- Magensaft
Magensaft, Absonderungsprodukt der Labdrüsen der Magenschleimhaut, eine farblose, klare oder etwas getrübte Flüssigkeit von stark saurer Reaktion, enthält außer gewissen anorganischen Salzen und etwa 98 Proz. Wasser vor allem Pepsin und Salzsäure. Das Pepsin ist ein Enzym und vermag in saurer Lösung eine fast unbegrenzte Menge von Eiweiß zu verdauen. Die Salzsäure ist in Mengen von 0,1–0,4 Proz. im M. enthalten. Die Absonderung des Magensaftes stockt im nüchternen Zustand und wird durch die Einführung von Nahrungsmitteln angeregt. Schon die Aufnahme von Speisen in die Mundhöhle, ja sogar der Geruch und der Anblick begehrenswerten Futters regt bei Tieren die Magensaftsekretion an. Dabei machen sich Einflüsse des Nervensystems, besonders des Nervus vagus, geltend. Wenn man Hunden, die eine dem entstehenden Magensafte zum Abfluß dienende Magenfistel tragen, auch eine Speiseröhrenfistel anlegt, durch die alle ihnen gereichte und verschluckte Nahrung austritt, ohne in den Magen hineinzugelangen, so kann man nach Pawlow an solchen Tieren, die natürlich für gewöhnlich von der Magenfistel aus ernährt werden müssen, Scheinfütterungen vornehmen, die von mächtigem Einfluß auf die Magensaftabsonderung sind. Manche Tiere fressen auf diese Weise 5–6 Stunden lang, natürlich ohne jemals satt zu werden, und dabei sondern sie, obwohl die Speise in den Magen gar nicht hineingelangt, enorme Mengen von M. ab. Nach Durchschneidung der Vagusnerven ist dagegen die Scheinfütterung wirkungslos. Die Nahrungsaufnahme an sich hat also, offenbar dadurch, daß dabei ein Verlangen nach Speise eintritt und durch den Genuß derselben befriedigt wird, eine lebhafte Erregung der Absonderungsnerven der Magendrüsen zur Folge, oder, wie man auch sagen kann: der Appetit ist ein starker, vermutlich der stärkste Erreger der Magensaftsekretion. Ohne seine Mithilfe kommt es überhaupt zu keiner erheblichen Absonderung. Bringt man nämlich den Tieren gewisse Speisen direkt durch die Fistel in den Magen hinein, und beobachtet man dabei die Vorsicht, sie dies nicht merken zu lassen, schließt man also die psychische Erregung aus, so tritt entweder gar keine Magensaftsekretion ein, oder es wird eine geringe Menge nur schwach wirksamen Saftes geliefert. Die Anfüllung des Magens allein ist also ohne oder fast ohne jede Wirkung. Aber neben dem psychischen Moment ist noch ein andres wirksam, nämlich die durch die chemische Beschaffenheit der Nahrung verursachte Erregung der Absonderungsnerven und damit der von diesen abhängigen Magendrüsen. Manche Stoffe, wie z. B. Milch, rohes Fleisch, besonders aber Fleischbrühe, Fleischextrakt etc., regen die Absonderung an, und zwar auch nach Durchschneidung der Vagusnerven. Es handelt sich dabei um einen vielleicht durch den Sympathikus vermittelten Absonderungsreflex. Die chemische Beschaffenheit der Nahrung kann sich aber auch in hemmender Weise wirksam zeigen, denn durch Fett und einige andre Stoffe wird die psychisch angeregte Absonderung beeinträchtigt. Die Bedeutung des Magensaftes für den Verdauungsvorgang beruht auf seiner Einwirkung auf die Eiweißkörper, die er löst und in Albumosen und Peptone verwandelt. Auch der Leim und die elastische Substanz wird durch ihn verändert; dagegen hat er auf Muein, Nukleïn und Hornsubstanz keinen Einfluß (Näheres s. Verdauung). Der M. enthält außer dem Pepsin noch ein andres Ferment, das Labenzym, das auch ohne Mitwirkung von Säuren Milch zur Gerinnung bringt (vgl. Lab). Künstlichen M., der Eiweißstoffe bei Körperwärme in ähnlicher Weise verdaut wie natürlicher M., erhält man durch Ausziehen von gut gewaschener und zerkleinerter Schleimhaut des Schweinemagens mit 0,2 Proz. Salzsäure. Einen Glyzerinauszug der Magenschleimhaut kann man Jahre hindurch unzersetzt aufbewahren, und es genügt der Zusatz weniger Tropfen desselben zu einer 0,2 proz. Salzsäure, um sofort einen sehr kräftigen künstlichen M. zu erhalten.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.