- Stadĭon [2]
Stadĭon, uraltes Adelsgeschlecht, dessen Stammschloß S. ob Küblis in Graubünden jetzt Ruine ist, und das sich später in Schwaben an der Donau niederließ. Von Walter von S. (Stategun) an, der als habsburgischer Landvogt von Glarus 1388 bei Näfels fiel, läßt sich die Geschichte des Geschlechts genau verfolgen. Die bemerkenswertesten Sprößlinge desselben sind: Christoph von S., Bischof von Augsburg, geb. 1478, gest. 1543, ein Freund Kaiser Maximilians I., Karls V. und Ferdinands I., aber auch Melanchthons, mit dem er in Verkehr wegen der Reformation der Kirche und Wiedervereinigung der beiden christlichen Kirchen stand; starb 1543. Der Sohn von dessen Bruder Johann war Johann Kaspar von S., Hochmeister des Deutschen Ordens, österreichischer Kriegspräsident und Feldzeugmeister, geb. 1567, zeichnete sich besonders 1634 in der Schlacht bei Nördlingen aus und starb 1641. Dessen Enkel Johann Philipp von S., Staatsminister von Kurmainz, geb. 1652, war die Seele aller Reichsgeschäfte, 1711 Botschafter bei der Wahl Karls VI. und Gesandter des rheinischen Kreises beim Utrechter und Badener Friedenskongreß. 1705 in den Reichsgrafenstand erhoben, starb er 1741. Seine beiden Söhne Friedrich und Philipp gründeten zwei Linien.
Der erstern. Friedericianischen (oder Warthäuser), gehörte an Johann Philipp Karl Joseph, Graf von S., österreich. Staatsmann, geb. 18. Juni 1763, gest. 15. Mai 1824 in Baden bei Wien. Auf deutschen Hochschulen ausgebildet, war er 1787–90 Gesandter in Stockholm. 1790–93 in London, zog sich unter dem Minister Thugut von der diplomatischen Tätigkeit zurück, die er erst 1800 mit der Übernahme des Gesandtenpostens in Berlin wieder aufnahm. Noch bedeutsamer war seine Wirksamkeit als Botschafter in Petersburg seit 1803, indem er sich lebhaft für die Bildung der dritten Koalition einsetzte, die allerdings mit der Schlacht bei Austerlitz (2. Dez. 1805) zerfiel. Nach dem Preßburger Frieden (26. Dez.) mit dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten betraut, hatte S. die Absicht, Österreich im Innern zu reorganisieren, seine äußere Macht wiederherzustellen und es an die Spitze des wieder befreiten Deutschland zu bringen. Er löste die drückendsten Geistesfesseln, förderte den Gemeinsinn und betrieb vor allem die Reform des Heerwesens und die Bildung einer Landwehr. Das Aufleben eines deutschen Patriotismus in Österreich beim Beginn des auf seinen Antrieb unternommenen Krieges von 1809 war Stadions Werk. Der unglückliche Ausgang des Feldzugs nötigte ihn, dem Grafen Metternich im Ministerium Platz zu machen (im September 1809). Erst 1813 trat er wieder auf den politischen Schauplatz, indem er die Sendung zu Alexander I. und Friedrich Wilhelm III. übernahm. Nach dem ersten Pariser Frieden 1814 stellte S. die Finanzen neu her. Die Ausgaben des Staates wurden beschränkt und genau bestimmt, die Nationalbank errichtet und die Steuerverfassung nach vernünftigen Grundsätzen geregelt.
Sein älterer Bruder, Friedrich Lothar, Graf von S., geb. 6. April 1761, gest. 9. Dez. 1811 zu Chodenschloß in Böhmen, widmete sich dem geistlichen Stande, trat aber nach der Säkularisation in österreichische Dienste und vertrat Kurböhmen auf dem Regensburger Reichstag. In den Friedensjahren 1805–09 hatte er die Mission, Bayern auf die österreichische Seite herüberzuziehen. Im Kriege von 1809 war er Generalintendant des Erzherzogs Karl. Nach demselben zog er sich auf die Familiengüter in Böhmen zurück. Vgl. seine »Berichte über die Beziehungen zwischen Österreich und Bayern 1807–1809«, herausgegeben von Wertheimer (Wien 1891), und J. v. Müller, Briefe zweier Domherren (Frankf. 1787). Franz Seraph, Graf von S., zweiter Sohn des Grafen Philipp, geb. 27. Juli 1806, gest. 8. Juni 1853, trat früh in den Staatsdienst und zeichnete sich als Verwaltungsbeamter aus. In Triest und Galizien, wo er 1846 an die Spitze der Verwaltung trat, sicherte er sich ein dankbares Andenken. Nach Niederwerfung der Wiener Revolution trat er mit Schwarzenberg und Bach ins Ministerium vom 21. Nov. 1848 und vertrat hier die freisinnigere Richtung. Schon im Mai 1849 aber mußte er wegen eines Körperleidens zurücktreten; er starb in Geisteszerrüttung. Vgl. Hirsch, Franz Graf S. (Wien 1861). Sein Neffe Georg, Graf von S., gest. 19. Mai 1906, war das letzte männliche Haupt der Friedericianischen Linie, die gegenwärtig nur durch Gräfin Paula S. verkörpert ist, vermählt mit dem ungarischen Hauptmann Franz Koczyński. Die Philippinische Linie wird repräsentiert durch Philipp, Grafen von S., geb. 4. Okt. 1847, erblichen Reichsrat der Krone Bayern.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.