- Sprache
Sprache (Sprechen), vom physiologischen Standpunkt eine Kombination von Tönen und Geräuschen, den Sprachlauten, die durch entsprechende Verwendung der Ausatmungsluft hervorgebracht werden. Die Vokale oder Selbstlauter sind Klänge, die an den Stimmbändern entstehen und sich mit den auf einem musikalischen Instrument hervorgebrachten Tönen vergleichen lassen; ihre besondere Klangfarbe erhalten sie nach der, neuerdings freilich bestrittenen Ansicht von Helmholtz, wie die Töne der Musikinstrumente durch die resonatorische Verstärkung bestimmter, im Kehlkopfklang enthaltener Obertöne, deren Notenhöhe durch die wechselnde Gestaltung des Ansatzrohres und Resonanzraums, d. h. der Mundhöhle, der Rachenhöhle etc., bedingt ist. Nach Hermann wird der Vokalcharakter dadurch bedingt, daß sich dem im Kehlkopf erzeugten Stimmton ein bestimmter, durch die Gestalt des Ansatzrohres gegebener Mundton (Formant) beimengt. Zwischen den drei Grundvokalen a, i, u gibt es eine unendliche Menge von Nuancen, die durch kleine Verschiedenheiten der Mundstellung bedingt werden. Bei der Aussprache des u senkt sich der Kehlkopf, und die Lippen treten nach vorn, indem sie nur eine kleine rundliche Öffnung zwischen sich lassen. Die Mundrachenhöhle hat dabei Phiolenform (Fig. 1, S. 780). Vom dumpfen u gelangt man zum heller klingenden a durch die Übergangsstufe des o, bei dessen Bildung sich die Lippenöffnung mäßig erweitert. Bei der Hervorbringung des a liegt der Kehlkopf höher, die Zunge liegt platt auf dem Boden der Mundhöhle, so daß das Ansatzrohr einem vorn offenen Trichter gleicht (Fig. 2). Den Übergang vom a zu i, dem hellsten Vokal, bildet das e, bei dem der hintere Teil der Zunge und zugleich der Gaumen sich etwas emporheben. Beim i wird der Kehlkopf sowohl als der hintere Teil der Zunge stark emporgehoben, so daß die Mundhöhle eine Flasche mit sehr engem Hals darstellt (Fig. 3). Das Ansatzrohr ist bei diesem Laut am engsten, beim u dagegen am geräumigsten. Bei den Zwischenvokalen ä, ö, ü nimmt das Ansatzrohr eine zwischen a und e, u und i liegende Mittelstellung an. Die Diphthonge (ai, oi, an) entstehen durch raschen Übergang der Organe aus einer Mundstellung in die entsprechende andre, die zur Hervorbringung des zweiten Teiles des Diphthongs erforderlich ist. Die Konsonanten oder Mitlauter sind ihrer akustischen Beschaffenheit nach tonlos oder tönend, d. h. sie werden wie die Vokale mit periodischen Schwingungen der Stimmbänder oder ohne solche Schwingungen hervorgebracht. Tonlose Laute sind z. B. k, t, p, h, f, s (hart), tönende Laute z. B. r, l, n, m, d, b, g, w, s (weich). Bei allen Mitlautern ist ein irgendwo im Ansatzrohr erzeugtes Geräusch das Wesentliche, ob nun die Stimme dabei mittönt oder nicht. Der Artikulationsstelle nach teilt man die Konsonanten ein in Dentale oder Zahnlaute, bei deren Hervorbringung der vordere Teil der Zunge und die Zähne in Betracht kommen, Labiale oder Lippenlaute, die an den Lippen, und Gutturale oder Gaumenlaute, die am Gaumen gebildet werden. Im Deutschen können als Dentale das t, d, s, sch, auch n und l angesehen werden; labiale Konsonanten sind p, b, f, m, w; guttural sind k, g, ch, j. Bis zu einem gewissen Grade kommt die Verschiedenheit der Artikulationsstellen auch für die Vokale in Betracht, indem z. B. bei u ungefähr die labiale, bei