Influenzmaschine

Influenzmaschine

Influenzmaschine (Elektrophormaschine), eine Vorrichtung zur Erzeugung größerer Elektrizitätsmengen durch elektrische Verteilung (Influenz). Das Prinzip der sogen. unselbständigen I. ist in Fig. 1 (S. 824) dargestellt. A u. B bedeuten zwei Elektrophorkuchen (Papierbelegungen), auf einer vertikal stehenden Glasscheibe befestigt und entgegengesetzt elektrisch gemacht; C und D sind die auf einer rotierenden Glasscheibe befestigten Elektrophordeckel (Stanniolscheibchen); e, f die Konduktoren, auf welche die abgestoßene Influenzelektrizität der Elektrophordeckel durch seine Pinsel aus Metalldrähten übertragen wird. Macht die rotierende Scheibe eine halbe Umdrehung, so wird, wie die Figur rechts andeutet, die auf den Elektrophordeckeln befindliche Elektrizität in die Konduktoren abgestoßen, außerdem aber neue Elektrizität durch Influenz erregt, so daß die Ladung der Konduktoren nunmehr die Dreifache ist.

Fig. 1. Prinzip der unselbständigen Influenzmaschine.
Fig. 1. Prinzip der unselbständigen Influenzmaschine.

Nach einer weitern halben Umdrehung wird sie die Fünffache sein etc. Derartige Influenzmaschinen wurden nur zur Verstärkung schwacher Ladungen bei Gebrauch des Elektrometers unter der Bezeichnung: Duplikator, Replenisher u. dgl. benutzt. Sie leisten nicht viel als Elektrisiermaschinen, weil bei höhern Spannungen die Ladung der Papierbelege zu rasch abnimmt. Erst nachdem 1864 gleichzeitig durch Holtz und Töpler die I. durch Anwendung des sogen. Dynamoprinzips (dessen Anwendung auf die magnetoelektrischen Maschinen bald darauf zur Erfindung der Dynamomaschine führte) in eine sogen. selbständige I. umgewandelt war, vermochte man damit Wirkungen hervorzubringen, welche die aller ältern Elektrisiermaschinen weitaus übertrafen.

Fig. 2. Prinzip der selbständigen Influenzmaschine.
Fig. 2. Prinzip der selbständigen Influenzmaschine.

Dieses Dynamoprinzip besteht darin, daß, wie Fig. 2 andeutet, ein Teil der auf den Konduktoren angehäuften Elektrizität den Elektrophorkuchen zugeleitet wird, so daß nicht nur die Elektrizitätsverluste gedeckt, sondern ihre elektrische Spannung sogar erhöht wird, wodurch natürlich auch die Spannung auf den Konduktoren wächst, somit auch wieder die der Elektrophorkuchen etc., bis schließlich eine Grenze erreicht wird, weil die Verluste an Elektrizität infolge der wachsenden Spannung sehr viel größer werden.

Fig. 3. Influenzmaschine nach Holtz.
Fig. 3. Influenzmaschine nach Holtz.

Der besondere Vorzug der ersten Holtzschen Maschinen bestand darin, daß die Stanniolbelege weggelassen waren, so daß die Glasoberfläche als Elektrophordeckel funktionierte, was dadurch ermöglicht wurde, daß an Stelle der Pinsel Spitzen (analog den Saugerkämmen der Reibungselektrisiermaschine) verwendet wurden. In solchem Falle sind die Elektrizitätsverluste geringer, da die Ausströmung an den scharfen Rändern der Stanniolbelege fehlt. Der Vorzug der Töplerschen Maschinen war der, daß man nicht nötig hatte, einen der Elektrophorkuchen durch Anlegen oder Annähern eines geriebenen Ebonitstabes u. dgl. elektrisch zu machen, da die Ableitung des Ebonitstabes durch die Metallpinsel, nicht wie die Absaugung durch Spitzen, das Vorhandensein einer relativ hohen Spannung erfordert, so daß schon äußerst schwache Spuren von Elektrizität, wie sie z. B. durch Reibung der Pinsel von selbst entstehen, genügen, die Maschine zu erregen.

Fig. 4. Influenzmaschine nach Töpler.
Fig. 4. Influenzmaschine nach Töpler.

Diese Maschinen werden deshalb selbsterregende genannt. Fig. 3 zeigt eine Maschine Holtzscher, Fig. 4 eine solche Töplerscher Art nach Voß in Berlin. Bei beiden sind die Konduktoren mit kleinen Leidener Flaschen (Verstärkungsflaschen) verbunden, um statt des andauernden Funkenstroms einzelne stärkere Funken zu erhalten. Die äußern Belegungen der Flaschen sind durch einen Stanniolstreifen Q unter sich verbunden (Fig. 5).

