- Tiefbohrer
Tiefbohrer (Erdbohrer, hierzu Tafel »Tiefbohrer« mit Text), Vorrichtung zur Herstellung von kreisrunden, meist lotrechten Bohrlöchern in der Erdrinde: 1) zu Schürfzwecken (Aufsuchung von Minerallagerstätten und Feststellung ihrer Mächtigkeit, Zusammensetzung etc. behufs späterer bergmännischer Gewinnung); 2) zwecks Aufsuchung und Gewinnung von Flüssigkeiten (Erdöl, Sole, Wasser) oder Gasen (Erd- oder Naturgas); 3) zu Zwecken des Bergbaues selbst (Vorbereitung des Schachtabteufens, Wasserableitung in tiefere Baue, Einspülung von Sand, Asche, Gesteinsschutt u. dgl. zur Ausfüllung von Abbauhohlräumen, Ein- oder Abführung von Luft, Zuführung von Betriebskraft u. a.); 4) zur Bodenuntersuchung für landwirtschaftliche oder bauliche Zwecke (Flachbohrungen). Nebenbei kann die Anwendung der T. auch wissenschaftlichen Zwecken, insbes. Ermittelungen des geologischen Aufbaues der Erdrinde, Messungen der Erdwärme, des Erdmagnetismus etc., nutzbar gemacht werden. Über das Abbohren ganzer Bergwerksschächte (Schachtbohrungen) s. Bergbau, S. 665.
Die durch T. zu erreichende Tiefe geht bei Schürfbohrungen nur selten über die Grenze des wirtschaftlich lohnenden Abbaues (bei Steinkohlen etwa 1200 bis 1300 m) hinaus, die der Bohrungen auf Flüssigkeiten etc. wird durch die Kosten für deren Hebung, bei selbsttätigem Aufsteigen durch die Kosten des Bohrloches im Verhältnis zum Werte des daraus Gewinnbaren bestimmt. Das bisher tiefste Bohrloch der Welt ist zu Paruschowitz bei Rybnik in den Jahren 1892/93: 2003,34 m tief durch Köbrich für den preußischen Bergfiskus niedergebracht worden, hat fast die gesamte oberschlesische Steinkohlenformation mit mehr als 80 Kohlenflözen durchschnitten und auch über die Zunahme der Erdwärme bedeutsame Aufschlüsse gebracht. Ölbohrungen haben Tiefen bis zu 1200 m in Galizien und anderwärts, bis angeblich 1500 m in Amerika erreicht. Der Durchmesser beträgt bei Schürfbohrungen zu Anfang selten mehr als 320 mm; die Endweite darf äußerstenfalls bis auf 30 mm herabgehen. Bei den Bohrungen auf Flüssigkeiten ist diese abhängig von der Gewinnungsfrage. So hat z. B. ein 700 m tiefes artesisches Brunnenbohrloch zur Wasserversorgung von Paris einen Enddurchmesser von mehr als 1 m. Für die Petroleumbohrungen mit nach folgendem Pumpbetrieb (Amerika, Galizien) genügt meist ein solcher von 90–150 mm, wogegen die zum Teil schon bis 600 m tiefen Ölbohrlöcher Bakus und Rumäniens meist mit 200–300 mm Endweite sündig werden müssen, da der starke Sandgehalt der ölführenden Schichten einen Schöpfbetrieb erfordert, der nur bei hinreichend großen Schöpfgefäßen lohnend ist. Diese Bohrungen werden daher mit 700 mm Durchmesser angefangen.