i ungefähr die dentale Artikulation stattfindet. Drittens lassen sich die Konsonanten nach ihrer Arti kul an ons art einteilen, wobei am meisten der Mundraum, außerdem der Nasenraum und der Kehlkopf in Betracht kommen. Wird die Stimmritze so weit verengert, daß die ausgeatmete Luft an den Rändern der Stimmritze ein reibendes Geräusch erzeugt, so entsteht der Hauchlaut h; die geflüsterten Laute werden auf ähnliche Weise gebildet. Der Nasenraum erscheint an der Bildung der Nasalen oder Nasenlaute n, m und ng (z. B. in »Ding«) beteiligt, indem er durch Senkung des Gaumensegels geöffnet wird, so daß die Luft aus der Nase strömen und die Nasenhöhle an der Bildung des Resonanzraums sich beteiligen kann (ein Vorgang, durch den auch das sogen. Näseln bedingt wird). Die Artikulationsart des Mundraums kann wechseln, und so entstehen: 1) Zitterlaute, die durch oszillatorische Bewegungen der Zungenspitze oder auch des Gaumensegels gebildet werden (r-Laute); 2) Reibelaute, durch Verengerung des Mundkanals gebildet, indem die Ausatmungsluft an den Rändern der Enge ein reibendes Geräusch erzeugt, wie z. B. beim deutschen s, sch, f, j, ch, w; 3) Explosiv- oder Verschlußlaute, bei deren Erzeugung der Mundkanal an irgend einer Stelle geschlossen und plötzlich wieder geöffnet wird, z. B. an den Lippen bei b, p, hinter oder an den Zähnen bei d, t, am Gaumen bei g, k. Andre Sprachen kennen auch noch andre Artikulationsarten, wie überhaupt die Mannigfaltigkeit der menschlichen Sprachlaute eine fast unbegrenzte und durch die Schrift nicht entfernt ausdrückbare ist. Die Entstehung des l, m, n erinnert sehr an die Bildung der Vokale, indem hier der im Kehlkopf erzeugte Ton wesentlich nur durch die eigentümliche Gestalt des Ansatzrohres seinen spezifischen Charakter erhält, akzessorische Geräusche sich ihm aber nicht beimengen. Man hat diese Laute deshalb als Halbvokale bezeichnet. Die Luft entweicht bei diesen durch die Nasenhöhle (daher Rhinophone). Der Mundkanal ist dabei vorn völlig (m) oder nahezu völlig (t, n) verschlossen. Da bei diesen Halbvokalen die Lage des Ansatzrohres wie bei den echten Vokalen in Resonanzschwingungen gerät, nennt man sie auch Ref on an ten. Eine künstliche Nachbildung der menschlichen Sprachlaute liefert der Phonograph Edisons, durch den die schon im 18. Jahrh. von Kempelen konstruierte Sprechmaschine weit überboten wurde. Ebenso ist auch die Vollkommenheit der durch das Telephon zu erzielenden Reproduktion der Sprache allgemein bekannt. Helmholtz gelang es, durch passende Kombination verschieden abgetönter Stimmgabeln die einzelnen Vokalklänge nachzuahmen.
Vermittelst selbstregistrierender Apparate, des Phonautographen von Scott u. König, des Sprachzeichners von Hensen, und besonders mittels des phonophotographischen Verfahrens von Hermann lassen sich graphische Darstellungen der Sprachlaute gewinnen, die für die Lautanalyse von Wichtigkeit sind. S. auch Lautlehre und Stimme. Vgl. Merkel, Physiologie der menschlichen S. (Laletik) (Leipz. 1866); Sievers Grundzüge der Phonetik (5. Aufl., das. 1901); Brücke, Grundzüge der Physiologie und Systematik der Sprachlaute (2. Aufl., Wien 1876); Grützner, Physiologie der Stimme und S. (in Hermanns »Handbuch der Physiologie«, 1. Bd., 1. Teil, Leipz. 1879).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.