Nautische Instrumente

Nautische Instrumente

Nautische Instrumente (hierzu die gleichnamige Tafel I u. II), alle zur Schiffahrt erforderlichen Instrumente für die Bestimmung des geographischen Ortes von Schiffen, für die Wetterbeobachtung, Tiefen-, Zeit- und Fahrtmessung, wie Kompaß, Sextant, Oktant, Chronometer, Log, Lot, Thermometer, Barometer, Fernrohr etc. Die Entwickelung der überseeischen Schiffahrt steht im engsten Zusammenhang mit der Erfindung und Verbesserung der nautischen Instrumente. Vor der Erfindung des Kompasses fanden nur ganz vereinzelt größere Hochseefahrten statt; die Seefahrt bestand bis dahin fast ausschließlich aus Küstenfahrt, oder aus kurzen Überfahrten von einer Insel zur andern. Da die Fahrt an unbekannten Küsten große Vorsicht forderte, war schon im Altertum das Lot zum Messen der Wassertiefe im Gebrauch. Die griechischen Thalassometer (Lotgäste) benutzten mit Blei beschwerte Stangen mit Maßstab zum Auspeilen der Tiefe, ähnlich wie die heute noch üblichen Peilstangen. Zum Messen des zurückgelegten Weges sollen die Römer ein Hodometer benutzt haben, außen am Schiff befestigtes Schaufelrad, das sich im Wasser drehte und bei jeder Umdrehung einen Kieselstein aus einer Trommel fallen ließ; die Zahl der Steine ergab die Weglänge.

Die Richtkraft der Magnetnadel blieb in Europa bis zum 12. Jahrh. unbekannt, während doch die Anziehungskraft des Magneten schon im Altertum bekannt war. Erst die Verwendung der Magnetnadel in der Form des Schiffskompasses (s. Kompaß) ermöglichte es, daß die Schiffe fortan genau ihre Kurse steuern und für die Ortsveränderung in Rechnung ziehen konnten. Der eigentliche Schiffskompaß, bei dem die Magnetnadel an der drehbaren Strichrose befestigt war, stammt aus dem Anfang des 14. Jahrh.; er war mit dem Schiffskörper durch ein Gehäuse verbunden, so daß bei jeder Drehung des Schiffes der Steuerstrich im Kompaßgehäuse mit einem andern Striche der Strichrose übereinstimmte, weil der Nordpunkt der Strichrose wegen der unter und mit ihr drehbaren Magnetnadel stets nach dem magnetischen Nordpol gerichtet blieb. Die Winkelgröße, um die das Schiff sich um die Kompaßrose drehte, konnte fortan genau durch die Beobachtung der scheinbaren Drehung der Kompaßrose am Steuerstrich des Kompasses gemessen werden. Der Kompaß gewährte also erstens das Mittel, genau eine bestimmte Richtung auf offener See auch bei Nacht und Nebel innezuhalten; ferner gewährte er aber auch ein wichtiges Mittel zur Herstellung der ersten Seekarten, wobei anfangs die Entfernungen zwischen Abfahrts- und Ankunftspunkt nur geschätzt wurden. Da die Seefahrer des Mittelalters im Schätzen der versegelten Entfernungen, also auch im Bestimmen der Schiffsgeschwindigkeit sehr geübt waren, waren die zuerst in Italien hergestellten loxodromischen Seekarten überraschend genau und leisteten lange Zeit die besten Dienste bei den Mittelmeerfahrten. Für Seefahrer, die mit einer solchen loxodromischen Karte ausgerüstet waren, diente der Kompaß schließlich auch schon, wie heutzutage, zur Bestimmung des Schiffsortes in Sicht von Land; durch Kreuzpeilungen von mehreren Landmarken konnte man feststellen, wie groß der Abstand vom Lande war, und auf welchem Punkte der Karte man sich befand. Außerdem aber benutzte man den Kompaß noch in besonderer Weise, als Äquinoktialkompaß zur Bestimmung der Hafenzeit, d.h. der Hochwasserzeit eines Hafens mit Ebbe und Flut an den Tagen des Neu- und Vollmondes. Der