Volkshochschulen

Volkshochschulen

Volkshochschulen, Anstalten für höhere Bildung der breitern Volksschichten, haben sich vom skandinavischen Norden aus verbreitet. Die erste der nordischen Folkehöjskoler gründete Severin Grundtvig (s. d. 1) in Rödding (Nordschleswig) 1844. Besonders seit 1864 verbreitete der Eifer für nationale Bildung diese neue Schulform in ganz Dänemark und griff bald auch auf Norwegen (1864), Schweden (1868) und Finnland (1869) über. In Dänemark bestanden bereits Ende des 19. Jahrh. 70 V. mit jährlich gegen 5000 Schülern und Schülerinnen. Übrigens ist die Organisation dieser Anstalten sehr verschieden, der Besuch jedoch meist auf den Winter beschränkt. Sie arbeiten oft Hand in Hand mit Vereinen für Volksbibliotheken, Wandervorträge u. dgl. Volkshochschultage, besucht aus allen vier nordischen Ländern, fanden wiederholt statt; so in Testrup (Jütland) 1883, Sagatun (Norwegen) 1885, Hvilan (Schweden) 1890, Askov (Jütland; zugleich Jubelfeier) etc. Außerhalb ihrer eigentlichen Heimat begegneten diese Bestrebungen sich mit der gleichzeitigen Bewegung der University Extension, die sich nur dadurch von dem eigentlichen Volkshochschulwesen unterscheidet, daß dieses mehr ländlichen, jene mehr städtischen Verhältnissen angepaßt ist und sich unmittelbar an die Universitäten anlehnt. Die Universitätsausdehnung nahm ihren Ausgang von Nordamerika. Eins der ersten Vorbilder dieser Art gab Peter Cooper (s. d. 3) in seiner Stiftung Coopers Institute zu New York um 1850. Bald regte sich auch England. Besonders wirkten für die neue Idee in England und Schottland Th. Carlisle und Ch. Kingsley seit etwa 1870. Die Universität Cambridge ging mit praktischen Versuchen voran, und andre britische Hochschulen folgten; allmählich auch Universitäten des europäischen Festlandes. In Bern, Wien, München bildeten sich seit 1890 Gruppen akademischer Lehrer und sonstiger Gelehrter, die volkstümliche Vortragskurse veranstalteten und aus weiten Kreisen dankbare Zuhörer fanden. In Berlin lehnte 1896 der akademische Senat trotz dringender Werbung einer rührigen Minderheit ab, eine Volkshochschule als eigentliche Universitätssache zu befürworten; doch ging man auch hier privatim vor. Ein Verband von Hochschullehrern des Deutschen Reiches für volkstümliche Kurse trat ins Leben, der 1900 in München seine erste Generalversammlung unter Beteiligung der Berliner Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrt abhielt und feststellte, daß Ansätze zum Volkshochschulwesen an keiner deutschen Hochschule mehr ganz fehlten. Auch der von Kopenhagen aus angeregte Gedanke, gereiftere Studenten als Lehrer an den populärwissenschaftlichen Kursen zu beteiligen, fand unter Hinweis auf die Versuche in Kopenhagen, Brüssel, Berlin, Breslau etc. den Beifall der Versammlung. Inzwischen gewinnt die Bewegung von Jahr zu Jahr an Ausdehnung und Kraft. Verwandte Unternehmen, wie in Berlin die Humboldtakademie (1879), die Urania (1890), Volksbildungsvereine etc., schließen sich ihr an. Größere Städte, wie besonders Hamburg und Frankfurt a. M., haben mit Hilfe reicher Stiftungen das Vortragswesen, für das sich fast überall ältere Anknüpfungen ergaben, neu und wirksam geordnet. Bei der durchaus gesunden Mannigfaltigkeit und dem beständigen Vorwärtsdrängen auf dem ganzen Gebiete sind genauere statistische Angaben für den Moment ausgeschlossen. Vgl. Rosendal, Danmarks Folkehöjskoler og Landbrugsskoler 1844–1894 (Odense 1894); Roberts, Eighteen years of University-Extension (Cambridge 1891); »The University-Extension Journal« (Lond., seit 1890) 7 »The University-Extension Congress« (das. 1894); J. Russell, Die Volkshochschulen in England und Amerika (deutsch von Beyer, Leipz. 1895); Reyer, Handbuch des Volksbildungswesens (Stuttg. 1896); Natorp, Über volkstümliche Universitätskurse (Münch. 1897); Ernst Schultze, Volkshochschulen (Leipz. 1897); Lembke, Die dänische Volkshochschule (Kiel 1904); »Hochschulnachrichten« (hrsg. von v. Salvisberg, Münch., seit 1890); »Monatshefte der Comenius-Gesellschaft« und »Comenius-Blätter« (hrsg. von L. Keller, Berl., seit 1891).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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