Priesterseminar

Priesterseminar

Priesterseminar, katholisch-kirchliche Bildungsanstalt für Geistliche. Soweit im frühern Mittelalter die Kleriker nicht der höhern Bildung überhaupt ermangelten, empfingen sie diese in den Dom-, Stifts-, Kloster- und Pfarrschulen. Später besuchten sie die Universitäten. Deren Zerfall als kirchliche Anstalten in der Reformationszeit veranlaßte das Tridentinische Konzil, für die klerikale Bildung neue Normen zu schaffen. Nach dem Vorbilde des Collegium Germanicum (s. Collegia nationalia) in Rom und andrer Jesuitenkollegien wurde in der 23. Sitzung vom 15. Juli 1563 die Einrichtung von Seminaren (Tridentinische Seminare) beschlossen. In diese Seminare, von denen für jede bischöfliche Diözese eins vorgesehen ist, sollen ehelich geborne Knaben mit zurückgelegtem 12. Lebensjahr aufgenommen, humanistisch und theologisch gebildet und für den priesterlichen Beruf vorbereitet werden. Die Zöglinge tragen priesterliches Gewand. Nach einer vom Konzil noch nicht vorgesehenen Teilung unterschied man später Knabenseminare (petit séminaires) und Klerikalseminare (grand séminaires), erstere für die Erziehung und die humanistische, diese für die philosophisch-theologische und die priesterliche Bildung. Die Hauptförderer des Seminarwesens waren die Päpste Gregor XIII. (1572–85), Gregor XV. (1621–23) und Urban VIII. (1623–44). Durch sie und durch die immer größern Einfluß gewinnenden Jesuiten wurden die Priesterseminare bald besonders wirksame Werkzeuge der Gegenreformation. In ihrem einseitig kirchlichen Charakter lag der Keim des Konflikts mit der Staatsgewalt. Seit etwa 1750 wogte der Kampf um sie in versch edenen Ländern. In Österreich suchte Joseph II. seit 1783 durch die Einrichtung von Generalseminaren die Bildung der Geistlichen staatlich zu ordnen. In Frankreich verschlang die Revolution die bischöflichen Bildungsanstalten, aber schon Napoleon I. gab in den Organischen Artikeln (s. Gallikanische Kirche) die Einrichtung von Klerikalseminaren in gewissen Schranken frei, die dann unter den Bourbonen von neuem aufblühten. In Deutschland gelang es den Bischöfen seit den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrh., die jungen Theologen nach und nach dem weltlichen Einfluß öffentlicher Universitäten zu entziehen. Freilich ordnete das preußische Gesetz vom 11. Mai 1873 (s. Kirchenpolitik, S. 51) das sogen. Kulturexamen an und stellte die bischöflichen Lehranstalten unter staatliche Aussicht. Die Weigerung der Bischöfe führte zur Schließung einer Reihe von Seminaren, die jedoch nach Aufhebung des Examens und Milderung der Aussicht (11. Juli 1886) wieder geöffnet wurden. Zurzeit gelten folgende Grundsätze: auf die Ablegung der Reifeprüfung an einem deutschen Gymnasium folgt ein drei- bis fünfjähriges Theologiestudium an einer staatlichen oder staatlich anerkannten bischöflichen Unterrichtsanstalt, an einer Universität, einem Lyzeum (Bayern) oder einem bischöflichen P. Falls der Unterricht nicht ganz in einem solchen erfolgt, tritt zu dem Besuch der vorgenannten Anstalten ein Aufenthalt im P. zum Zweck der asketischen und praktischen Ausbildung hinzu. Alle theologischen Anstalten stehen unter Staatsaufsicht. Studium und Lehrplan sind in Preußen durch das Gesetz vom 21. Mai 1886, in Baden und Hessen durch die Gesetze vom 5. Juli 1888 und 5. Juli 1887 geregelt. Vgl. A. Theiner, Geschichte der geistlichen Bildungsanstalten (Mainz 1835); H. Zschokke, Die theologischen Studien und Anstalten der katholischen Kirche in Österreich (Wien 1894); Aubry, Les grands séminaires (Lille 1893, 2 Bde.); Heiner, Theologische Fakultäten und tridentinische Seminarien (Paderb. 1900) und Nochmals theologische Fakultäten etc. (2. Aufl., das. 1901); Merkle, Das Konzil von Trient u. die Universitäten (Würzb. 1905). S. auch die bei dem Artikel »Jesuiten« angegebene pädagogische Literatur.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Priesterseminar — Das Priesterseminar ist die Ausbildungsstätte für Priesteramtskandidaten der römisch katholischen Diözesen, aber auch anderer Konfessionen und Denominationen. Die Priesterausbildung findet ergänzend zum Studium der Theologie statt und will… …   Deutsch Wikipedia

  • Priesterseminar — das Priesterseminar, e (Aufbaustufe) Ausbildungsstätte für Priesteramtskandidaten Beispiel: Sie haben ihren Sohn in ein Priesterseminar geschickt …   Extremes Deutsch

  • Priesterseminar Passau — Blick auf das Priesterseminar St. Stephan am Domplatz Seminartyp Pastoralseminar und Propädeutikum A …   Deutsch Wikipedia

  • Priesterseminar Erfurt — Seminartyp Regionalseminar Anschrift Holzheienstr. 15 99084 Erfurt Land …   Deutsch Wikipedia

  • Priesterseminar Fulda — Seminartyp Klerikalseminar Anschrift Eduard Schick Platz 5 36037 Fulda …   Deutsch Wikipedia

  • Priesterseminar München — Anschrift Georgenstr. 14 80799 München Land Deutschland Träger …   Deutsch Wikipedia

  • Priesterseminar Trier — Seminartyp Pastoralseminar und Propädeutikum Anschrift Jesuitenstraße 13 …   Deutsch Wikipedia

  • Priesterseminar St. Sulpice — ist der Name mehrerer katholischer Priesterseminare: Priesterseminar St. Sulpice (Paris) Priesterseminar St. Sulpice (Issy les Moulineaux), Frankreich Vieux Séminaire de Saint Sulpice (Montreal), Kanada Diese Seite ist ei …   Deutsch Wikipedia

  • Priesterseminar (Begriffsklärung) — Priesterseminar bezeichnet Ausbildungsstätten für Priester: Priesterseminare römisch katholischer Diözesen, siehe Katholisches Priesterseminar Priesterseminare der Kirche „Die Christengemeinschaft“, siehe Die Christengemeinschaft… …   Deutsch Wikipedia

  • Priesterseminar Augsburg — x Priesterseminar St. Hieronymus Seminartyp Vollseminar Anschrift Stauffenbergstraße 8 86161 Augsburg Bundesland Bayern Land Deutschland Träger …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”