das bisweilen beschriebene Vorwärtsrollen der entwurzelten Pflanze im Winde findet kaum statt. Bei der zu den Kompositen gehörigen Sternjerichorose (Odontospermum pygmaeum) schlagen sich während der Dürre die Hüllblätter über den Fruchtköpfchen gehäuseartig zusammen, um bei der Regenzeit sich wieder zu öffnen und die Ausstreuung der Achenen zu ermöglichen. Andre Pflanzen verhindern ein zu frühes Ausstreuen der Samen dadurch, daß sie ihre Kapseln nicht durch Austrocknen, sondern bei Quellung bestimmter Gewebeschichten öffnen, z. B. Fagonia (Fig. 2) und Zygophyllum (Fig. 6). Zu den häufigern Erscheinungen in den Wüsten Zentralasiens und Nordafrikas gehört auch die Mannaflechte (Sphaerothallia esculenta, s. Flechten, S. 671). Charakterpflanzen der Kalahariwüste sind Welwitschia (Fig. 8) und die wassermelonenartige Acanthosicyos (Fig. 9). Vgl. Volkens, Die Flora der ägyptisch-arabischen Wüste (Berl. 1887).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.