- San Francisco
San Francisco (abgekürzt Frisco), die größte und wichtigste Handels- und Seehafenstadt des nordamerikanischen Staates Kalifornien und der Westküste Amerikas, liegt unter 37°49´ nördl. Br., auf einer 48 km langen und 10 km breiten, hügeligen Halbinsel zwischen der San Francisco-Bai und dem Stillen Ozean sowie an dem 1,5 km breiten Goldenen Tor (Golden Gate), das die Bai mit dem Ozean verbindet und die einzige seeseitige Aus- und Eingangspforte des reichen kalifornischen Haupttales bildet. Die bergumschlossene weite und tiefe Bai bietet als einer der besten Naturhäfen der Erde Tausenden von Schiffen jeder Größe guten Ankergrund und Schutz, während mehrere hohe Felseninseln, die herausragen, wie Alcatraz, Angel, Yerba Buena, Festungsanlagen und Regierungsbauten tragen. Das Stadtgebiet (120 qkm) erstreckt sich teils auf die flache, teilweise künstlich aufgetragene und durch einen 2545 m langen Steindamm geschützte unmittelbare Umrandung der Bai, teils auf die bis 110 m aufsteigenden Hügel dahinter. Öfters durch Erdbeben stark erschüttert (1865, 1868 etc.), wurde die Stadt 18. April 1906 durch eine furchtbare Erdbeben- und Brandkatastrophe beinahe vollständig zerstört. Besonders gilt dies von dem von Marketstreet, der Hauptverkehrsader, durchzogenen Geschäfts-, Banken- und Gasthausviertel im NO. der Stadt sowie von dem daran angeschlossenen Viertel der Verwaltungsgebäude, von dem vornehmen Wohnviertel auf »Nob Hill« und von dem Chinesenviertel mit seinen engen Gassen, Theatern, buddhistischen Tempeln, Opiumkellern und Spielhöllen. Nur die Außenstadtteile im W. und Süden blieben erhalten. Im W. liegt der prächtige Park der Stadt, der 421 Hektar große Golden Gate Park, der über 200,000 von der Katastrophe Betroffenen die erste Zuflucht gewährte; nördlich davon, an und auf dem Lone Mountain, die schönsten Kirchhöfe (Laurel Hill Cemetery, Calvary Cemetery etc.) mit zahlreichen Denkmälern und herrlicher Aussicht. Den Verkehr in der Stadt und mit den Vororten vermittelten 1902: 440 km Kabel- und elektrische Bahnen sowie Dampffähren, darunter riesige Eisenbahnfähren (nach Oakland, Alameda, Sausolito etc.). Von zerstörten Gebäuden verdienen genannt zu werden: das großartige Rathaus im Yerba Buena Park mit hohen Türmen, die Münze, in der 1854–93 Münzen im Betrage von 957,369,284 Doll. (davon 824,936,357 in Gold) geprägt wurden, das Zollhaus, die Börse, das Postgebäude, das Gebäude der Zeitung »Chronicle« mit Turm, die Kathedrale des St. Patrick mit 73 m hohem Turm, die große St. Ignatiuskirche mit dem Jesuitenkolleg für 4000 Personen, die Synagoge Emanuel, die Bank of California u.a. Die Einwohnerzahl, die 1848 erst 1000 be. trug, erreichte 1852 (nach Auffindung der Goldfelder) bereits gegen 35,000,1890: 298,997 und 1900: 342,782, darunter 35,194 in Deutschland, 10,762 in China und 1852 in Japan Geborne. Von den Chinesen sind fast alle Männer. Unter den Bildungsanstalten sind das Cooper Medical College, die medizinische Abteilung der Universität von Kalifornien, die Cogswell Technical School und je eine höhere Schule für Knaben und Mädchen hervorzuheben.
