Tropengebäude

Tropengebäude

Tropengebäude (hierzu Tafel »Tropengebäude I u. II«), Gebäude in tropischen Ländern, die im Gegensatz zu den Wohnungen der Eingebornen, deren Lebensbedingungen dem heimischen Klima angepaßt sind, den kolonisierenden Europäer oder den in gemäßigten Zonen gebornen Menschen gegen die klimatischen Einflüsse der Tropen zu schützen haben. Im allgemeinen sind bei dem Bau eines Tropengebäudes folgende Regeln zu beachten: freie Lage, damit die Winde direkt Zutritt zu allen Räumen haben. Alle Außenwände sollen gegen direkte Bestrahlung der Sonne durch überhängende Dächer oder herumlaufende Veranden geschützt werden. Mehr als zweigeschossige Häuser sind zu vermeiden. Das untere Geschoß enthält in der Regel die Geschäftsräume, das obere die Wohnräume. Ist das T. eingeschossig, so soll der Fußboden mindestens 3 m über dem Erdboden liegen. Den dazwischenliegenden Raum muß der Wind ungehindert zwischen den Pfeilern durchstreichen können. Rings um das Haus ist das Erdreich stets zu befestigen. Gelockerter Boden gibt in der Regel Malariakeime ab. Um kühle Räume zu erhalten, ist Massivbau jeder andern Bauweise vorzuziehen. Holzbauten erfordern sehr teure Unterhaltung, haben geringe Dauer und sind dem Termitenfraß ausgesetzt. Unfehlbar wirkende Mittel gegen Termiten gibt es bis jetzt nicht. Fußböden sind stets massiv mit Plattenbelag anzuordnen. Ebenso sollte man stets massive Decken wählen, wenn man kühle Zimmer haben will. Bei Wellblechbedachung erscheint eine solche Anordnung unerläßlich. So gern Wellblech für tropische Bedachungen genommen wird, seiner vortrefflichen Eigenschaften wegen, so durchlässig ist es für Hitze. Daher ist bei dieser Bedachung stets ein großer freier Bodenraum, durch den der Wind nach allen Seiten streichen kann, vorzusehen. Eine bessere, kühlere Dachdeckung ist das Grasdach, wie es vielfach in Indien bei dem Bau eingeschossiger Bungalos verwendet wird. In den dortigen Städten benutzt man Ziegel vielfach zur Dachdeckung. Auch gibt das arabische Dach kühle Innenräume, ist aber häufig durchlässig für Regen, auch wenig dauerhaft; es besteht aus dicht nebeneinander gelegten Mangrovehölzern, darauf St einpackung und darüber gestampfter Kalkkonkret. Die Fenster der T. erhalten stets Jalousien oder Läden. Am besten gehen sie bis auf den Boden nieder (Fenstertüren), wenn Veranden angeordnet sind. Sollen Veranden ihren Zweck erfüllen, so dürfen sie nicht unter 3 m breit sein. Hohlräume sind wegen des Festsetzens von Ungeziefer und Hausameisen zu vermeiden. Deshalb läßt man auch Fußleisten, Tür- und Fensterbekleidungen weg. Alle Wirtschaftsräume sind getrennt von den Wohnräumen anzulegen und werden als selbständige Nebenbauten, die mit dem Hauptgebäude durch überdeckte Gänge verbunden sind, behandelt. Dasselbe gilt für Klosett- und Badeanlagen, sofern nicht Wasserleitung und Kanalisation vorhanden sind. Bei Anlage eines Tropengebäudes ist auf die Beschaffenheit der Umgebung des Bauplatzes zu achten. Sumpfige Striche in der Nähe, über die der regelmäßige Wind, der das Haus trifft, hinwegstreicht, bringen Fieber. Deshalb sind solche Plätze zu vermeiden oder es ist für Trockenlegung des Sumpfes durch Abzugsgräben oder Anpflanzung von Palmen oder Eukalyptusbäumen zu sorgen. Wenn sie die Wasserversorgung des Tropengebäudes erlaubt, ist hohe Lage das Zweckmäßigste. Die in den ersten Jahren in den deutschen Schutzgebieten errichteten Gebäude können nicht als mustergültig gelten, da ihre Konstruktionen und Einrichtungen meist durch eigenartige örtliche Verhältnisse bedingt waren. Erst nachdem genügend geschulte Handwerker zur Verfügung standen, konnten die Rohmaterialien der Schutzgebiete zur Verwertung beim Bauen gelangen. So ist Deutsch-Ostafrika fast ganz zum Massivbau aus Korallenstein und Korallenkalk übergegangen, Kamerun und Togo werden unzweifelhaft hierin folgen. In der Anlage zeigen die zur Ausstellung gekommenen Gebäude verschiedene Grundformen. Tafel I, Fig. 1, das Gouverneurhaus in Dar es Salam, ist mit geräumigem offenen Lichthof versehen, um den sich die Wohn- und Geschäftsräume legen. Herumlaufende, 3 m breite Veranden im ersten Stock an den Außenseiten wie um den Lichthof vermitteln den Zugang zu den Zimmern. Ein andres nach Monierart ausgeführtes Gebäude (Fig. 2) hat eine durch die ganze Tiefe des Gebäudes gehende höher geführte Halle, an deren beide Langseiten die Zimmer sich anschließen, während bei andern Gebäuden die Wohnräume an durchgehenden breiten Gängen liegen. Alle Häuser aber haben die vorliegenden Veranden gemein. Fig. 3 u. 4 zeigen größere Gebäudeanlagen in Bombay, während auf Tafel II Bauweisen verschiedener Kolonien dargestellt sind. Auch hier ist überall der Grundsatz zur Geltung gebracht, die Wohnräume durch vorgelagerte Veranden der direkten Bestrahlung durch die Sonne zu entziehen.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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