- Namur [2]
Namur (fläm. Namen), Hauptstadt der gleichnamigen belg. Provinz (s. oben), am Einfluß der Sambre in die Maas gelegen, 85 m ü. M., bildet den Knotenpunkt von fünf Eisenbahnlinien in der Richtung nach Brüssel, Lüttich (Aachen und Köln), Luxemburg, Charleville (Reims) und Charleroy (Paris) und eine der Hauptstationen der beiden wichtigen Linien Köln-Paris und Brüssel-Luxemburg. Die durch neun vorgeschobene Forts befestigte Stadt hat schöne, breite Straßen, reizende Promenaden, namentlich dort, wo sich bis 1892 die Zitadelle erhob, und große öffentliche Plätze, darunter den St.-Aubinplatz, die Place d'Armes und den Square Leopold (mit einem Denkmal Leopolds I. von Geefs). Unter den zahlreichen Kirchen zeichnen sich besonders aus: die Kathedrale (St.-Aubin, 1750–72 errichtet, mit dem Grab Don Juans d'Austria); die prachtvolle, 1621–54 von den Jesuiten erbaute Lupuskirche und die durch ihre Größe und schönen Verhältnisse hervorragende Kirche Notre-Dame. Andre bemerkenswerte öffentliche Gebäude sind: der Belfried (Beffroi) aus dem 11. Jahrh., der Justizpalast (ehemaliges Albinuskloster), das Stadthaus, das Theater und das Hospice d'Harscamp. Die Bevölkerung beträgt (1904) 31,940 Seelen. Die Industrie ist sehr lebhaft und namentlich vertreten durch Stahlwaren (ausgezeichnete Messerfabrikation), Maschinenbau, Brauerei, Tonwaren-, Glas- und Zichorienfabrikation etc. Ferner hat N. Eisen- und Steinkohlengruben (s. das Profil des Kohlenreviers auf Tafel »Geologische Formationen II«, Fig. 1), lebhaften, durch die Schiffahrt auf der Maas und Sambre und die großen Eisenbahnlinien begünstigten Handel, bedeutende Jahresmessen und Viehmärkte. N. hat ein Athenäum, ein bischöfliches Seminar, Staatsmittelschulen für Knaben und Mädchen, eine Gewerbeschule, ein Lehrerinnenseminar, ein reichhaltiges archäologisches Museum, verschiedene gelehrte und gewerbliche Gesellschaften, eine Besserungsanstalt für jugendliche Verbrecher, ein Taubstummeninstitut, eine Unteroffizierschule und mehrere Wohltätigkeitsanstalten. Es ist der Sitz des Gouverneurs, eines Bischofs, eines Handelsgerichts und eines Tribunals. – N., im Mittelalter Hauptstadt der gleichnamigen Grafschaft (s. oben), wurde, obwohl stark befestigt, 1692 von den Franzosen unter Vauban nach längerer Belagerung genommen, aber 1695 von Wilhelm III. von Oranien wiedererobert, gehörte seit 1715 zu den sogen. Barrierefestungen (s. Barrieretraktat) und war 1746–48 und 1792–1814 abermals in französischen Händen. Die nach den Belagerungen von 1692 und 1794 sowie 1816–25 erneuten Festungswerke sind seit 1891 geschleift. Statt dessen ist N. jetzt nach den Plänen Brialmonts (s. d.) mit vielen starken Außenwerken umgeben, so daß es ein wichtiges Glied in der Kette der Maasbefestigungen bildet. Vgl. J. Borgnet und Bormans, Cartulaire de la commune de N. (Namur 1871–76, 3 Bde.).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.