Arnoldscher Prozeß

Arnoldscher Prozeß

Arnoldscher Prozeß, ein merkwürdiges Beispiel der Kabinettsjustiz Friedrichs II. von Preußen. Der Müller Johann Arnold besaß die Krebsmühle bei Pommerzig in der Neumark, für die er dem Besitzer des Gutes, dem Grafen v. Schmettau, eine jährliche Erbpacht in Korn zu entrichten hatte. Als nun der Landrat v. Gersdorff, dem das oberhalb der Mühle gelegene Gut Kay gehörte, 1770 drei Karpfenteiche anlegte, erklärte Arnold, daß ihm das Wasser zur Mühle dadurch genommen werde, zahlte von 1773 an den Erbkanon nichtmehr und wies auch alle Vergleichsanerbietungen Schmettaus zurück. Da die Mühle jedoch fortwährend im Gange gewesen, also Wasser genug vorhanden war, wurde Arnold von Schmettau verklagt und 7. Sept. 1778 die Mühle im Rechtsweg versteigert. Jetzt wendete sich Arnold mit einer Beschwerde gegen Gersdorff an die Küstriner Regierung (d.h. das Landgericht) und, von dieser abgewiesen, mit einer Bittschrift an den König, der ihn 21. Aug. 1779 in Potsdam zu Protokoll vernehmen ließ und darauf die Küstriner Regierung beauftragte, einen Kommissar zu ernennen, der in Gemeinschaft mit dem Obersten v. Heucking in Züllichau die Sache von neuem untersuchen solle. Der Regierungskommissar Neumann berichtete, daß die Mühle genug Wasser habe, die Beschwerde Arnolds also unbegründet sei, während Heucking, auf die Aussage eines von der Küstriner Regierung fortgejagten Auditeurs hin, in einem besondern Berichte die Sache so darstellte, als sei der Müller durch Entziehung des Wassers außer stand gesetzt, den Erbzins zu zahlen. Der König glaubte dem letztern Bericht und ließ sich von seinem in dieser Zeit auch durch andre Vorfälle gereizten Mißtrauen gegen die Richter durch nichts mehr abbringen. Weder ein ausführliches Gutachten der Küstriner Regierung noch die Bestätigung ihrer Entscheidung durch das Kammergericht, an das die Sache 28. Nov. 1779 verwiesen worden war, das aber allerdings die ausführliche Begründung seines Spruches dem König nicht mitteilte, konnten Friedrich II. überzeugen, daß Arnold nicht Unrecht geschehen; er hielt alles für eine wissentliche Rechtsverdrehung zugunsten der Edelleute Gersdorff und Schmettau. Er ließ die drei an der Sentenz beteiligten Kammergerichtsräte Ransleben, Graun und Friedel 11. Dez. vor sich kommen und, da sie bei ihrer Meinung blieben, ins Gefängnis abführen; der Großkanzler v. Fürst erhielt seine ihm übrigens schon vorher in Aussicht gestellte Entlassung. Der König befahl darauf dem Staatsminister v. Zedlitz, für die strenge Bestrafung der Räte zu sorgen. Da sich dieser ebenso wie der Kriminalsenat des Kammergerichts dessen weigerte, verurteilte der König 1. Jan. 1780 zwei jener Räte, Graun und Friedel, und mehrere Mitglieder der Küstriner Regierung aus eigner Machtvollkommenheit zur Kassation, zu einjährigem Festungsarrest sowie zur Zahlung des von Arnold erlittenen Schadens und befahl, daß der Müller wieder in Besitz der Mühle gesetzt werde. Die Verurteilten blieben bis 5. Sept. 1780, bis sie Arnold entschädigt hatten, in Spandau und wurden nicht wieder angestellt. Erst nach Friedrichs Tode wurde das Verfahren revidiert, die Beamten für unschuldig erklärt und ihr Verlust ihnen ersetzt. Friedrich II. hatte 14. Dez. 1779 in der »Spenerschen Zeitung« das am 11. Dez. von ihm selbst aufgenommene Protokoll publizieren und den Justizkollegien die strengste Unparteilichkeit aufs schärfste anempfehlen lassen, da Prinz und Bauer, Bettler und König vor der Justiz gleich seien. So ungerecht Friedrichs Verfahren gegen die Beamten war, für die das Berliner Publikum offen Partei ergriff, so machte doch dieses so entschiedene Eintreten für die niedern Stände großes Aufsehen und verschaffte ihm im Auslande den Ruhm des gerechtesten Königs. Er selbst sah später ein, daß er getäuscht worden war, hielt aber ein abschreckendes Beispiel gegen die Großen dennoch für nötig. Übrigens gab der Fall den Anstoß zu der Beschleunigung der neuen Prozeßordnung, die 1781 erschien, und der Vollendung des Landrechts. Vgl. Sengebusch, Historisch-rechtliche Würdigung der Einmischung Friedrichs d. Gr. in die Rechtssache des Müllers Arnold (Altona 1829); die Urkunden bei Preuß, Friedrich d. Gr., Bd. 3, Anhang (Berl. 1834), und dessen »Geschichte des Arnold-Gersdorffschen Prozesses« (in der »Zeitschrift für preuß. Geschichte«, 1864); Stölzel, Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung u. Rechtsverfassung, Bd. 2 (Berl. 1888), S. 272 ff.; Dickel, Friedrich d. Gr. und die Prozesse des Müllers Arnold (Marb. 1891); Holtze, Zum Müller Arnoldschen Prozeß (Berl. 1902).


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