- Spezifische Wärme
Spezifische Wärme (Wärmekapazität), die Wärmemenge, die 1 kg eines Körpers bedarf, um sich um 1° zu erwärmen. Gleiche Massen verschiedener Stoffe erfordern für die gleiche Temperaturerhöhung einen sehr ungleichen Aufwand von Wärme. Sucht man z. B. 1 kg Wasser und 1 kg Quecksilber von 0 auf 100° zu erwärmen, so erreicht bei gleicher Wärmezufuhr das Quecksilber viel rascher die gewünschte Temperatur als das Wasser. Alle Verfahrungsarten zur Ermittelung der spezifischen Wärme der Körper beruhen auf der Bestimmung der beim Erkalten abgegebenen Wärmemenge. Als Einheit der Wärmemenge oder Wärmeeinheit (Kalorie) gilt diejenige Wärmemenge, die erforderlich ist, um 1 kg Wasser um 1° zu erwärmen, oder, was dasselbe ist, man hat die s. W. des Wassers = 1 angenommen. Vorrichtungen zur Messung von Wärmemengen nennt man Kalorimeter (s. d.). Zur Bestimmung der spezifischen Wärme eines Körpers nach dem Schmelzverfahren benutzt man das Eiskalorimeter und ermittelt, wieviel Eis von 0° durch ein bestimmtes Gewicht der zu untersuchenden auf bestimmte Temperatur erwärmten Substanz in Wasser verwandelt wird. Da man weiß, daß zur Schmelzung von 1 kg Eis 80 Wärmeeinheiten erfordert werden, so kann man leicht die Wärmemenge berechnen, die jener Körper bei seinem Erkalten abgegeben hat, und erfährt sonach auch die Wärmemenge, die er für 1 kg und für 1° enthielt, d. h. seine s. W. Bei dem Dampfkalorimeter wird in analoger Weise die Verdampfung einer Flüssigkeit benutzt.
Vermischt man 1 kg Wasser von 10° mit 1 kg Wasser von 50°, so zeigt die Mischung, wenn alle Wärmeverluste vermieden wurden, die mittlere Temperatur von 30°. Mischt man dagegen 1 kg Wasser von 10° mit 1 kg Terpentinöl von 60°, so zeigt das Gemisch nur etwa 24°. Um die 14 Wärmeeinheiten zu liefern, die zur Erwärmung des einen Kilogramms Wasser von 10 auf 24° erforderlich waren, mußte also das Kilogramm Terpentinöl um 36° erkalten. Zur Erwärmung von 1 kg Terpentinöl um 1° sind daher 14/36 oder 0,4 Wärmeeinheiten erforderlich, oder 0,4 ist die s. W. des Terpentinöls. Auch für dieses Mischungsverfahren sind besondere Kalorimeter konstruiert worden. Da die von einem elektrischen Strom von i Ampere in einem Draht, an dessen Enden die Spannung e Volt herrscht, in 1 Sekunde entwickelte Wärme e.i/4189 Kalorien beträgt, kann durch Beobachtung. um wieviel Grade sich die Temperatur z. B. von 1 kg einer Flüssigkeit in 1 Sekunde erhöht, wenn der Draht in dieselbe eingesenkt wird, leicht deren s. W. ermittelt werden. Hierauf beruht der elektrische (Strom-)Kalorimeter.
Das besonders von Dulong und Petit angewendete Abkühlungsverfahren gründet sich auk den Satz, daß ein erwärmter Körper im luftleeren Raum, wo er nur durch Wärmestrahlung sich abkühlen kann, unter sonst gleichen äußern Umständen um so langsamer erkaltet, eine je größere Wärmemenge er enthält; bei gleicher Temperaturerniedrigung verhalten sich hiernach die von verschiedenen Körpern abgegebenen Wärmemengen wie die Abkühlungszeiten.
Die spezifischen Wärmen der Körper nehmen mit höherer Temperatur zu, indem sie sich einem festen Endwert nähern; zwischen 0 und 100° ist indessen die Änderung so gering, daß man die s. W. innerhalb dieser Grenzen als unveränderlich betrachten kann. Die spezifischen Wärmen einiger fester Grundstoffe sind:
und diejenigen einiger Flüssigkeiten:
Die s. W. des Eises ist 0,505.
Dulong und Petit entdeckten das wichtige Gesetz, daß die spezifischen Wärmen der festen chemischen Elemente (Grundstoffe) sich umgekehrt verhalten wie ihre Atomgewichte, so daß das Produkt aus Atomgewicht und spezifischer Wärme für alle diese Körper unveränderlich das nämliche und zwar nahezu gleich 6,4 ist. Das Dulong-Petitsche Gesetz läßt sich sonach auch folgendermaßen aussprechen: die durch die Atomgewichte ausgedrückten Mengen der festen Elemente bedürfen zu gleicher Temperaturerhöhung gleichgroßer Wärmemengen, oder: die Atomwärmen der Grundstoffe sind gleich. Neumann wies nach, daß auch die spezifischen Wärmen chemischer Verbindungen von ähnlicher Zusammensetzung im umgekehrten Verhältnis der Atomgewichte stehen, und Kopp stellte den Satz auf, daß die Molekularwärme einer chemischen Verbindung gleich der Summe der Atomwärmen ihrer Elemente sei. Die luftförmigen Körper bedürfen zur Erwärmung gleicher Raumteile auch gleicher Wärmemengen; und da nach dem Gesetz von Avogadro alle Gase bei gleichem Druck und gleicher Temperatur in gleichen Raumteilen gleich viele Moleküle enthalten, so folgt, daß alle Gase gleiche Molekularwärme haben. Diese Gesetze gelten indes nur annähernd.
Eine gegebene Gewichtsmenge eines Gases verbraucht bei gleicher Temperaturerhöhung eine größere Wärmemenge, wenn sie bei gleichbleibendem Druck sich ausdehnt, als wenn sie unter Steigerung des Druckes ihren Rauminhalt unverändert beibehält, d. h. die s. W. bei konstantem (unverändertem) Druck ist größer als diejenige bei konstantem Volumen; für atmosphärische Luft beträgt jene 0,2377, diese 0,1686. Für die meisten Gase ist das Verhältnis der spezifischen Wärme bei konstantem Druck zu derjenigen bei konstantem Volumen das gleiche, nämlich = 1,41, für Kohlensäure 1,29, für einatomige Gase (z. B. Hg) 1,66. Vgl. Wärme.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.