Wiederaufnahme des Verfahrens

Wiederaufnahme des Verfahrens

Wiederaufnahme des Verfahrens, die nochmalige Verhandlung einer durch rechtskräftiges Urteil erledigten Sache zum Zweck der Aufhebung dieses Urteils. Nach der deutschen Strafprozeßordnung (§ 399–413) kann eine W. dann erfolgen, wenn der freigesprochene Angeklagte nachträglich vor Gericht oder außergerichtlich ein glaubwürdiges Geständnis der strafbaren Handlung ablegt, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, welche die Freisprechung des Angeklagten oder doch in Anwendung eines mildern Strafgesetzes eine geringere Bestrafung desselben zu begründen geeignet sind, oder wenn ein zivilgerichtliches, dem Strafurteil zugrunde liegendes, Urteil durch ein andres rechtskräftig gewordenes Urteil wieder aufgehoben worden ist. Ferner findet die W. statt, wenn eine in der Hauptverhandlung gegen oder für den Angeschuldigten als echt vorgebrachte Urkunde fälschlich angefertigt oder verfälscht war, wenn ein Zeuge oder Sachverständiger sich durch Beeidigung eines gegen oder für den Angeklagten abgelegten Zeugnisses oder abgegebenen Gutachtens einer Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht, oder wenn bei dem Urteil ein Richter, Geschworner oder Schöffe mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf die Sache eine Verletzung seiner Amtspflichten hatte zuschulden kommen lassen. Ein Antrag auf W. hat nur auf Grund besondern Gerichtsbeschlusses den Aufschub der Strafvollstreckung zur Folge. Für die Entschädigung der durch W. Freigesprochenen gilt das Gesetz vom 20. Mai 1898. Nach der österreichischen Strafprozeßordnung (§ 353, 356) kann von dem Verurteilten W. dann begehrt werden, wenn wegen derselben Tat zwei oder mehrere Personen durch verschiedene Erkenntnisse verurteilt worden sind und bei Vergleichung dieser Erkenntnisse und der ihnen zugrunde liegenden Tatsachen die Nichtschuld einer oder mehrerer Personen notwendig anzunehmen ist. Auch ist W. zulässig, um zu bewirken, daß eine Handlung, wegen deren der Angeklagte verurteilt wurde, nach einem strengern Strafgesetz verurteilt werde, wenn das verübte Verbrechen mit Todes- oder lebenslänglicher Kerkerstrafe bedroht ist, während nach dem dem Urteile zugrunde gelegten Strafsatze nur auf eine zeitliche Kerkerstrafe erkannt werden konnte, wenn wenigstens zehnjährige Kerkerstrafe zu verhängen wäre, während die Bemessung der Strafe nach einem Strafsatze von höchstens 5 Jahren vorgenommen wurde, oder wenn sich die Tat als ein Verbrechen darstellt, die Verurteilung aber nur wegen eines Vergehens oder einer Übertretung stattfand. Nach der deutschen Zivilprozeßordnung (§ 578 bis 591) ist eine W. im Wege der Nichtigkeitsklage (s. d.) oder im Wege der Restitutionsklage (s. d.) mögl: ch. Diese beiden als Wiederaufnahmeklagen bezeichneten Klagen sind binnen einer Notfrist von einem Monat zu erheben; jede von ihnen leitet einen besondern Prozeß ein, das Verfahren ist zum Teil besonders geregelt. Wegen Wiederaufnahme des Konkursverfahrens (s. den besondern Artikel, S. 594). Nach der österreichischen Zivilprozeßordnung (§ 529–547) kann W. erfolgen auf Grund einer Nichtigkeitsklage gegen eine rechtskräftige Entscheidung sowie auf Grund einer Wiederaufnahmeklage, die auch einem noch nicht rechtskräftig gewordenen Urteile gegenüber erhoben werden kann. Die Wiederaufnahmeklage ist außer den Fällen, in denen die Restitutionsklage nach § 580 der deutschen Zivilprozeßordnung statthaft ist, noch in weitern Fällen zulässig, namentlich wenn neue oder der Partei mit Unrecht entzogene Beweismittel geltend gemacht werden sollen.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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