Fig. 5. Verstärkungsflaschen.
Fig. 5. Verstärkungsflaschen.

Jede Flasche lädt sich innen mit der Elektrizität der zugehörigen Elektrode, während die auf dem äußern Beleg abgestoßene gleichnamige Elektrizität durch den Stanniolstreifen nach dem äußern Beleg der andern Flasche wandert, um dort die entgegengesetzte innere zu binden und selbst gebunden zu werden; ist nach kurzer Zeit die hierzu erforderliche Spannung erreicht, so vereinigen sich die Elektrizitäten der innern Belegungen durch einen mit lautem Knall zwischen den Elektroden überspringenden Funken, während die gleichzeitig frei werdenden Elektrizitäten der äußern Belegungen durch den Stanniolstreifen sich ausgleichen. In derselben Weise wie diese zwei Leidener Flaschen wirkt die der Maschine gewöhnlich beigegebene Verstärkungsröhre, eine Glasröhre, die innen mit einem Stanniolstreifen, außen mit zwei Stanniolringen beklebt ist; mit diesen Ringen wird sie auf die Messingstiele der beiden Kämme gelegt: die Ringe entsprechen alsdann den innern Belegungen der beiden Flaschen, der innere Stanniolstreifen den miteinander zusammenhängenden äußern Belegungen derselben.

Die zwischen den Flaschen sichtbaren isolierten Metallstäbchen lassen sich nach oben bis zur Berührung mit den Konduktoren ausziehen und sind mit Klemmschrauben versehen, um Drähte anschließen zu können. Die schräge, mit Saugerspitzen versehene Metallstange vor der rotierenden Scheibe, der Hilfskonduktor, stellt einen Nebenschluß zu den Konduktoren dar und würde den ganzen Strom aufnehmen, wenn man ihm horizontale Stellung gäbe. Dies ist notwendig, wenn die vorhandene Spannung zur Erregung der Maschine nicht zureicht. Dann gelangt nämlich die auf der einen Seite von dem Elektrophorkuchen abgestoßene Elektrizität nicht nur bis zum Konduktor, sondern bis auf die andre Seite und verstärkt die Elektrisierung des zweiten Elektrophorkuchens, ebenso wie auch dieser verstärkend auf den ersten einwirkt. Hat sich die Maschine erregt, so bringt man den Hilfskonduktor in die schräge Lage. Er wirkt dann noch insofern nützlich, als er das Erlöschen der Maschine bei zu großer Entfernung der Konduktoren hindert.

Entfernt man nämlich die beiden Elektroden (die durch die Konduktoren gesteckten verschiebbaren Metallstäbe) so weit voneinander, daß die auf ihnen angesammelten Elektrizitäten sich nicht mehr ausgleichen können, so fließen sie durch die Kämme auf die Scheibe zurück und vernichten deren Ladung oder kehren sie sogar um. Sobald sich die Maschine erregt hat, was sich durch ein zischendes Geräusch verrät, geht zwischen den auseinander gerückten Kugeln ein prasselnder Funkenstrom über, der andauert, solange man die Scheibe dreht. Leitet man die eine Kugel nach der Erde ab, so kann man aus der andern Funken ziehen, wie aus dem Konduktor einer gewöhnlichen Elektrisiermaschine, deren Wirkung übrigens durch die I. bedeutend übertroffen wird. Eine Leidener Flasche (s. d.) oder Batterie, deren Belegungen man mit den geöffneten Elektroden in Verbindung setzt, wird in wenigen Sekunden geladen und entlädt sich wieder durch einen zwischen den Elektroden überspringenden Funken. Das Ausströmen der Elektrizitäten aus den Spitzen der Kämme, von dem das zischende Geräusch herrührt, ist im Dunkeln sichtbar; die positive Elektrizität erscheint in Form von garbenartigen Lichtbüscheln, die von den Spitzen des Kammes aus auf der Scheibe der Drehungsrichtung entgegen sich ausbreiten, die negative in Form von Lichtpünktchen an den Spitzen.

