- Komödĭe
Komödĭe (griech.), soviel wie Lustspiel, komisches Drama, dramatische Darstellung des Komischen (s. d.), dramatische Darstellung des Humors (s. d.). Ihr steht gegenüber einerseits die Tragödie, anderseits das speziell so genannte (ernste) Schauspiel. Den Gesetzen des Dramas ist die K. nicht so unbedingt unterworfen wie das Trauerspiel und Schauspiel (vgl. Drama, S. 171); außer den Willenshandlungen, dem eigentlichen Inhalte des dramatischen Elements, nehmen in ihr Milieu- und Zustandsschilderungen einen breiten Raum ein, und auch die Einheit der Handlung ist in ihr insofern nicht immer streng gewahrt, als nicht selten mehrere (meist konzentrische) Kreise der Handlung nebeneinander bestehen. Im übrigen ist die K. verschiedener Art je nach dem Charakter der in ihr dargestellten Komik. Dem Unterschiede der Situations- und der Charakterkomik entspricht der Gegensatz der Situations- und Charakterkomödie (s. Komisch); wird in der Situationskomödie das Leiden des komischen Helden durch die Ränke andrer Personen herbeigeführt, so liegt das Intrigenspiel vor (doch wird der Intrige auch nicht selten, wie bei Scribe, durch gleiche Mittel erfolgreich begegnet). Die Charakterkomödie scheidet sich in eine solche des öffentlichen und des Privatlebens; erstere wieder, je nach dem besondern Gebiet, in die gesellschaftliche, soziale, politische, Literaturkomödie etc. Die phantastische K. spielt in einer imaginären Welt, von der jedoch in der Regel viele Beziehungen zur Wirklichkeit hinüberleiten. Der historischen K. kommt keine besondere prinzipielle Bedeutung zu: sie spielt zumeist in der Sphäre des öffentlichen Lebens, bildet also eine Abart der politischen, sozialen etc. K., und die Vorgänge der Vergangenheit, die sie schildert, sind nur dann ästhetisch zu billigen, wenn sie durch innere Beziehungen zur Gegenwart der Norm des zeitgemäßen, nationalen und volkstümlichen Gehalts entsprechen (s. Ästhetik, S. 898). In allen diesen Arten der K. kann entweder die seine oder drastische Komik zur Geltung kommen; als besondere Art des feinkomischen Lustspiels hat sich das Konversationsstück herausgebildet, in dem statt der Handlung und Milieuschilderung die in geistreicher Betrachtung sich ergehende Konversation überwiegt; von Formen der drastischen K. unterscheidet man Burleske, Posse und Schwank.
Kunstgerechte K. findet sich zuerst bei den Griechen. Ihre Anfänge wurzeln im Dionysoskult, wie schon der Name K., d. h. Lied beim Komos (dem fröhlichen Festzuge des Dionysos), zeigt. Aus den mutwilligen Liedern des Komos soll sich zuerst bei den wegen ihrer Spottlust bekannten dorischen Megarern eine Art dramatischer Posse entwickelt haben, die, nach Attika und Sizilien verpflanzt, hier durch Epicharmos (um 500) literarische Ausbildung erhielt, dort sich in Anlehnung an die schon ausgebildeten Formen der Tragödie im 5. Jahrh. zur Kunstgattung gestaltete und neben jener in die staatliche Dionysosfeier aufgenommen wurde. Ursprünglich vorwiegend auf persönlicher Verspottung Einzelner beruhend, erhielt sie durch Krates (um 460) die Richtung auf die öffentlichen Verhältnisse. Als Meister dieser sogen. alten K., die unter der Demokratie die »politische Zensur« übte, galten Kratinos, Eupolis und namentlich Aristophanes (um 427–388 tätig), dessen Stücke die wichtigste Grundlage für unsre Kenntnis ihres Wesens sind. Durchaus nur im athenischen Leben wurzelnd und lediglich auf das athenische Publikum berechnet, zieht sie alle Erscheinungen der Zeit in ihren Kreis, um Torheiten, Gebrechen und Schwächen schonungslos zu geißeln, nicht bloß zur Belustigung, sondern in der ernsten patriotischen Absicht, Mißbräuche und Entartungen ohne Ansehen der Person an das Licht zu ziehen und der Lächerlichkeit preiszugeben, namentlich der überhandnehmenden Neuerungssucht zu steuern. Wahl und Behandlung der Stoffe zeigen eine Richtung auf das Groteske und Phantastische; keinerlei Rücksicht auf die Gesetze poetischer Wahrscheinlichkeit und ausreichende Motivierung engt Phantasie und Laune ein. Die Handlung ist meist überaus einfach und in lose verknüpften Szenen durchgeführt. Die Darstellung der geschilderten Personen und Verhältnisse erfolgt in überaus karikierter Weise ohne Rücksicht auf das nach unsern Begriffen Anständige; indes haben die zahlreichen Derbheiten und Zoten oft gröbster Art ihren Grund nicht in Frivolität, sondern in der traditionellen Ausgelassenheit der dionysischen Festlust. Wie die Tragödie besteht die