Verōna [2]

Verōna [2]

Verōna, Hauptstadt der gleichnamigen ital. Provinz (s. oben), Festung ersten Ranges, liegt 55 m ü. M. am Fuße der südlichen Ausläufer der Lessinischen Alpen, an der seit 1895 stark eingedämmten, von sieben Brücken überspannten Etsch, an den Eisenbahnen Mailand-Venedig, V.-Ala, V.-Mantua-Modena, V.-Rovigo und V.-Caprino, mit Dampfstraßenbahnen nach Cologna Veneta, Tregnago, Coriano und San Giacomo. Die bastionierte Stadtmauer ist seit 1527 von Sanmicheli errichtet; die Befestigungen sind seit 1814 von den Österreichern bedeutend verstärkt. Hauptstraßen sind der Corso Vittorio Emanuele und der stark belebte Corso Cavour, Hauptplätze: die Piazza d'Erbe, mit einer Marmorsäule, die den 1797 entfernten, 1886 erneuerten venezianischen Löwen trägt, einem Brunnen aus Berengars I. Zeit mit der teilweise antiken Statue Veronas und dem 83 m hohen Rathausturm (1172–1370); die Piazza dei Signori, mit dem Denkmal Dantes (von Zannoni, 1865), die Piazza Vittorio Emanuele (ehemals Brà), durch das zweibogige Stadttor Portone della Brà (1370) von dem gleichnamigen Corso geschieden, mit dem Reiterstandbild Viktor Emanuels (von Barzaghi, 1883), die Piazza Sent' Anastasia mit dem Marmorstandbild Paolo Veroneses (1888), die Piazza Santi Apostoli mit dem Marmorstandbild Aleardis (von Zannoni), die Piazza dell' Indipendenza mit dem Reiterstandbild Garibaldis (von Bordoni, 1887) und die Piazzetta Ponte delle Navi mit dem Denkmal Humberts I. (von Cristiani, 1906).

Wappen von Verona.
Wappen von Verona.

Von den Kirchen der Stadt verdienen Erwähnung: der Dom Santa Maria (1187 umgebaut), mit romanischer Fassade, im Innern gotisch, mit Fresken aus dem Leben Mariä von Torbido, einer Assunta von Tizian und einem Glockenturm von Sanmicheli (1534) auf antiker Basis; das neben dem Dom befindliche Baptisterium San Giovanni in Fonte, eine Basilika aus dem 12. Jahrh., mit romanischem Taufbecken; San Zeno, ein überaus schöner romanischer Bau aus dem 11. und 12. Jahrh., außen mit prächtigem Portal und Reliefs, im Innern eine dreischiffige Basilika mit Altarbild von Mantegna, Kreuzgang der (1770 aufgehobenen) Benediktinerabtei, in der die deutschen Kaiser auf ihren Römerzügen wohnten, und mächtigem Turm (1045 bis 1178); San Bernardino (von 1452), mit der berühmten Cappella Pellegrini von Sanmicheli (1557); San Fermo Maggiore, gotisch (1313–19) mit schöner, aus Backstein und Marmor gemischter Fassade, im Innern mit altem, offenem Lärchenholzdachstuhl, Renaissancegrabmälern und romanischer Krypte; Sant' Anastasia, gotisch (1260–1450) mit reichem Portal, vielen Denkmälern und Gemälden; San Giorgio in Braida (im 16. Jahrh. durch Sanmicheli umgebaut), mit Gemälden von Paolo Veronese u. a.; Santa Maria in Organo (schon 866 erneut, 1481 von Sanmicheli umgebaut), in schöner Frührenaissance; San Nazaro e San Celso (aus dem 11. Jahrh., 1464 umgebaut). Vor dem Kirchlein Santa Maria Antica erheben sich die gotischen Grabmäler der Scaliger (s. Scala). Zu den hervorragendsten weltlichen Bauten gehören: der Palazzo della Ragione (von 1193, jetzt Assisenhof), mit schöner Marmortreppe (14. Jahrh.); das Tribunal; die Präfektur (von 1272) mit Portal von Sanmicheli, beide ursprünglich Scaligerpaläste; der Palazzo del Consiglio (von Fra Giocondo 1476–93 erbaut, 1873 restauriert) mit glänzender Fassade und den Statuen berühmter Veroneser in der Halle des Erdgeschosses; die Casa dei Mercanti (1210, jetzt Handelskammer); das Castel San Pietro, hoch über dem linken Ufer der Etsch an der Stelle der Burg Dietrichs von Bern (jetzt Festungswerke und Kaserne); das Castel vecchio, die ehemalige Burg der Scala (1355 als Brückenkopf jenem gegenüber am rechten Ufer erbaut, jetzt gleichfalls Kaserne und Zeughaus); das Rathaus; der Palast der Gran guardia vecchia (von 1610); die von Sanmicheli erbauten Paläste Bevilacqua, Canossa, Guastaverza und Pompei (mit dem Museo civico); der Palazzo Maffei (1668, mit berühmter Wendeltreppe) und der Palazzo Giusti mit schönem, aussichtsreichem Garten (berühmte alte Zypressen). Auch der neue Friedhof (Campo santo) mit Säulenhalle und schönen Denkmälern verdient Erwähnung. Unter den antiken Baudenkmälern der Stadt ist das hervorragendste das gut erhaltene berühmte Amphitheater (Arena). Es wurde wahrscheinlich unter Diokletian um 290 n. Chr. erbaut, ist von ovaler Form, 153 m lang, 123 m breit, 32 m hoch und hat einen Umfang von 435 m. Außen hatte es zwei Stockwerke Arkaden; das Innere besteht aus 43 Sitzreihen mit etwa 22,000 Plätzen. Andre Denkmäler aus dem Altertum sind: die Porta Borsari, ein unter Kaiser Gallienus 265 erbautes Stadttor; der Arco dei Leoni (Rest eines Doppeltores aus derselben Zeit) und die Überreste eines römischen Theaters. Die Zahl der Einwohner beträgt (1901) 62,024 (als Gemeinde 74,271). An industriellen Unternehmungen, die zusammen 32,189 Arbeiter beschäftigen, bestehen: eine große Eisenbahn-Reparaturwerkstätte, ein Artillerielaboratorium, Fabriken für Eisengußwaren, Waffen, Farberde, Zündwaren, Papier, eine Baumwollspinnerei, Seilerei, ferner Gerbereien, Buchdruckereien etc. Auch wird ansehnlicher Handel mit Seide, Wein, Getreide etc. betrieben. V. hat eine Maler- und Bildhauerakademie, ein königliches und ein bischöfliches Lyzeum und Gymnasium, ein Seminar, ein technisches Institut, 2 technische Schulen, eine Lehrer- u. Lehrerinnenbildungsanstalt, Gewerbeschule, Taubstummeninstitut, eine städtische Bibliothek (85,000 Bände, 3100 Manuskripte), ein städtisches Museum mit bedeutender Gemäldegalerie, Sammlungen von Münzen (22,000), naturgeschichtlichen Gegenständen etc., das Museo lapidario mit Altertümern (namentlich Inschriften und Skulpturen), 3 Theater, zahlreiche Wohltätigkeitsanstalten und 2 Banken. V. ist Sitz des Präfekten, eines Bischofs, eines Tribunals, einer Finanzintendanz, einer Handels- und Gewerbekammer und des Generalkommandos des 5. Armeekorps. Als Festung und Hauptbollwerk des berühmten Festungsvierecks (V., Mantua, Legnago, Peschiera) ist V. von großer strategischer Wichtigkeit, indem es den Schlüssel zu Tirol bildet. Die Stadt ist Geburtsort zahlreicher berühmter Männer (Catullus, Macer, der Scala, des Malers Paolo Veronese u. a.). 3 km östlich von V. liegt der Flecken San Michele Extra, Geburtsort Sanmichelis, mit der nach dem Entwurf dieses Meisters erbauten Rundkirche Madonna di Campagna.