Es bestehen eine Society of Californian Pioneers mit interessanten Sammlungen, California Academy of Science, California Historical Society und Geographical Society of the Pacific. Für Unterhaltung sorgten 11 große Theater, darunter 4 chinesische, und 69 Klubs, darunter mehrere deutsche. An wohltätigen Anstalten sind hervorzuheben das Marinehospital, das städtische Hospital, ein Magdalenenasyl, eine Besserungsanstalt, mehrere Waisenhäuser. Die Industrie zählte 1900: 4002 Betriebe mit 41,978 Arbeitern und 133,069,416 Doll. Produktionswert, darunter drei große Zuckerraffinerien (11,177,181 Doll.), 102 Maschinenfabriken und Gießereien (8,366,967 Doll.), 11 Versandschlächtereien (5,221,839 Doll.), Kupfer- und Zinnschmiedereien, Fruchtkonservenfabriken, Getreidemühlen, Gerbereien, Schuhfabriken, Sägemühlen und Brauereien. Von weit größerer Bedeutung war indes der Handel, besonders mit Hawaï und Ostasien; 1903 betrug die Einfuhr 36,454,283 Doll., vornehmlich Zucker, Kaffee, Tee, Reis, Bier, Tabak und Zigarren, Säcke, Steinkohle, Draht, Ackerbaumaschinen, Kleider, Leder, Kurzwaren, Soda etc., die Ausfuhr (nach England, Deutschland etc.) 33,502,616 Doll., vornehmlich Weizen, Mehl, Gerste, Wolle, Wein, Branntwein, Quecksilber, Lachs, Zucker, Edelmetalle. S. ist Sitz eines deutschen Generalkonsuls. S. besitzt eine Handelsflotte von 163 Seeschiffen von 101,031 Ton. und 740 kleinern Fahrzeugen von 145,639 T. Der überseeische Schiffsverkehr betrug 1904: 2,1 Mill. T., der Küstenverkehr 4,5 Mill. T. Deutsche Schiffe liefen 1904: 53 mit 121,092 T. ein und aus. S. ist Endpunkt der Central Pacific- und der Southern Pacificbahn, die ihre Reisenden in Dampffähren von Oakland übersetzen. Außer den schon genannten Befestigungen und Besatzungen sind im Presidio, der 600 Hektar großen Militärreservation der Union, die sich 6 km weit an der Goldenen Pforte entlang erstreckt, zwei Regimenter Unionstruppen in Garnison, eine kleinere Militärreservation liegt im nördlichen Teile der Stadt bei Black Point oder Point San Jose mit Fort Mason. Südlich von Lobos Point am Stillen Ozean liegen die Seal Rocks, bedeckt mit Hunderten mächtiger Seelöwen, die nie gestört werden, und das Cliff House mit großen öffentlichen Bädern. Der Schaden, den das Erdbeben 18. April 1906 anrichtete, wird auf mehr als 350 Mill. Doll. geschätzt; die Zahl der zerstörten Häuser betrug 25,000. – S. ist eine Stadt jüngsten Ursprungs. Die erste europäische Niederlassung in der Gegend wurde 1776 von Franziskanermönchen angelegt, deren »Mission« Dolores, im Süden der Stadt, noch jetzt besteht. Fast gleichzeitig wurde an der Stelle der jetzigen Stadt ein Militärposten (presidio) gegründet und einige Häuser errichtet, die als Yerba Buena (»gutes Kraut«) bekannt wurden. Seit 1833 verfiel die Mission; die Niederlassung zog aber einige amerikanische Abenteurer an, so daß sie 1848, als zuerst Gold in Kalifornien entdeckt wurde, bereits 1000 Einw. zählte. Die Bevölkerung wuchs nun rasch an, 1852 zählte man schon 34,776 Einw. (darunter nur 5245 weibliche). S. wurde ein Sitz des Verbrechens, und diesem zu steuern, bildeten sich 1851 und abermals 1856 unter den Bürgern sogen. Vigilance Committees, deren summarisches Gerichtsverfahren in kurzer Zeit die Ordnung herstellte, so daß S. jetzt eine der am besten verwalteten Städte in den Vereinigten Staaten ist. Feuersbrünste (1849–51) und 1906 ein Erdbeben (s. oben) zerstörten große Teile der ursprünglich fast nur aus hölzernen Gebäuden bestehenden Stadt. Vgl. Hittell, History of S. (San Francisco 1878); Aitken und Hilton, History of the earthquake and fire in S. (das. 1906); Keeler, S. and thereabout (das. 1906); »S. official guide« (das. 1907).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.