älteste Vorschlag, die Schiffsgeschwindigkeit nach der Zeit zu bestimmen, in der das Schiff an einem kleinen über Bord geworfenen Gegenstand vorbeiläuft, stammt vom Kardinal Nikolaus Cusanus aus der ersten Hälfte des 15. Jahrh. Das gewöhnliche Log ist zuerst von William Bourne 1577 beschrieben worden, und zwar ganz in der noch jetzt üblichen Weise; nur ist die Teilung der Leine und des Logglases erst genau geworden, seit man durch genaue Gradmessungen die Länge der Seemeile hat genau bestimmen können. Breusing hat nachgewiesen, daß die Ansicht Humboldts, das Log sei schon bei der Magalhãesschen Erdumsegelung bekannt und im Gebrauch gewesen, irrtümlich ist; denn die von Pigafetta in der Beschreibung dieser ersten Rundreise erwähnte Catena a poppa war nur eine am Heck treibende Leine, die zur Bestimmung der Abtrift diente. Aus dem gewöhnlichen Log entwickelte sich erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrh. das Patentlog; Fig. 5 auf Tafel I zeigt ein deutsches Patentlog neuer Art, wie es auf vielen großen Seeschiffen als einziger Fahrtmesser im Gebrauch ist. Das Gehäuse mit dem Uhrwerk wird auf der Reling am Heck befestigt und schleppt den Flügel an 66 m langer Leine hinter sich; vor dem Flügel ist die Leine mit einem Gewicht beschwert, damit der Flügel sich stets unter Wasser hält. Auch das Lot hat seine einfache Form nur noch auf kleinen Schiffen beibehalten; Hochseedampfer benutzen fast ausschließlich die Lotmaschine (Tafel I, Fig. 7), an deren Lotgewicht eine oben geschlossene, unten offene Glasröhre in einer Blechhülse befestigt wird, in die durch eine Kapillarröhre beim Loten je nach dem Druck der Wassertiefe mehr oder weniger Wasser eintritt. Wenn das Lot wieder vom Grunde herausgeholt wird, erkennt man die gelotete Tiefe an der Menge des eingedrungenen Wassers. Die Röhre (Fig. 8) ist mit einem Tiefenmaßstab versehen, an dem man sofort die Wassertiefe ablesen kann. Dann wird durch ein Ventil am untern Ende der Röhre das eingedrungene Wasser abgelassen, worauf das Lot wieder gebrauchsfähig ist. Die Lotmaschine ist brauchbar für Wassertiefen bis zu 200 m und hat gegen die alten Handlote mit Leinen den großen Vorteil, daß die Schiffe während des Lotens ihre Fahrt nicht zu stoppen brauchen.

Die neuern Formen des Kompasses sind unter »Kompaß« ausführlich beschrieben. Tafel II, Fig. 1 und 4, zeigt den in der deutschen Marine gebräuchlichen Bambergschen Fluidkompaß, dessen Hauptvorzug in guter Einstellungsfähigkeit besteht; bei ihm schwimmt die Kompaßrose in einem mit verdünntem Alkohol gefüllten Kessel, drückt infolgedessen mit höchstens 15–20 g Gewicht auf die Pinne, wodurch diese nur sehr allmählich abgenutzt wird. Außerdem erreicht man im Fluidkompaß verhältnismäßig große Ruhe der Rose bei starken Schiffsbewegungen, die trotz der kardanischen Aufhängung der Kompaßkessel die Rosen der sogen. Trockenkompasse doch leicht unruhig, also schwer zum Steuern benutzbar machen. Außerdem kann man der Rose des Fluidkompasses viel stärkeres magnetisches Moment, also größere Richtkraft geben als den Trockenkompassen, weil die mit Schwimmer versehene Rose des Fluidkompasses imstande ist, schwerere, also auch stärkere Magnetstäbe zu tragen. Ihrer großen Vorzüge wegen sind deshalb Fluidkompasse neuerdings sowohl auf Kriegs-als Handelsschiffen sehr beliebt. Fig. 1 zeigt unter Glasdeckel die Rose des Fluidkompasses, wie auch das ganze Instrument, wobei man die kardanische