- Abandon
Abandon (franz., spr. ăbangdóng, Abtretung, Aufgabe, Verzicht), ein seerechtlicher Ausdruck mit verschiedener Bedeutung. Das deutsche Handelsgesetzbuch braucht die Bezeichnung A. nur in § 861 und bezeichnet damit das Recht des Versicherten, in bestimmten Fällen gegen Abtretung der in Ansehung des versicherten Gegenstandes ihm zustehenden Rechte die Zahlung der vollen Versicherungssumme zu verlangen. Diese Fälle sind: 1) Verschollenheit des Schiffes, d.h. wenn ein Schiff nach Antritt seiner Reise innerhalb einer bestimmten Frist weder seinen Bestimmungshafen erreicht hat, noch den Beteiligten Nachrichten über dasselbe zugegangen sind; 2) Embargo, d.h. eine vom Staat ausgehende Beschlagnahme oder Festhaltung eines Schiffes; 3) Aufbringung, d.h. Wegnahme durch eine kriegführende Macht; 4) Anhaltung durch Verfügung von hoher Hand; 5) Wegnahme durch Seeräuber. Bei den Fällen unter 2) mit 4) hat die Zahlung jedoch nur zu erfolgen, wenn nicht innerhalb einer bestimmten Frist Freigabe erfolgt. Die Abandonerklärung muß dem Versicherer innerhalb der Abandonfrist zugehen, muß ohne Bedingung erfolgen, sich auf den ganzen versicherten Gegenstand erstrecken und ist unwiderruflich. Auf Verlangen hat der Versicherte dem Versicherer einen Abandonrevers zu erteilen, d.h. eine öffentlich beglaubigte Anerkennungsurkunde darüber, daß sämtliche Rechte des Versicherten durch die Abandonerklärung auf den Versicherer übergegangen sind. Die Zahlung der Versicherungssumme erfolgt erst nach Rechtfertigung des A. durch entsprechende Urkunden und nach Ablauf einer angemessenen Prüfungsfrist. Vgl. § 861 mit 871 des Handelsgesetzbuchs. – Außerdem kommt die Bezeichnung A. noch für folgende Fälle vor: a) Bei bestimmten großen Unternehmungen kann jeder Mitreeder, der dem betreffenden Unternehmen nicht zugestimmt hat, sich von der Zubußpflicht befreien, wenn er binnen drei Tagen mittels gerichtlicher oder notarieller Erklärung seine Schiffsparten (s. d.) preisgibt (§ 501 des Handelsgesetzbuchs). b) Nach Eintritt eines Unfalls hat der Versicherer das Recht, durch Zahlung der vollen Versicherungssumme innerhalb drei Tagen sich von allen weitern Bedingungen aus dem Versicherungsvertrage zu befreien (§ 841 des Handelsgesetzbuchs). c) Wenn Behältnisse, die mit flüssigen Waren angefüllt waren, während der Reise ganz oder zum größern Teil ausgelaufen sind, so kann sie der Befrachter dem Verfrachter für die Fracht und seine übrigen Forderungen an Zahlungs Statt überlassen (§ 616 des Handelsgesetzbuchs). Verschiedene ausländische Gesetze verstehen endlich unter A. das Recht eines Schuldners, der gegenüber den Ansprüchen der Gläubiger nur unter Beschränkung auf ein Sondergut haftet, sich durch Hingabe des Sonderguts von jeder weitern Verantwortlichkeit zu befreien. Vgl. Burchard, Art. A. in Baumgartners »Handwörterbuch des gesamten Versicherungswesens« (Straßb. 1898); Boyens, Das deutsche Seerecht, Bd. 2 (Leipz. 1901).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.