- Tübingen
Tübingen, Oberamtsstadt im württemb. Schwarzwaldkreis, am Neckar, Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Plochingen-Villingen, T.-Sigmaringen und T.-Herrenberg, in schöner Lage auf einem Bergrücken zwischen dem Neckar und der Ammer, 341 m ü. M., hat 3 evang. Kirchen (darunter die 1470–1500 erbaute gotische Stiftskirche mit den Grabmälern von 12 meist württembergischen Fürsten, die hier residierten), eine kath. Kirche, eine Salemskirche, eine Synagoge, das 1535 vollendete Schloß Hohentübingen mit schönem Portal, das 1845 vollendete Universitätsgebäude, das Rathaus (1435) mit schöner Freskomalerei und Denkmäler des Grafen Eberhard (im Bart), der Dichter Uhland und Hölderlin, des Komponisten Fr. Silcher und der Schriftstellerin Ottilie Wildermuth.
Die Bevölkerung zählte 1905 mit der Garnison (ein Infanteriebataillon Nr. 180) 16,809 Seelen, darunter 3014 Katholiken und 118 Juden. T. hat Fabrikation von chemischen Artikeln, Handschuhen, Essig, physikalischen und chirurgischen Instrumenten, Zement-, Fleisch- und Metallwaren etc., 2 bedeutende Dampfziegeleien, Kunstmühle, Färberei, Glasmalerei, Obst-, Hopfen- und Weinbau etc. Außer den Verwaltungsbehörden befindet sich dort ein Landgericht. Die Universität (Eberhard Karls-Universität) wurde 1477 gestiftet und mit derselben 1817 die katholisch-theologische Studienanstalt zu Ellwangen als katholisch-theologische Fakultät vereinigt; außer dieser kamen zu den vier alten Fakultäten 1818 noch eine staatswirtschaftliche und naturwissenschaftliche. Die Gesamtzahl der Dozenten betrug im Sommersemester 1907: 106, die der Studierenden 1727. Mit der Universität in Verbindung stehen: die Universitätsbibliothek mit 460,000 Bänden und 4000 Handschriften, ein physiologisches, ein anatomisches und ein hygienisches Institut, ein Botanischer Garten, mehrere Kliniken, ein bedeutendes Münz- und Medaillenkabinett, eine große geognostische Sammlung, eine Sternwarte (im Schloß) etc. Außerdem besitzt T. ein höheres evangelisch-theologisches Seminar (das sogen. Stift, 1537 gegründet, im ehemaligen Augustinerkloster) und ein katholisches Konvikt (Wilhelmsstift, in der ehemaligen Ritterakademie), ein Museum (mit Bibliothek), ein kunsthistorisches Institut, ein Gymnasium und eine Realschule. Zum Landgerichtsbezirk T. gehören die 9 Amtsgerichte zu Herrenberg, Kalw, Nagold, Neuenbürg, Nürtingen, Reutlingen, Rottenburg, T. und Urach. In der Nähe der aussichtsreiche Österberg mit dem Kaiser-Wilhelmsturm und dem Bismarckstein. – T., zuerst 1078 erwähnt, war frühzeitig der Sitz von Grafen, die 1148 die Pfalzgrafschaft in Schwaben erwarben, und erscheint 1231 als Stadt. Die Pfalzgrafen von T. teilten sich im 13. Jahrh. in die Linien: Horb, Herrenberg, Asperg und Böblingen. Pfalzgraf Gottfried von Böblingen, dessen Hause Burg und Stadt T. 1294 zufielen, verkaufte sie 1342 an Württemberg. Sein Zweig erlosch als der letzte des pfalzgräflichen Geschlechts 1631. Graf Eberhard im Bart (s. Eberhard 4) stiftete 1477 die Universität T. und verlieh der Stadt 1493 ein neues Stadtrecht. Der Tübinger Vertrag (8. Juli 1514) zwischen dem Herzog Ulrich von Württemberg und den Landständen, die des Herzogs Schulden übernahmen, sicherte ihm die Herrschaft. 1519 ward T. von dem Schwäbischen Bund belagert und 25. April erobert. 1647 wurde es von den Franzosen besetzt, ebenso 1688 und seiner Mauern beraubt. Vgl. Eifert, Geschichte der Stadt T. (Tübing. 1849); Klüpfel, Die Universität T. in ihrer Vergangenheit und Gegenwart (das. 1877); Hermelink, Die theologische Fakultät in T. vor der Reformation (das. 1906); Maier, Die Musenstadt T. (das. 1904); »T. und seine Umgebung« (das. 1887–1889, 3 Hefte); »Tübinger Blätter« (das., seit 1898).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.