Struve

Struve

Struve, 1) Friedrich Adolf August, Begründer der Mineralwasserfabrikation, geb. 9. Mai 1781 in Neustadt bei Stolpen, gest. 29. Sept. 1840 in Berlin, studierte seit 1799 in Leipzig und Halle Medizin, ließ sich 1803 in seiner Vaterstadt als Arzt nieder, kaufte 1805 die Salomonisapotheke in Dresden und bemühte sich fortan um die künstliche Nachbildung der Mineralwässer, die er zu großer Vollkommenheit brachte. Er richtete seit 1821 Anstalten für Mineralwässerfabrikation ein und schrieb: »Über Nachbildung der natürlichen Heilquellen« (Dresd. 1824–26, 2 Hefte). – Sein Sohn Gustav Adolf, geb. 11. Jan. 1812 in Dresden, gest. 21. Juli 1889 in Schandau, übernahm die Leitung der väterlichen Geschäfte, gründete viele Zweiganstalten und bereitete auch neue Mineralwässer, indem er Chemikalien in reinem, mit Kohlensäure imprägniertem Wasser löste, und schuf so sehr wertvolle Arzneiformen.

2) Friedrich Georg Wilhelm von, Astronom, geb. 15. April 1793 in Altona, gest. 23. Nov. 1864 in St. Petersburg, studierte 1808–11 in Dorpat erst Philologie, dann Astronomie, ward 1813 Observator und 1817 Direktor der Sternwarte in Dorpat, 1834 Direktor der von ihm neuzuerbauenden Nikolai-Hauptsternwarte in Pulkowo bei St. Petersburg, die 1839 vollendet wurde. Struves Haupttätigkeit betrifft die Stellarastronomie, für die er sowohl als Beobachter wie als Theoretiker von weittragender Bedeutung geworden ist. 1824 begann er die Aufsuchung sämtlicher Doppelsterne des nördlichen Himmels und lieferte 1827 im »Catalogus novus stellarum duplicium« ein Verzeichnis von 3112 neuen Doppelsternen, deren Messungen und Ortsbestimmungen in den Werken »Stellarum duplicium mensurae micrometricae« (Petersb. 1831) und »Stellarum fixarum, imprimis compositarum positiones mediae« (das. 1852) enthalten sind. In den »Études d'astronomie stellaire« (Petersb. 1847) veröffentlichte er die erste Bestimmung der Parallaxe eines Fixsterns (Wega). 1816–19 führte er eine Triangulation Livlands aus und leitete 1822–52 die große russisch-skandinavische, einen Meridianbogen von 25°20' umfassende Gradmessung, über die er in »Arc du méridien entre le Danube et la Mer Glaciale« (Petersb. 1857–60, 2 Bde.) berichtet hat. Die meisten seiner Arbeiten sind in den Memoiren der Akademie in St. Petersburg veröffentlicht. Seine Biographie veröffentlichte sein Sohn Otto S. (Karlsr. 1895).

