- Rückversicherung
Rückversicherung (Reassekuranz), eine Versicherung, durch die der Versicherer selbst wieder ganz oder teilweise gegen die von ihm übernommene Gefahr bei einem andern Versicherer Versicherung nimmt. Der erste Versicherer bleibt dabei seinem Versicherten ausschließlich für etwaigen Ersatz eines Schadens haftbar, kann aber, wenn und soweit die versicherte Sache in R. gegeben war, den Ersatz der zahlbar gewordenen Versicherungssummen vom Rückversicherer verlangen. Rückversicherungen sind schon seit dem 14. Jahrh. nachzuweisen (vgl. Ehrenberg, Versicherungsrecht, S. 28), doch erst in neuerer Zeit allgemeiner geworden. Sie sind auf alle Zweige des Versicherungswesens anwendbar, werden aber meistens nur auf Feuer- und Transportversicherung sowie in beschränkterm Maß auf Unfall- und Lebensversicherungen genommen. Sie tragen dadurch, daß sie die Last des Risikos auf mehrere Versicherer verteilen, zur größern Stetigkeit und Sicherheit des Geschäfts, dadurch, daß sie dem Versicherer gestatten, große Versicherungen zu übernehmen, und dem Versicherten die Weilerungen der Versicherung bei mehreren Aus stalten ersparen, zur Erleichterung der Versicherung und zur Bequemlichkeit des Publikums bei. Die R. wird entweder durch Verbände von Versicherungsanstalten, die sich zu wechselseitiger R. geeinigt haben (Beteiligungsversicherung), wie z. B. eine Anzahl von Feuerversicherungssozietäten, eine Anzahl deutscher Lebensversicherungsanstalten etc. (über Rückversicherungsverbände der Invaliditätsversicherung s. Invaliditätsversicherungsgesetz vom 13. Juli 1899, § 99), oder durch besondere Gesellschaften betrieben, die überall da Boden finden, wo das Versicherungswesen überhaupt gedeiht. Eine von den deutschen Privatversicherungsgesellschaften veranstaltete Beratung zwecks Verteilung der sogen. Klumpenversicherungen im Wege gegenseitiger Rückdeckung blieb erfolglos. Die zwischen den Versicherungsgesellschaften bezüglich der R. abgeschlossenen Verträge heißen obligatorisch, wenn sie den Rückversicherer zur Annahme aller vom Rückversicherungsnehmer angebotenen Risiken verpflichten, fakultativ, wenn sie ihm freie Wahl lassen. Exzedentenverträge sind eine Form der obligatorischen Verträge, durch die der Versicherer verpflichtet wird, von sämtlichen Risiken oder doch von sämtlichen Risiken einer bestimmten Gattung von Rückversicherungen alle seine Rückversicherer gleichmäßig oder in einem bestimmten Verhältnis zu beteiligen. Der Gesamtbetrag des von der rückversicherten Gesellschaft auf dasselbe Casco (Schiffskörper) oder auf die Fracht oder Ladung desselben Schiffes übernommenen Risikos heißt Alimente, die Beteiligung von direkt arbeitenden Kompanien an Töchterinstituten, die R. betreiben, heißt Alimentieren. Über R. enthält auch das Reichsgesetz vom 12. Mai 1901 über die privaten Versicherungsunternehmungen einige Bestimmungen, so über die Notwendigkeit der Beschreibung des Versicherungszweckes im Gesellschaftsvertrag einer Aktiengesellschaft, über Prämienreserve u. Die wichtigste derselben ist, daß Unternehmungen, welche die Versicherung gegen Kursverlust oder ausschließlich die R. zum Gegenstand haben, mit Ausnahme von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit keiner Zulassung bedürfen, auch im allgemeinen keiner behördlichen Beaufsichtigung ihres Geschäftsbetriebes unterliegen (§ 116). In Deutschland waren 1903 am Rückversicherungsgeschäft 35 Gesellschaften beteiligt, deren Bruttoprämieneinnahmen 235,838,262 Mill. Mk. und deren Schadenzahlungen für eigne Rechnung 88,187 Mill. Mk. (66,9 Proz. der Nettoprämien) betrugen. Die größten derselben sind die Münchener, Frankfurter, Kölnische, Aachener, Gladbacher, Rheinisch-Westfälische, Süddeutsche, Magdeburger, Badische, Hamburger, Minerva, Kontinentale, Oberrheinische etc. Vgl. Ehrenberg, Die R. (Hamb. 1885) und Versicherungsrecht (Leipz. 1893, Bd. 1); »Assekuranzjahrbuch« (Wien).
Der Ausdruck R. wird auch bildlich in der Politik für solche Fälle gebraucht, wo nach zwei Seiten hin durch Vertrag die unangenehmen Folgen gewisser Vorfälle von vornherein beseitigt werden. Besonders wurde mit »Rückversicherungsvertrag« das 1887 bis 1890 bestehende Abkommen Deutschlands mit Rußland bezeichnet, wonach jede der beiden Mächte eine wohlwollende Neutralität beobachten solle, wenn die andre, ohne provoziert zu haben, angegriffen würde (s. Bismarck, S. 911). Die Tatsache, daß Caprivi diesen Vertrag nicht erneuerte, hat nach Bismarcks Ansicht die Annäherung zwischen Rußland und Frankreich hervorgerufen.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.