Die T. haben folgende wesentlichen Bestandteile: 1) den eigentlichen Bohrer oder das Bohrwerkzeug, das in die Erde eindringt; 2) die Antriebsvorrichtung, stets über Tage befindlich; 3) das dazwischen geschaltete Verbindungsglied, das nach Bedarf verlängert wird; 4) die Einrichtung zum Aufbringen des abgebohrten Gesteinsmaterials; 5) das Förderwerk nebst Bohrgerüst zum Einhängen und Aufholen des Bohrzeugs. – Die Bohrwerkzeuge arbeiten je nach der dem zu durchbohrenden Gebirge entsprechenden Bauart und dem anzuwendenden Bohrverfahren langsam oder schnell, drehend, bez. stoßend (schlagend), mit oder ohne Spülung (trocken); Näheres s. auf der Tafel. Der Bohrantrieb erfolgt für Teufen bis zu einigen hundert Metern noch häufig von Hand, für größere, oft aber auch für geringere Teufen maschinell (Tafel, Fig. 6, 7 u. 15). Hierbei werden zumeist Lokomobilen von einer Stärke bis zu 30 Pferdestärken benutzt, auch Elektromotoren und bei Erdgasbohrungen Gasmotoren unter Benutzung des gewonnenen Gases. Die Antriebskraft überträgt sich durch eine Umdreh- (Rotations-) Vorrichtung, beim Stoßbohren durch ein über eine Rolle geführtes Seil oder durch einen zweiarmigen balkenförmigen Hebel (Bohrhebel, Schwengel) auf das daran angehängte, ins Bohrloch hinabgehende Verbindungsglied, das zuweilen aus einem Seil, meist aber aus einem Gestänge besteht. Letzteres ist aus einzelnen miteinander verschraubten, gewöhnlich eisernen Stangen, beim Spülbohren aus Rohren zusammengesetzt und mit dem Bohrer fest oder durch ein bewegliches Zwischenglied verbunden. Zum Aufbringen des abgebohrten Gesteinsmaterials dient entweder der Bohrer selbst, oder ein nach dem Herausziehen des Bohrers. eingelassenes Rohr mit Fußventil (Schlammbüchse, Tafel, Fig. 3), oder ein Druckwasserstrahl, der, von einer Pumpe geliefert, während des Bohrens selbst durch das Hohlgestänge ununterbrochen bis auf die Bohrlochsohle hinabgeführt wird, hier die frisch abgebohrten Gesteinsteilchen gleich fortspült (direkte Spülung) und in dem Raum zwischen Bohrlochwand und Gestänge mit sich hochnimmt, um sie über Tage in ein Gerinne mit Fangbehälter auszugießen. Unter Umständen läßt man den Spülstrom den umgekehrten Weg machen (umgekehrte, indirekte Spülung). Bei Bohrungen für bergbauliche Zwecke wird fast stets mit Spülung gebohrt, da hierdurch bedeutend an Zeit gespart, die Feststellung der Lagerstätte gesichert, auch das Diamantbohren erst ermöglicht wird. In Salzlagern wendet man statt des Wassers gesättigte Chlormagnesiumlauge oder Sole an. Auf Erdöl wird zumeist noch trocken gebohrt, doch findet auch hier das Spülbohren bis zu den die ölführende Zone unmittelbar bedeckenden Schichten immer mehr Eingang. Als Förderwerk dient ein im Bohrgerüst oben aufgehängter Rollen- oder Flaschenzug, dessen Zugseil oder -Kette über eine Trommel mit Bremse ab- oder aufgewickelt wird; das Bohrgerüst besteht bei kleinern Bohrungen aus drei oder vier pyramidenförmig zusammengestellten Stämmen oder Eisenstangen, bei tiefern Bohrungen aus einem bis zu 25 und mehr Meter hohen, leicht zerlegbaren, außen mit Brettern verschlagenen hölzernen Turm (Bohrturm), der entsprechend lange Teile des Bohrgestänges (Stangenzüge) auf einmal herauszuziehen, aufzustellen und wieder einzuhängen gestattet.
Über die wichtigsten Bohrarten s. die beifolgende Tafel.
Zur Herstellung tiefer Bohrlöcher bedient man sich meistens einer kombinierten Tiefbohreinrichtung, die den Vorteil gewährt, im Bedarfsfalle schnell von der einen zu einer andern Bohrart überzugehen, sei es vom drehenden Schappe- zum Meißelfreifall-, von diesem zum rotierenden Diamantbohren (z. B. nach Köbrich, Tafel, Fig. 6) oder vom Schnellschlag- zum Diamantbohren (z. B. nach Raky, Tafel, Fig. 15) etc.