Aufhängung an dem äußern Ring erkennen kann. Der Kompaß trägt eine Peilvorrichtung, ist also auch als Peilkompaß zu verwenden. Fig. 4 zeigt das in der Marine übliche Bambergsche Peilkompaßhaus aus Messing, mit einer Glashaube über dem Kompaß zum Schutz gegen Witterungseinflüsse; die Glashaube hat oben ebenfalls eine Peilvorrichtung, die dazu dient, ungefähre Peilungen bei ruhig liegendem Schiff vornehmen zu können, ohne den Glasaufsatz zu entfernen. Aber trotzdem ist der Glasdeckel des Kompasses genau wie bei Fig. 1 mit einer besondern Peilvorrichtung versehen. Die Tür im Fuße des Kompaßhauses zeigt die Anordnung der Kompensationsmagnete, die dazu dienen, die Deviation des Kompasses möglichst klein zu machen. Neben dem Kompaßhaus sieht man eine Nachtkappe zum Abblenden des Kompasses, die durch zwei Petroleumlaternen den Kompaß beleuchtet, ohne daß ein Lichtschimmer nach außen dringt; durch einen Schieber an der Nachtkappe kann der Wachthabende den Kompaß beobachten. Zur Nachtkappe gehört noch eine Schutzkappe für den obern Peilapparat. Alle Teile des Kompaßhauses, der Laterne etc. müssen aus unmagnetisierbarem Messing gefertigt sein. Der Fuß des Kompaßhauses wird durch einen Messingschuh fest mit dem Deck durch Schrauben verbunden. Fig. 5 zeigt einen Steuer- und Peilkompaß im Nachthaus, wie er auf den Kommandobrücken vieler deutschen Handelsdampfer üblich ist. Das Kompaßhaus besteht aus Eichen- oder Mahagoniholz mit Messingbeschlägen; es wird durch messingene Stangen mit Spannschrauben an den Decksbalken befestigt. Oben, wo im Innern des Nachthauses der Kompaß (meist auch Fluidkompaß oder Kompaß mit Hechelmanns Seidenfädenrose) kardanisch aufgehängt ist, sind rechtwinklig zur Kielrichtung auf Messingträgern zwei kurze Rohrstücke aus weichem, leicht magnetisch induzierbarem Schmiedeeisen befestigt, die dazu dienen, bei ungünstiger Ausstellung des Kompasses in der Nähe von Eisenteilen des Schiffes die durch die Eisenverteilung der Schiffsumgebung geschwächte Richtkraft der Kompaßrose wieder zu stärken. Bei den Steuerkompassen in den Ruderhäusern der Dampfer braucht man dazu Röhren von 8 cm Durchmesser und 20–30 cm Länge. Das in Fig. 5 über den Kompaß gesetzte Messinggehäuse schützt den Kompaß und seine Peilvorrichtung gegen die Witterung und wird ebenfalls durch zwei Petroleumlaternen erleuchtet. Der flache Messingdeckel im Gehäuse hat ein rundes Guckloch, um nachts den Kompaß zu beobachten; wenn man den Deckel öffnet, hat die ganze Kappe auch bei Tage genug Licht und ist hinten (unter dem aufklappbaren Messingdeckel) noch mit einer Glasscheibe geschlossen. Das hölzerne Kompaßhaus ist innen hohl und mit Magnetträgern ähnlich wie Fig. 4 ausgerüstet.

Fig. 2 u. 3 der Tafel II, das Inklinatorium und Deklinatorium des Deviationsmagnetometers nach Neumayer (s. Magnetometer), dienen zur relativen Bestimmung der vertikalen und horizontalen Komponente der Intensität des Erdmagnetismus, besonders in Verbindung mit Deviationsbestimmungen an Bord eines Schiffes. Auch kann man mit beiden Apparaten mit genügender Genauigkeit für nautische Zwecke die magnetische Inklination und Deklination (Mißweisung) an jedem Orte der Erde beobachten und berechnen. Deshalb werden beide Instrumente auch von Forschungsreisenden gern benutzt. Das Deviationsmagnetometer wird am Land auf einem dreibeinigen Stativ benutzt, an Bord kann es auf oder in dem Kessel eines zu untersuchenden Kompasses aufgestellt werden.

