Todeserklärung

Todeserklärung

Todeserklärung, die durch ein gerichtliches Urteil erfolgte Erklärung, daß eine bestimmte Person von einem bestimmten Zeitpunkt ab als tot gilt, auch wenn sie noch leben sollte. Dem römischen und ältern deutschen Recht unbekannt, wurde das Institut der T. mit der Lehre der italienischen Juristen allmählich in alle neuern Rechte übernommen. In Deutschland ist die T. gesetzlich geregelt durch die § 13–19 des Bürgerlichen Gesetzbuches und § 960–976 der Zivilprozeßordnung. Eine Person, deren Aufenthalt unbekannt und von deren Leben seit zehn Jahren keine Nachricht eingegangen ist, gilt als verschollen und kann im Wege des Aufgebotsverfahrens für tot erklärt werden. Sie darf nicht vor dem Schlusse des Jahres erfolgen, in dem der Verschollene das 31. Lebensjahr vollendet haben würde. Dagegen kann sie bereits nach Ablauf von fünf Jahren erfolgen, wenn es sich um eine Person handelt, die das 70. Lebensjahr bereits zur Zeit der T. vollendet haben würde. Es müssen also Ablauf der fünfjährigen Frist und des 70. Lebensjahres des Verschollenen vorliegen, wenn die T. erfolgen soll. Die fünf- und zehnjährige Frist beginnt mit dem Schluß des letzten Jahres, in dem der Verschollene den vorhandenen Nachrichten zufolge noch gelebt hat. Neben dieser normalen Verschollenheit kennt das Bürgerliche Gesetzbuch noch die sogen. Kriegs-, See- und Unfallverschollenheit. Kriegsverschollenheit liegt vor, wenn ein Angehöriger einer bewaffneten Macht an einem Kriege teilgenommen hat, während des Krieges vermißt worden und seitdem verschollen ist. Sind seit Friedensschluß oder Beendigung des Krieges drei Jahre vergangen, so kann er für tot erklärt werden. Seeverschollenheit liegt vor, wenn sich semand bei einer Seefahrt auf einem während der Fahrt untergegangenen Fahrzeuge befunden hat und seit dem Untergang verschollen ist. Die T. kann dann ein Jahr nach dem erfolgten Untergang erfolgen. Der Untergang des Fahrzeuges wird vermutet, sogen. Schiffsverschollenheit, wenn es an seinem Bestimmungsort nicht eingetroffen oder in Ermangelung eines bestimmten Reiseziels nicht zurückgekehrt ist, und wenn bei Fahrten innerhalb der Ostsee ein Jahr, bei Fahrten innerhalb andrer europäischer Meere zwei Jahre und bei Fahrten über außereuropäische Meere drei Jahre seit dem Reiseantritt verstrichen. sind. Sind Nachrichten über das Schiff eingegangen, so ist der Ablauf des Zeitraumes erforderlich, der verstrichen sein müßte, wenn das Fahrzeug von dem Ort abgegangen wäre, an dem es sich den Nachrichten zufolge zuletzt befunden hat. Mit dem Ablauf dieser Schiffsverschollenheitsfrist beginnt die einjährige Frist der Seeverschollenheit zu laufen. Die Unfallverschollenheit (Gefahrenverschollenheit) liegt vor, wenn jemand in eine Lebensgefahr geraten (über Bord stürzen, Eisenbahn- und Grubenunglück, Brand, Überschwemmung, Explosion, Gebirgstour, Untergang eines Flußschiffes etc.) und seitdem verschollen ist. Hier kann die T. ein Jahr nach dem betreffenden Ereignis erfolgen. Die T. begründet die Vermutung, daß der Verschollene in dem Zeitpunkt gestorben ist, der in dem die T. aussprechenden Urteile festgestellt ist. Der Gegenbeweis, daß der für tot Erklärte noch lebt oder zu einem andern Zeitpunkt gestorben ist, kann aber gleichwohl geführt werden. Die Ehe wird durch die T. an sich nicht aufgelöst, geht jedoch der Ehegatte des für tot Erklärten eine neue Ehe ein, so ist diese nur nichtig, wenn beide Ehegatten wußten, daß er die T. überlebt hat. Überlebt der Verschollene zwar die T. nicht, aber die Schließung der neuen Ehe, so ist diese gültig (§ 1348). Jedoch kann jeder Ehegatte der neuen Ehe, wenn er erfährt, daß der für tot Erklärte noch lebt, binnen 6 Monaten die neue Ehe anfechten. Die Anfechtung ist aber ausgeschlossen, wenn er bei der Eheschließung Kenntnis vom Leben des für tot Erklärten hatte, wenn er trotz der Möglichkeit der Anfechtung die Ehe bestätigt, oder wenn die neue Ehe durch den Tod bereits wieder aufgelöst ist (§ 1350). Verwaltung und Nutznießung des Mannes (§ 1421) sowie die elterliche Gewalt einer für tot Erklärten endigen mit dem Zeitpunkt, der als Zeitpunkt des Todes gilt (§ 1679). Das Amt des Vormundes endigt mit der Erlassung des Todeserklärungsurteils (§ 1885). Die Erbfolge in das Vermögen des für tot Erklärten regelt sich nach dem als Todestag geltenden Zeitpunkt (§ 2370). Überlebt der für tot Erklärte den Zeitpunkt seines angeblichen Todes, so kann er die Herausgabe seines Vermögens mit der Erbschaftsklage beanspruchen (§ 2031). Sind mehrere in einer gemeinsamen Gefahr (Theaterbrand, Schiffsuntergang etc.) umgekommen, sogen. Kommorienten, so wird vermutet, daß sie zu gleicher Zeit gestorben sind. Die T. erfolgt im Weg des Aufgebotsverfahrens (s. d.) vor dem Amtsgericht des letzten inländischen Wohnsitzes. Antragsberechtigt ist der gesetzliche Vertreter des Verschollenen sowie jeder rechtlich Interessierte (Ehegatte, Erbe, Gläubiger, Schuldner etc.). Ausgesprochen wird die T. durch Ausschlußurteil. Dieses ist sogleich mit der Verkündigung rechtskräftig, kann jedoch von jedem Interessenten binnen Monatsfrist angefochten werden wegen Mangels der gesetzlichen Voraussetzungen oder weil die T. zu Unrecht erfolgt ist oder ein falscher Todestag festgesetzt wurde. Vgl. Zivilprozeßordnung, § 960–976. Über T. in den Konsulats- und deutschen Schutzgebieten s. § 19 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit und § 3 des Schutzgebietsgesetzes. Den Erbschaftssteuerämtern ist nach § 40 des Reichserbschaftssteuergesetzes von den Gerichten Mitteilung über alle erfolgten Todeserklärungen zu machen. Nach österreichischem Recht kann um T. nachgesucht werden, wenn seit der Geburt des Vermißten 80 Jahre verstrichen sind und sein Aufenthaltsort seit 10 Jahren unbekannt ist, oder wenn dieser seit 30 Jahren unbekannt geblieben ist, oder wenn der Vermißte in einer nahen Todesgefahr gewesen und seitdem 3 Jahre verstrichen sind. Die Ediktalfrist beträgt stets ein Jahr. Vgl. Katz, Verschollenheit und T. nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (Münch. 1899); Dressel, Die Bestimmungen über Verschollenheit und T. im Code civil. im preußischen allgemeinen Landrecht und im Bürgerlichen Gesetzbuch (Berl. 1902).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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