- Gasparin
Gasparin (spr. -räng), 1) Agénor, Graf von, franz. Schriftsteller, geb. 12. Juli 1810 in Orange als der Sohn des ehemaligen Ministers Adrien G. (gest. 1862), gest. 14. Mai 1871 in Genf, machte sich besonders durch seine Verteidigung des Prinzips der Religionsfreiheit einen Namen. Er wurde 1842 in die Kammer gewählt, wo er namentlich für die Menschenrechte der Schwarzen in die Schranken trat. In der Politik der konservativen Richtung zugetan, bekämpfte er zu gleicher Zeit die bei Besetzung öffentlicher Stellen zutage tretende Korruption und suchte als eifriger Protestant nicht minder nachdrücklich für freie Ausübung des protestantischen Kultus zu wirken. 1846 wurde er nicht wieder gewählt und nahm seitdem an der Politik nur geringen Anteil. 1852 begab er sich nach Toskana, um für das Ehepaar Madiai, das wegen seines Übertritts zum Protestantismus zur Galeere verurteilt worden war, die Freiheit zu erwirken, ein Schritt, der, wenn auch erst durch Vermittelung des Königs von Sardinien, von Erfolg gekrönt war. G. war ein etwas mystisch angehauchter (vgl. seine Erklärung des Tischrückens: »Les tables tournantes«, 1854, 2 Bde.; neue Ausg. 1888), aber ehrenwerter und unabhängiger Charakter, der stets nur seiner Überzeugung folgte. Am deutlichsten bewies er dies durch sein Buch »La France, nos fautes, nos périls, notre avenir« (Par. 1872, 2 Bde.; neue Ausg. 1881), worin er seinen Landsleuten nach dem Krieg einen wenig schmeichelhaften, aber desto wahrheitsgetreuern Spiegel vorhielt, nachdem er vergeblich gegen den Krieg geschrieben. Außerdem sind von seinen Schriften zu nennen: »Esclavage et traité« (1838); »Intérêts généraux du protestantisme français« (1843); »La famille, ses devoirs, ses joies et ses douleurs« (3. Aufl. 1865; deutsch, Gütersl. 1870); »La liberté morale« (1868, 2 Bde.) und die nach seinem Tod erschienenen Werke: »Luther et la réforme an XVI. siècle« (1873) und »Pensées de liberté inédites« (1876 u. ö.). Vgl. Borel, Le comte A. de G. (Lausanne 1878 u. ö.). In Orange ist ihm ein Denkmal gesetzt.
2) Valérie, geborne Boissier, Gräfin von, Gattin des vorigen, geb. 13. Sept. 1813 in Genf, gest. daselbst 18. Juni 1894, hat sich als Schriftstellerin gleichfalls einen geachteten Namen erworben. Besonders fanden die Verirrungen der religiösen Sektiererei an ihr eine heftige Gegnerin, doch ist sie selbst von ultraprotestantischem Zelotismus nicht freizusprechen. Sie verfaßte: »Le mariage an point de vue chrétien« (1842, 3. Aufl. 1853; deutsch, Kobl. 1844), verkürzt als »Un livre pour les femmes mariées« (2. Aufl. 1852); »Les corporations monastiques an sein du protestantisme« (1855, 2 Bde.); »Les horizons prochains« (8. Aufl. 1872; deutsch, Hamb. 1864); »Les horizons célèstes« (9. Aufl. 1868); »Vesper« (5. Aufl. 1863; deutsch, Berl. 1865); »Les tristesses humaines« (6. Aufl. 1888; deutsch, das. 1865); »La bande du Jura« (1865–66, 4 Bde.); »Au bord de la mer« (1866); »A travers les Espagnes« (1868) u. a. Vgl. Marie Dutoit, La comtesse Agénor de G., étude morale et littéraire (Lausanne 1901); Barbey-Boissier, La comtesse A. de G. et sa famille (Par. 1902, 2 Bde.).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.