- Beneke
Beneke, Friedrich Eduard, Philosoph, war 17. Febr. 1798 in Berlin geboren; sein Todestag ist ungewiß: seit 1. März 1854 vermißt, ward er 3. Juni 1856 als Leiche in dem Schiffskanal bei Charlottenburg gefunden. Er machte den Feldzug von 1815 als freiwilliger Jäger mit und lag seit 1816 in Halle und Berlin philosophischen Studien ob, deren Richtung die beiden Schriften: »Erkenntnislehre nach dem Bewußtsein der reinen Vernunft« (Jena 1820) und »Erfahrungsseelenlehre als Grundlage alles Wissens« (Berl. 1820) bezeichneten. Kurz darauf habilitierte er sich in Berlin als Privatdozent; da er aber 1822 in Berlin eine »Grundlegung zur Physik der Sitten« hatte erscheinen lassen, in der man Epikureismus zu finden glaubte, wurde ihm die Fortsetzung seiner Vorlesungen untersagt. Um Mißdeutungen vorzubeugen, gab er die »Schutzschrift für meine Grundlegung zur Physik der Sitten« (Leipz. 1823) heraus und siedelte 1824 nach Göttingen über, wo er als Privatdozent lehrte. Dort schrieb er: »Psychologische Skizzen« (Göttingen 1825–27); »Das Verhältnis von Seele und Leib« (das. 1826) u. a. 1827 kam er als akademischer Lehrer wieder nach Berlin, und nach Hegels Tod erhielt er im Frühjahr 1832 eine außerordentliche Professur der Philosophie. Von seinen übrigen Schriften seien erwähnt: »Lehrbuch der Psychologie als Naturwissenschaft« (Berl. 1833; 4. Aufl. von Dreßler, 1877), aus dem man am besten die Prinzipien Benekes kennen lernt; »Erziehungs- und Unterrichtslehre« (das. 1835–36, 2 Bde.; 4. Aufl. hrsg. von Dreßler, das. 1876); »System der Metaphysik und Religionsphilosophie« (das. 1840); »Grundlinien der Sittenlehre« (das. 1837–41, 2 Bde.); »System der Logik als Kunstlehre des Denkens« (das. 1842, 2 Bde.); »Lehrbuch der pragmatischen Philosophie« (das. 1853). Zur weitern Ausführung des in letzterer Schrift Behandelten gab er seit 1851 die Zeitschrift »Archiv für die pragmatische Psychologie etc.« (1851–53) heraus. B. entwickelt seine Philosophie in Anlehnung an englische u. schottische Philosophen, aber auch an Kant, Schleiermacher, Schopenhauer, Herbart u. a. Im Gegensatze zu den spekulativen Systemen stützt er sich durchaus auf die Erfahrung, und zwar auf die innere, legt so auf die Psychologie den größten Wert, die für sein ganzes System die Grundlage bildet, aber ganz in der Art der Naturwissenschaften behandelt werden soll. Da wir unsre Seelentätigkeiten unmittelbar erfassen, erklären wir vermittelst einer Analogie von unserm innern Sein aus die Außenwelt und ihre Erscheinungen, und zwar je näher die Dinge uns stehen, desto besser erkennen wir sie. Alle zusammengesetzten seelischen Prozesse sind aus vier elementaren seelischen Vorgängen abzuleiten. Die Seele ist ein durchaus immaterielles Wesen, das aus gewissen »Grundsystemen« besteht. Die Reize werden durch Urvermögen der Seele aufgenommen, deren schon jeder Sinn mehrere hat. Das, was unbewußt in der Seele fortexistiert, heißt in Bezug auf früher Bewußtes »Spur«, in Bezug auf das, was durch Reproduktion daraus entstehen kann, »Angelegtheit«. Die Moral gründet sich bei B. auf die Wertverhältnisse der psychischen Funktionen, die sich unmittelbar in Gefühlen offenbaren. Die Gebiete des Wissens und des Glaubens sind streng voneinander getrennt. Besondern Wert hat Benekes pädagogisches System, das er auf Grund der Psychologie ausgebildet hat, und das neben dem Herbarts namentlich unter praktischen Schulmännern am meisten Beifall gefunden hat und noch findet. Vgl. Raue, Die neue Seelenlehre Benekes (5. Aufl., bearbeitet von Dreßler, Leipz. 1876); Kühn, Die Sittenlehre Benekes (Berl. 1892); I. Friedrich, Friedr. Ed. B., Gedenkblatt (Wiesb. 1898); Gramzow, Friedr. Eo Benekes Leben und Philosophie (Bern 1899).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.