Dreht man die Maschine, während sie geladen ist, so fühlt man einen größern Widerstand, als wenn sie nicht geladen ist; was man im erstern Fall an Arbeit mehr zu leisten hat, wird in Elektrizität verwandelt. Verbindet man die Elektroden einer tätigen I. mit den Kämmen einer zweiten, von welcher der Schnurlauf abgenommen ist, und erteilt der Scheibe der letztern einen kleinen Anstoß, so gerät dieselbe in rasche Drehung. Während die erste Maschine Arbeit in Elektrizität verwandelt, wird in der zweiten Elektrizität in mechanische Arbeit umgesetzt.

Fig. 6. Influenzmaschine zweiter Art.
Fig. 6. Influenzmaschine zweiter Art.

Holtz hat auch Influenzmaschinen mit zwei entgegengesetzt rotierenden Scheiben konstruiert, die ebenfalls selbsterregend sind und Maschinen zweiter Art genannt werden (Wimshurst-Maschinen). Bei der in Fig. 6 dargestellten Maschine sind die Scheiben mit zwölf radial laufenden Metallbelegungen versehen, und über diese streifen Pinsel aus Goldlahn, die an den Enden diametral gestellter Arme der Ausgleichskonduktoren sitzen. Die Pinsel jeder Scheibe sind leitend miteinander verbunden, und die Arme sind von dem Gestell isoliert. Die Auffangkämme, die in der Höhe des horizontalen Durchmessers der Scheiben einander gegenüberstehen, sind auf Glassäulen befestigt und durch den aufgesetzten Kopf derselben mit den beweglichen Konduktoren verbunden.

Fig. 7. Zur Erklärung des Vorganges beim Betrieb der Influenzmaschine zweiter Art.
Fig. 7. Zur Erklärung des Vorganges beim Betrieb der Influenzmaschine zweiter Art.

Der Vorgang beim Betrieb der Maschine ist folgender: Hat die Belegung 1 (Figur 7) eine + Ladung erhalten und gelangt sie bei der Rotation in die Lage von 2, also 11 gegenüber, so wird hier -E angezogen und +E abgestoßen, die durch aa nach VIII gelangt. Sind auch alle nachfolgenden Belegungen, sobald sie den obern Pinsel von b passiert haben, mit +E geladen, so wird die Belegung II, wenn sie beim Drehen weiter nach oben kommt, ihre Ladung beibehalten, da dieselbe durch die +E der andern Belegungen festgehalten wird. Erst wenn II den obern Pinsel von b überschritten hat und ihr nun beim weitern Fortgang ungeladene Belegungen gegenüberstehen, wird die gebundene – E frei und kann in den Saugkamm k1 übergehen. Alsdann ist die Belegung so lange entladen, bis sie an den untern Pinsel von a gelangt. Von diesem erhält sie nun +E (wie oben dargelegt) und ebenso alle nachfolgenden Belegungen, bis sie k2 passieren, wo die +E abgegeben wird. Die untern Belegungen des innern Kreises influenzieren nun aber die entsprechenden des äußern. So wird VI eine-Ladung in b hervorrufen, und es wird die +E nach dem obern Pinsel von b getrieben, wo sie die passierenden Belegungen + ladet, die Ladung derselben also, die den ganzen Vorgang einleitete, verstärkt. Geht nun b in der Richtung nach k, weiter, so bleibt – E gebunden, bis die Belegung VIII passiert hat. Alsdann wird sie frei und kann also in k1 übergehen etc. Die Maschine gibt bei 25 cm Scheibendurchmesser 8–9, bei günstigem Wetter selbst 11 cm lange Funken. Sie ist von der Feuchtigkeit der Luft wenig abhängig und wechselt nur selten die Pole.

Um besonders große Mengen von Elektrizität zu erhalten, kann man nach Töpler mehrere Influenzmaschinen parallel schalten, d. h. ihre gleichnamigen Konduktoren miteinander verbinden, wobei zweckmäßig, wie Fig. 8 (Konstruktion von Leuner in Dresden) zeigt, alle rotierenden Scheiben auf derselben Achse angebracht werden (die Figur entstammt dem Kataloge von Ferdinand Ernecke in Berlin).

Fig. 8. Vielplattige Influenzmaschine.
Fig. 8. Vielplattige Influenzmaschine.

Noch mehr wird (nach Hempel) die Wirkung gesteigert, wenn man eine solche vielplattige Maschine in einem Kessel anbringt, in dem die Luft auf 3–4 Atmosphären verdichtet werden kann, da die Kompression der Luft die Spitzenausströmung der Elektrizität erschwert. Die größte Maschine dieser Art (Hochdruckinfluenzmaschine), gebaut von Leuner in Dresden, mit Abänderungen nach O. Lehmann, befindet sich im physikalischen Institut zu Karlsruhe.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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