Ägīna [2]

Ägīna [2]

Ägīna, griech. Insel, südwestlich von Athen im Golf von Ä. (s. unten), in Form eines Dreiecks, 85 qkm groß, mit (1896) 8231 Einw. und ansehnlicher Schwammfischerei, sonst ohne Bedeutung. Die gebirgige (bis 540 m), nur im NW. leichter zugängliche und von zahlreichen Klippen umgebene Insel ist jetzt gänzlich ohne Bewaldung und fast ohne fließendes Wasser. Der meist aus Kalk bestehende Boden ist steinig und mager, jedoch bei sorgsamer Behandlung für den Anbau von Gerste, Wein, Mandeln, Feigen und Öl wohlgeeignet; außerdem liefert er trefflichen Töpferton und gute Bausteine.

Die Insel, ursprünglich Önone genannt, erhielt nach der Sage den Namen Ä. von der gleichnamigen Tochter des Flußgottes Asopos, die hier dem Zeus den Äakos gebar. Letzterer herrschte über das Geschlecht der achäischen Myrmidonen, die älteste Bevölkerung der Insel, die der Sage nach bereits Schiffe zimmerte und mit Segeln versah. Später wurde Ä. von Epidauros aus durch Dorier besetzt und kolonisiert, und die junge Kolonie, inmitten des Saronischen Golfs und rivalisierender Seestaaten gelegen, wetteiferte in Schiffahrt und Handel mit der Mutterstadt, bis sie sich um 550 v. Chr. von deren Oberherrschaft befreite. Von nun an hob sich A. immer mächtiger und gelangte in der Zeit vor den Perserkriegen zu großer Blüte. Die Gesamtzahl ihrer damaligen Bevölkerung wird zu 1/2 Mill. (wovon 470,000 Sklaven) angegeben. Die äginetischen Ton- und Erzwaren, Salben u. dgl. standen in hohem Ruf. Das älteste hellenische Münz-, Maß- und Gewichtssystem ging von Ä. aus. Mit den Athenern, mit denen sie aus Handelseifersucht bereits einen Krieg geführt hatten, wetteiferten sie an Tapferkeit in den Schlachten gegen die Perser, gegen die sie 80 Triëren aufstellten und in der Schlacht bei Salamis den ersten Preis der Tapferkeit errangen. In den Olympischen Spielen trugen die Söhne edler Geschlechter Äginas zahlreiche Siege davon, die Pindar verherrlichte; und die bildende Kunst, insbes. die Erzbildnerei, gedieh auf der Insel zu einer Vollendung, die wir noch jetzt bewundern (s. Äginetische Kunst). Nach den Perserkriegen lebten zwischen Ä. und Athen die Eifersucht und der Handelsneid wieder auf, die Insel mußte sich der Nebenbuhlerin 455 unterwerfen und wurde 431 nach Vertreibung der alten Einwohner mit attischen Kolonisten besiedelt. Lysandros führte zwar nach Athens Demütigung 404 aus Thyreatis die zerstreuten Überreste der Vertriebenen zurück, aber die Insel erreichte kaum den Schatten ihrer frühern Macht wieder. Später wurde A. abwechselnd eine Beute der Makedonier, der Achäer, des Attalos, bis es zuletzt unter römische Herrschaft kam.

Die alte gleichnamige Hauptstadt lag an der Westküste in einer breiten, fruchtbaren Ebene, ungefähr an der Stelle der heutigen Stadt A. (1896: 4851 Einw.), war aber von weit bedeutenderm Umfang als diese. Sie besaß außer einer Reede einen künstlichen Kriegs- und einen Handelshafen, deren Molen noch jetzt wohlerhalten sind. Sonst zeugen nur wenige Säulenreste, eine Fülle von Scherben alter Tongefäße und in den Felsboden eingesenkte Grabkammern von ihr. Das bedeutendste Denkmal des alten Ä. sind die etwa 21/2 Stunden östlich von der Stadt auf 190 m hohem Hügel gelegenen »stäs Kolónnäs« genannten Ruinen des berühmten dorischen Athenetempels, der an Größe und Bauart dem Theseustempel in Athen am nächsten kommt, und dessen (1811 aufgefundene) Giebelgruppen ältern, strengen Stils jetzt den Äginetensaal der Glyptothek in München zieren (weiteres s. Äginetische Kunst). Im südöstlichen Teil der Insel stand ehemals auf dem 534 m hohen Gipfel eines Berges das Heiligtum des Zeus Panhellenios, ein einfacher, von einer halbkreisförmigen Mauer umgebener Altar, an dessen Stelle jetzt eine Kapelle des heil. Elias getreten ist.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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