Zur Sicherung der Bohrlochwändeln lockern Erdarten und nachfallendem Gestein bedarf es einer Verrohrung, wozu bei mehr als 30 cm Durchmesser vernietete Futterrohre aus Eisenblech, sonst aber miteinander verschraubte gewalzte Rohre benutzt werden. Durch jeden eingebauten Röhrenstrang wird die zum Bohren verfügbare Lochweite entsprechend verringert. Im allgemeinen sucht man einen bereits eingebauten Rohrstrang soweit wie tunlich auch zur Absperrung tiefer angebohrter Nachfallschichten zu verwenden, indem man unter ihm das Bohrloch erweitert (Tafel, Fig. 10 u. 11). Andernfalls oder bei zu großem Reibungswiderstand ist ein zweiter, engerer Rohrstrang, später vielleicht noch ein dritter, ein vierter etc. einzubauen, deren jeder, um ein ungestörtes Tiefbohren zu ermöglichen, bis zu Tage reichen muß (Fig. 15). Nach Beendigung des Bohrens werden sie, einzeln mit Hilfe besonderer Geräte (Röhrenheber, Birne), wieder herausgezogen. Festsitzende Rohrstränge werden über der vermuteten Klemmstelle mit einem von innen sägeartig wirkenden Röhrenschneider durchschnitten, um wenigstens den obern Teil wiederzugewinnen.
Zwecks Beseitigung von Störungen und Bohrunfällen, die bei tiefern Bohrungen, namentlich in ungünstigem Gebirge, kaum zu vermeiden sind, bedient man sich besonderer Hilfsgeräte und Verfahren. Abgebrochene Bohrer- oder Gestängeteile sucht man mittels Glückshakens oder Fangschere, Schraubentute, Gewindespitze etc. zu fassen und herauszuziehen, ausgefallene Diamanten, kleine Eisenteile u. dgl. mittels Wachskrone, bez. Spinnenbüchse auszuholen. Im Bohrloch festgeklemmte Teile abgebrochenen Bohrzeuges werden unter Umständen mit spitzkegel- oder ringförmigen, drehend arbeitenden Fräsern aus härtestem geriffelten Stahl am Gestänge spülend zermalmt oder durchbohrt. Der Neigungswinkel schiefgewordener Bohrlöcher läßt sich am einfachsten durch Ablotung und Rechnung ermitteln. Zu tiefern Bohrlöchern benutzt man besondere Lotapparate (von Körner, Erlinghagen u. a.). Zur Feststellung der Fallrichtung und somit auch des Streichens von Gebirgsschichten bedient man sich eines am Gestänge besonders abzulassenden, oberhalb eines einseitig gekerbten Meißels mit Rutschschere eingeschalteten oder auf das Kernrohr (beim Diamantbohren) fest aufgeschraubten Stratameters (von Köbrich, Gothan, Meine u. a.), der den Zweck hat, erbohrte Gesteinskerne über Tage in dieselbe Lage stellen zu können, die sie im Bohrloch vor ihrer Loßreißung eingenommen haben. Vgl. Fauck, Anleitung zum Gebrauch des Erdbohrers (Leipz. 1877), Neuerungen in der Tiefbohrtechnik (das. 1889) und Fortschritte in der Erdbohrtechnik (2. Aufl., das. 1899); Tecklenburg, Handbuch der Tiefbohrkunde (das. 1886–96, 6 Bde.; Bd. 1 in 2. Aufl. 1900); P. Stein, Der gegenwärtige Stand der Tiefbohrtechnik für Schurfzwecke (Wien 1904) und Verfahren und Einrichtungen zum Tiefbohren (Berl. 1905); Freise, Stratameter und Bohrlochsneigungsmesser (Aachen 1906); »Allgemeine österreichische Chemiker- und Techniker-Zeitung mit Beilage, Organ des Vereins der Bohrtechniker« (Wien); Zeitschrift »Vulkan« (Frankf. a. M.); Ursinus, Kalender für Tiefbohringenieure (das.).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.