- Prozeßvollmacht
Prozeßvollmacht heißt die Vollmacht, durch die jemand zur Durchführung eines Rechtsstreites namens einer Partei ermächtigt wird, ferner die jene Machtbefugnis übertragende Urkunde. Nach der deutschen Zivilprozeßordnung (§ 80 ff.) hat der Prozeßbevollmächtigte (s. d.) eine schriftliche Vollmacht vorzulegen und sie zu den Gerichtsakten abzugeben. Ist diese P. eine Privaturkunde, so kann der Gegner die gerichtliche oder notarielle Beglaubigung verlangen. Das Gericht kann einstweilen einen Parteivertreter auch ohne Vollmacht zulassen; doch ist dann eine Frist zum Nachbringen der P. zu setzen, nach deren Ablauf erst das Endurteil erlassen werden darf. Die P. ermächtigt nach § 81 zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozeßhandlungen, einschließlich derjenigen, die durch eine Widerklage, eine Wiederaufnahme des Verfahrens und die Zwangsvollstreckung veranlaßt werden; ferner zur Bestellung eines Vertreters sowie eines Bevollmächtigten für die höhern Instanzen; zur Beseitigung des Rechtsstreites durch Vergleich, Verzichtleistung auf den Streitgegenstand oder Anerkennung des von dem Gegner geltend gemachten Anspruchs; endlich zur Empfangnahme der von dem Gegner zu erstatten den Kosten. Eine Beschränkung dieses gesetzlichen Umfanges der P. hat nach § 83 dem Prozeßgegner gegenüber nur insoweit rechtliche Wirkung, als sie die Beseitigung des Rechtsstreites durch Vergleich, Verzicht und Anerkennung des gegenteiligen Rechtsanspruchs betrifft. Die P. wird weder durch den Tod des Vollmachtgebers noch durch eine Veränderung in betreff seiner Prozeßfähigkeit oder seiner gesetzlichen Vertretung aufgehoben. Der Bevollmächtigte hat jedoch, wenn er nach Aussetzung des Rechtsstreites für den Nachfolger im Prozeß auftritt, eine P. des letztern beizubringen. Die P. endigt durch Kündigung, dem Prozeßgegner gegenüber aber erst durch die Anzeige von diesem Erlöschen der P. und im Anwaltsprozeß überdies erst durch die Anzeige von der Bestellung eines andern Anwalts. Ähnliche Bestimmungen enthält die österreichische Zivilprozeßordnung in den § 30–32,35,36 und 38. Der Prozeßbevollmächtigte ist danach nicht zur Bestellung eines Vertreters sowie eines Bevollmächtigten für die höhern Instanzen befugt; wohl aber kann ein Advokat die ihm erteilte P. für einzelne Akte oder Abschnitte des Verfahrens einem andern Advokaten übertragen. Die Übertragung der P. wird auch Substitution genannt. Der Unterbevollmächtigte wird dann wohl als Substitat, seine Vollmacht als Substitutionsvollmacht bezeichnet.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.