Die ersten nautischen Instrumente zu astronomischen Ortsbestimmungen auf See finden sich erst im 13. Jahrh.; Raimundus Lullus berichtet zuerst über den Gebrauch des Astrolabiums, das bei den Seeleuten bedeutend einfacher gestaltet war als bei den Astronomen; später wurde daraus ein Seering ohne Alhidade, der am obern Rand ein kegelförmiges Loch für die Sonnenstrahlen hatte. Astrolabium und Seering waren nur bei hellem Sonnenschein brauchbar. Um die Sonne auch beobachten zu können, wenn sie als helle Scheibe durch Wolken sichtbar war, und um Sternhöhen messen zu können, benutzte man den Quadranten, der mit Hilfe eines Lotes genauere Höhenmessung durch direktes Anvisieren des Gestirns gestattete. Aber der Jakobsstab verdrängte die ältern Instrumente schnell. Um genauere Breitenbestimmungen zu machen, waren die portugiesischen Seefahrer bisher jedesmal gelandet und hatten ihre Astrolabien an einem Gestell aus Pfählen zur Beobachtung der Meridianhöhe der Sonne aufgehängt. Der Jakobsstab oder Gradstock war schon im Mittelalter bekannt, wurde aber zuerst von Regiomontanus beschrieben und empfohlen. Martin Behaim führte den Jakobs stab bei den portugiesischen Seeleuten ein, auch brachte er ihnen die Regiomontanischen Ephemeriden, die bedeutend genauer die Berechnung der geographischen Breite ermöglichten als die bis dahin gebräuchlichen Alfonsinischen Tafeln. Der Gradstock war fast drei Jahrhunderte das wichtigste nautisch-astronomische Instrument. Die Unsicherheit bei Messungen mit dem Gradstock betrug etwa 0,5 Grad. Doch bürgerte sich im 17. Jahrh. neben dem Gradstock noch der Davisquadrant ein, erfunden von John Davis, von ihm Englischer Quadrant, auch backstaff benannt (Tafel I, Fig. 1). Beim Beobachten mit diesem Instrument drehte man der Sonne den Rücken zu und visierte durch die Öffnung in dem Schieber auf dem großen Kreisausschnitt und durch den Schlitz an der Spitze des Instruments nach dem Horizont. Den Schieber auf dem kleinen Kreisausschnitt stellte man vorher ungefähr auf die Höhe der Sonne ein. Dann verschob man den erstgenannten Schieber so lange, bis das Sonnenbild neben dem auf den Horizont gerichteten Schlitz sichtbar war. Trotz des Vorzugs, daß der Davisquadrant die Augen schonte, konnte er den Grad st ock nicht verdrängen. Noch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh., als der Spiegeloktant schon längst erfunden war, wurden Jakobsstäbe als n. J. gefertigt und benutzt. Aus dem 1731 von John Hadley erfundenen Spiegeloktanten (Tafel I, Fig. 2) entwickelte sich das wichtigste nautisch astronomische Instrument der Gegenwart, der Sextant (s. Spiegelsextant), von dem Fig. 3 eine besonders bewährte Form ist. Zu feinern Winkelmessungen auf See und, am Stativ befestigt, auch am Lande dient der Spiegelprismenkreis (Fig. 4). Sextanten und Oktanten werden zur Messung von Höhenwinkeln der Gestirne über dem Seehorizont benutzt; um bei nebligem Wetter, wenn die Kimm (der freie Seehorizont) nicht scharf sichtbar ist, doch mit genügender Genauigkeit Höhenwinkel zu messen, hat Butenschön einen zweckmäßigen Libellenquadranten (Tafel I, Fig. 6) erfunden, bei dem das Fernrohr fest mit der Kreisteilung verbunden ist, während auf der drehbaren Alhidade eine Libelle befestigt ist. Im Fernrohr ist ein durchlochter Spiegel angebracht, in dem die Blase der Libelle sich spiegelt, wenn man die Libelle wagerecht stellt, während das Fernrohr nach dem Gestirn gerichtet ist. Bei der Winkelmessung muß das Fadenkreuz im Fernrohr das Spiegelbild der Libellenblase halbieren. N. J. zur Längenbestimmung sind außerdem die Chronometer. Vgl. »Handbuch der nautischen Instrumente« (hrsg. vom Hydrographischen Amt des Reichsmarineamtes, 2. Aufl., Berl. 1890); Guyon, Manuel des instruments nautiques (Par. 1899); weitere Literatur s. Navigation.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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