- Prozessionsspinner
Prozessionsspinner (Eichenprozessionsspinner, Cnethocampa processionea L., s. Tafel »Forstinsekten I«, Fig. 4), Schmetterling aus der Familie der Spinner (Bombycidae), 3,7 cm breit, bräunlichgrau, mit zwei verwischten, dunklern Querbinden auf den Vorderflügeln, lichtern Hinterflügeln mit sehr schwacher, dunklerer Querbinde, zottig graubraun behaartem Mittelrücken und bräunlichem Hinterleib mit braunem, knopfartigem Endbüschel kurzer, dichter Haare.
Das kleinere Männchen ist schärfer gezeichnet. Der Schmetterling findet sich in Mitteleuropa, Ungarn, Nordfrankreich, aber nur lokal; er erscheint im August und September, und alsbald nach der Paarung stirbt das Männchen. Das Weibchen legt 150–250 Eier in Häuschen und lose mit einigen Afterhaaren bedeckt an die Rinde der Eichenstämme. Die im Mai des kommenden Jahres ausschlüpfende Raupe ist vorn bläulich-, hinten grünlichgrau mit schwärzlichem Streifen auf dem Rücken und rötlichbraunen Knospenwarzen mit langen Büscheln weißer Haare. Diese erzeugen starke Entzündung auf der Haut des Menschen und auf den Schleimhäuten der Tiere. Sie (s. Abbildung, S. 409) sind nämlich mit Widerhaken versehen und stehen mit Giftdrüsen in Verbindung, aus denen sie sich bei der Berührung mit einer ätzenden Flüssigkeit füllen, die beim Abbrechen der Haare sich entleert. In den abgebrochenen Haaren trocknet dies Sekret ein und erhält sich lange Zeit, wird aber wieder flüssig und wirksam, sobald die Haare auf feuchte Haut gelangen. Die Raupen leben gesellig vom ersten Frühjahr bis Juni an Eichen, ruhen des Tages am Stamm und ziehen abends in geschlossener Ordnung auf den Fraß. Den Ruheplatz umspinnen sie mit losen Fädchen, an denen die Häute nach der Häutung und die Kotklümpchen hängen bleiben. Sie verpuppen sich auch in dem verdichteten Nest in papierartigen, weißlichen, fest miteinander verbundenen Kokons. Der P. wird den Eichenwaldungen sehr verderblich, im Notfall geht die Raupe aber auch auf andre Laubhölzer und selbst auf Feldfrüchte. Zur Bekämpfung verbrennt oder zerquetscht man die Raupen- und Puppennester, muß sich aber mit größter Vorsicht gegen die Brennhaare der Raupe schützen (Atmen hinter einem Tuch und Bestreichen des Körpers mit Fett). Die von der Raupe befallenen Forsten sind dieser Brennhaare halber für Menschen und Vieh abzusperren. Ist Entzündung eingetreten, so gibt man innerlich und äußerlich Öl und Milch; bei Neigung zum Brechen ist dies zu unterstützen und bei innerlichen Leiden jedenfalls der Arzt zu rufen. Der Kiefernprozessionsspinner (C. pinivora Kuhlw.), 3,3 cm breit, dem vorigen sehr ähnlich, erscheint im April und Mai, aber nur lokal in den Tiefebenen und dem Hügelland um das Ostseebecken, auch bis Dessau, Dresden. Die Raupen, deren Haare ebenso gefährlich sind wie die der vorigen, erscheinen im Juni oder Juli, ziehen zum Fraß im Gänsemarsch auf und fressen hauptsächlich Kiefernnadeln, im Notfall Wacholder- und Birkenblattstiele. Sie bauen keine dichten Nester auf den Bäumen, ruhen aber im dürren Sande versteckt unter einem Gewebe. Hier verpuppen sie sich im Juli oder August in filzgrauen, nicht so regelmäßig miteinander verbundenen Kokons, und die Puppen überwintern. Die Eier werden, wie es scheint, in Reihen an die Nadeln abgesetzt. Die Wirkungen des Fraßes kommen etwa denen der Forleule gleich.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.