3) Gustav von, republikan. Agitator und Schriftsteller, geb. 11. Okt. 1805 in München, gest. 21. Aug. 1870 in Wien, war der Sohn des russischen Staatsrats Johann Gustav v. S., der 1817 Geschäftsträger in Karlsruhe wurde. S. studierte die Rechte in Deutschland und ward oldenburgischer Gesandtschaftssekretär in Frankfurt a. M., ging aber bald als Advokat nach Mannheim. Seine Muße widmete er phrenologischen Studien, als deren Früchte eine »Geschichte der Phrenologie« (Heidelb. 1843) und ein »Handbuch der Phrenologie« (Leipz. 1845) erschienen. Er redigierte das oppositionelle »Mannheimer Journal« und gründete 1846 den »Deutschen Zuschauer«. Im April 1848 versuchte er im badischen Seekreis mit Hecker (s. d. 3) den bewaffneten Putsch zur Einführung der Republik und floh nach dessen Mißlingen in die Schweiz. Ein bewaffneter Einfall, den er 21. Sept. mit andern politischen Flüchtlingen auf badisches Gebiet machte, mißglückte, und er selbst ward verhaftet und vom Schwurgericht zu Freiburg 30. März 1849 wegen Beteiligung am Aprilaufstand freigesprochen, aber wegen versuchten Hochverrats zu 51/3 Jahren Einzelhaft verurteilt. Infolge der badischen Volkserhebung schon 24. Mai wieder frei geworden, beteiligte er sich daran in Mieroslawskis Hauptquartier und entfloh nach dem Scheitern dieses neuen Aufstandes in die Schweiz, von da im April 1851 nach New York, wo er seine »Allgemeine Weltgeschichte« im radikalen Sinn (New York 1853–60, 9 Bde.; 7. Abdruck, Koburg 1866) schrieb. Im nordamerikanischen Bürgerkrieg beteiligte er sich als Offizier an den Feldzügen von 1861 und 1862, kehrte 1863 nach Europa zurück und lebte in Koburg, seit 1869 in Wien. Von seinen übrigen Schriften sind zu erwähnen: »Politische Briefe« (Mannh. 1846); »Grundzüge der Staatswissenschaft« (Frankf. 1847 bis 1848, 4 Bde.); »Das öffentliche Recht des Deutschen Bundes« (Mannh. 1846, 2 Bde.); »Geschichte der drei Volkserhebungen in Baden« (Bern 1849); »Das Revolutionszeitalter« (New York 1860, 7. Aufl. 1864); »Diesseits und jenseits des Ozeans« (Koburg 1864, 4 Hefte); »Geschichte der Neuzeit« (7. Aufl., das. 1864); »Die Pflanzenkost, die Grundlage einer neuen Weltanschauung« (Stuttg. 1869); »Das Seelenleben oder die Naturgeschichte des Menschen« (Berl. 1869).

4) Otto Wilhelm von, Astronom, Sohn von S. 2), geb. 7. Mai 1819 in Dorpat, gest. 14. April 1905 in Karlsruhe, wurde 1839 Adjunkt, später zweiter Astronom und Vizedirektor in Pulkowo, 1862 Nachfolger seines Vaters. 1847–62 leitete er die astronomisch-geodätischen Arbeiten des russischen Generalstabs. 1889 trat er in den Ruhestand und lebte dann in Karlsruhe. Ebenso wie sein Vater war er hauptsächlich auf dem Gebiete der Stellarastronomie tätig, er lieferte eine neue Bestimmung der Präzessionskonstanten (1841), eine Durchmusterung des nördlichen Himmels, die 500 neue Doppelsternsysteme ergab, ermittelte die Parallaxe verschiedener Fixsterne, machte Beobachtungen über die Veränderlichkeit im Nebel des Orion und kleiner, in demselben verteilter Sterne, veranstaltete zahlreiche Beobachtungen über Kometen, Doppelsterne und Nebel, veröffentlichte Arbeiten über den Saturn und dessen Ringe, Bestimmung der Masse des Neptun. Ferner beteiligte er sich an der Gradmessung, die sich über 69 Längengrade zwischen Valentia in Irland und Orsk an der asiatischen Grenze erstreckt. Er veröffentlichte: »Übersicht der Tätigkeit der Nikolai-Hauptsternwarte während der ersten 25 Jahre ihres Bestehens« (Petersb. 1865); »Zum 50jährigen Bestehen der Nikolai-Hauptsternwarte« (das. 1887) und gab 14 Bände der »Observations de Poulkova« (das. 1869–93) heraus. Zahlreiche Schriften erschienen in den Memoiren der Petersburger Akademie.

5) Hermann, Astronom, Sohn des vorigen, geb. 3. Okt. 1854 in Pulkowo bei St. Petersburg, studierte 1872–77 in Dorpat, wurde 1877 Assistent, 1883 Adjunktastronom an der russischen Hauptsternwarte in Pulkowo, 1895 Direktor der Sternwarte und Professor der Astronomie in Königsberg, 1904 in Berlin. 1874 beobachtete er den Venusdurchgang in Possiet in Ostsibirien. Er veröffentlichte: »Fresnels Interferenzerscheinungen« (Dorpat 1881), »Über den Einfluß der Diffraktion an Fernröhren auf Lichtscheiben« (in den »Mémoires« der Petersburger Akademie, 1882), »Zur Theorie der Talbotschen Linien« (ebenda 1883), »Über die allgemeine Beugungsfigur in Fernröhren« (ebenda 1886), »Beobachtungen der Saturnstrabanten« (Petersb. 1888–98, 2 Tle.).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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