- Rotz [1]
Rotz, die gefährlichste Seuche des Pferdegeschlechts, von Aristoteles μᾱλιϚ; von Vegetius malleus genannt (daher Maliasmus). R. verbreitet sich nur durch Ansteckung (auch durch Zwischenträger), ist übrigens auch für den Menschen sehr gefährlich, ferner auf Katzen (Hunde, Ziegen, Kamele, Kaninchen) und namentlich sicher auf Meerschweinchen übertragbar. Probeimpfung eines Meerschweinchens dient in Zweifelsfällen zur sichern Feststellung des Rotzes. Der von Löffler 1886 entdeckte Rotzbazillus bewirkt im Körper die Bildung spezifischer sogen. Rotzknoten, aus deren Zerfall Geschwüre entstehen. Die Rotzknoten etc. können sich entwickeln in der Schleimhaut der Atmungswege und in den Lungen, in den Lymphdrüsen und Lymphgefäßen, in den Nieren und Hoden, der Milz und Leber, ferner in den Knochen, den Muskeln und der Haut. Bei der weitaus häufigsten Erkrankung der Respirationsorgane besteht in der Regel ein leichter Nasenausfluß (daher die Bezeichnung als R.); daneben zeigen die zwischen den Unterkieferästen gelegenen Lymphdrüsen eine harte, schmerzlose Schwellung (im Gegensatz zu ihrer schmerzhaften, weichen und bald vereiternden Schwellung bei der Druse). Die in der Schleimhaut der Nase und Luftröhre entstehenden Rotzknoten und Geschwüre (Nasenrotz) können unter Bildung strahliger Narben abheilen, ohne daß dabei die Krankheit selbst zu Ende käme. Daneben entstehen vielmehr in der Regel Rotzherde in den Lungen (Lungenrotz), anfangs kleinste Knötchen. später auch größere Geschwülste (Rotzgewächse). Die Erkrankung der andern innern Organe und der Knochen tritt nur sekundär im Gefolge des Rotzes der Atmungsorgane auf. Dagegen kann primär und überhaupt ohne Mitbeteiligung der Atmungsorgane die Haut erkranken. Dieser Hautrotz (früher Hautwurm oder Wurm genannt und irrtümlich für eine besondere Krankheit gehalten) erzeugt Knoten und tiefgehende Geschwüre in der Haut, die sich über den ganzen Körper verbreiten können. Von den Geschwüren aus verlaufen (charakteristisch) die geschwollenen Lymphgefäße wie Stränge unter der Haut, und in ihrem Verlauf bilden sich perlschnurähnlich neue Knoten und Geschwüre. An den Füßen entsteht neben Geschwüren oft unförmliche Verdickung (Elefantiasis). Hautrotz bedingt gewöhnlich raschen Tod. Dagegen verläuft R. in den Atmungsorganen sehr häufig chronisch und kann jahrelang bestehen, ohne daß Krankheitserscheinungen hervortreten (okkulter R.), bis das Pferd unter Atembeschwerde und Abmagerung mehr und mehr herunterkommt und zugrunde geht. Solche unerkannten rotzigen Pferde sind besonders gefährliche Rotzverbreiter; bei den von ihnen angesteckten Pferden wird der R. oft eher sichtbar als bei jenen. Der R. ist unheilbar, die sofortige Tötung der rotzkranken Pferde ist, um der Gefahr der Verschleppung des Rotzes für gesunde Pferde und namentlich auch für Menschen vorzubeugen, gesetzlich vorgeschrieben. Jeder Pferdebesitzer ist verpflichtet, verdächtige Erscheinungen (an Nase, Drüsen, Haut, s. oben) anzuzeigen. Danach wird der ganze Pferdebestand amtstierärztlich untersucht, die kranken werden getötet und die Kadaver sorgfältig beseitigt, die übrigen Pferde gelten als (der Seuche oder doch der Ansteckung) verdächtig, werden bestimmten Sperrmaßregeln und einer 6–9monatigen Beobachtung unterworfen. Die Pferdebesitzer bilden innerhalb jeder Provinz etc. einen Zwangsversicherungsverband, der für die getöteten Tiere drei Viertel des Wertes entschädigt. In einem größern Pferdebestand alle bereits rotzkranken sicher und bald zu ermitteln, ist für die Tilgung des Rotzes sehr wesentlich. Da die Krankheitssymptome oft lange Zeit zweifelhaft bleiben und man die Tötung gesunder Pferde natürlich möglichst vermeiden will, so sucht man nach diagnostischen Hilfsmitteln. Als solches wird das Malleïn (s. d.) gebraucht und neuerdings das Agglutinationsverfahren, das auf folgendem Prinzip beruht. Bringt man Rotzbazillen ins Blut (Serum) rotzkranker Pferde, so werden die Rotzbazillen zu einem klebrigen, flockigen Bodensatz agglutiniert, im Blut gesunder Pferde aber nicht. Versetzt man also das Blutserum des zu untersuchenden Pferdes mit Rotzbazillen und bildet sich der Bodensatz, so wird auf R. geschlossen; bleibt das Blutserum aber klar, so besteht wahrscheinlich kein R. Die energische Bekämpfung des Rotzes durch das Viehseuchengesetz von 1880 hat in Deutschland große Erfolge erzielt. Während in den Jahren 1880–83 allein in Preußen jährlich 1940 Pferde wegen R. getötet werden mußten, betrug die Zahl 1884–86 nur noch je 1000 und 1905 nur noch 456, in ganz Deutschland nur 509. Die östlichen Provinzen Preußens beherbergen infolge des starken Pferdeverkehrs mit Rußland noch den meisten R.-Über den in Frankreich vorkommenden Hautwurm der Ochsen etc. vgl. Hautkrankheiten, S. 3. Über den Pseudorotz s. d.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.