V. ist eine der ältesten Städte Italiens. Ob ihre ersten Bewohner Rätier, Euganeer oder Cenomanen waren, ist bestritten. Erst als Kolonie des Kaisers Augustus wurde V. eine große, blühende Stadt. Decius schlug hier 249 den Kaiser Philippus, Konstantin 312 den Pompejanus, Stilicho 403 den Alarich. Attila plünderte und verwüstete 452 die Stadt; Theoderich, der Ostgotenkönig besiegte hier 489 den Odoaker und heißt daher in der deutschen Heldensage Dietrich von Bern (so nannten die Deutschen V.). Unter fränkisch-deutscher Herrschaft war V. Hauptort einer Grafschaft; unter Kaiser Friedrich I., der auf der Rückkehr von seinem ersten Römerzuge (im Herbst 1155) die Sperrung der Klause von Ceraino (Veroneser Klause; vgl. Oster in der »Zeitschrift des deutschen und österreichischen Alpenvereins«, Bd. 5) nur mühsam sprengte, war V. eines der ansehnlichsten Glieder des Lombardischen Städtebundes. Darauf ward es durch die Parteikämpfe der Adelsparteien, der Montecchi (Ghibellinen) und der San Bonifacio (Guelfen), erschüttert. Im 13. Jahrh. bemächtigten sich die Ezzelini, die Beschützer der Montecchi, der Herrschaft über die Stadt. Nach dem Tode Ezzelinos da Romano (1259) wählten die Veronesen 1260 Mastino della Scala zum Oberhaupt (Podesta), dessen Familie 127 Jahre lang die herrschende blieb und unter Cangrande I. ihre höchste Macht und Blüte erreichte. 1387 kam V. unter Mailands, 1405 unter Venedigs und mit diesem nach dem Sturze des französischen Kaiserreichs unter Österreichs Herrschaft; seit 1866 gehört es zum Königreich Italien. Vom Oktober bis Dezember 1822 wurde hier ein Kongreß der Mitglieder der Heiligen Allianz zur Zügelung der europäischen Revolution abgehalten. Vgl. Maffei. Verona illustrata (Verona 1732, 4 Bde.; neue Ausg., Mail. 1825–27, 5 Bde.); Ronzani, Le antichità di V. (Verona 1833); Perini, Storia di V. dal 1790–1822 (5. Aufl., das. 1881, 2 Bde.); Cipolla, Compendio della Storia politica di V. (das. 1899); Biermann, Verona (Bd. 23 der »Berühmten Kunststätten«, Leipz. 1904).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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