alte K. aus Dialog und lyrischen Chorpartien (s. Chor). Eigentümlich ist ihr die Parabase (s. d.). Mit dem Sturze der alten Demokratie (um 400) verlor die K. die Freiheit der rücksichtslosen Rüge; überdies mußte infolge der Zerrüttung der Vermögensverhältnisse der Chor und damit die Parabase wegfallen. So entwickelte sich die sogen. mittlere K. (Hauptvertreter Antiphanes und Alexis), die, von allen politischen und offenen persönlichen Angriffen absehend, sich mehr an allgemeine Fehler und Schwächen hielt, namentlich die Parodie der Tragödie und der Mythologie sowie die Verspottung der Philosophen übte, auch schon typische Charaktere schuf. Seit dem letzten Drittel des 4. Jahrh. bildete sich die das kleine Leben mit seinen mannigfachen Verwickelungen, hauptsächlich durch die Liebe widerspiegelnde, unserm bürgerlichen Lustspiel vergleichbare sogen. neuere K. aus (Hauptmeister Menander, Diphilos und Philemon), ein vollkommen geregeltes Spiel, dessen Hauptkunst in planmäßiger Durchführung der Handlung und treuer Charakteristik der Personen nach dem Leben gesehen wurde, und das eine Reihe Charakterrollen verwendete. Bekannt ist uns diese bis weit in das 3. Jahrh. hinein mit großer Produktivität geübte Gattung, abgesehen von Fragmenten, durch die lateinischen Übertragungen des Plautus und Terenz. – Um 300 erhielt auch die dorische Volksposse in Unteritalien noch einmal literarische Gestaltung durch den Tarentiner Rhinton, den Schöpfer der Hilarotragödie (s. d.).
Die kunstmäßige K. der Römer war, wie die gleichzeitig (um 240 v. Chr.) von Livius Andronicus eingeführte Tragödie, eine Nachahmung der griechischen, und zwar der neuen attischen. Anfangs begnügte man sich mit mehr oder minder freien Übertragungen griechischer Stücke unter Beibehaltung des Fremdländischen, ja selbst des griechischen Kostüms. Bekannt ist uns diese bis Ende des 2. Jahrh. geübte Gattung, nach dem pallium, dem griechischen Mantel, fabula palliata genannt, durch die erhaltenen Stücke des Plautus und Terentius. Neben ihr entwickelte sich die italienisches Volksleben, freilich in überkommener griechischer Kunstform schildernde fabula togata, benannt nach der Toga, der italischen Tracht; als ihr Meister galt Afranius (um 100 v. Chr.). Seit Anfang des 1. Jahrh. v. Chr. fand auch die altitalische Volksposse der Atellane (s. d.) mit ihren stehenden Charaktermasken kunstmäßige Ausbildung und seit der Mitte des Jahrhunderts durch Laberius und Publilius Syrus der aus Unteritalien eingeführte Mimus (s. d.). Letzterer erhielt sich in der Kaiserzeit vorwiegend als Belustigung der untern Stände. Die Atellane ging in Italien in die commedia dell' arte, die Stegreifkomödie mit stehenden Figuren, über, während der Mimus im Mittelalter in den sogen. Mummereien und Fastnachtsschwänken fortlebte.
In Italien war bis ins 16. Jahrh. die vorherrschende dramatische Form die sacra rappresentazione. Mit der Wiedererweckung des klassischen Altertums kamen die Stücke des Terentius und Plautus wieder zu Ehren und wurden in lateinischer Gestalt, bald aber auch in Übersetzungen ausgeführt. Von der Übersetzung zur Nachahmung war dann nur noch ein Schritt. So haben wir eine Menge Komödien in Versen und Prosa nach klassischem Vorbilde, die schönsten von Machiavelli, Bibbiena, Ariost, Gelli, Cecchi, Aretino, Dolce. Schon im 15. Jahrh. aber beginnt sich die Volkskomödie, vielfach unter Benutzung der Dialekte, zu entwickeln und erreicht im 16. Jahrh. ihre höchste Blüte in Venedig durch die Dialektkomödien des Ruzzante, Calmo und Giancarli. Endlich entstand im 16. Jahrh. aus der volkstümlichen Farce unter Einwirkung des literarischen Lustspiels die commedia dell' arte, die Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrh. zur fast alleinigen Herrschaft gelangt. Erst um die Mitte des 18. Jahrh. reformierte Goldoni, der das improvisierte Lustspiel bekämpfte, die K. und schuf das moderne italienische Lustspiel. Obwohl heftig befehdet, siegte das Reinigungswerk. Goldoni hatte eine Reihe Nachfolger, welche die von ihm eingeführte Lustspielgattung weiterbildeten; zu nennen sind Giraud, Nota, Gherardi del Testa und Ferrari. Die neueste italienische K. ist zwar zum Teil noch von den Franzosen abhängig, mit Erfolg macht sie sich jedoch schon vielfach von den fremden Fesseln frei und wandelt selbständige Wege.
Als Jodelle die Tragödie in Frankreich einführte, beließ er das Lustspiel noch auf dem mittelalterlichen Niveau der Farce, über das sich erst Larivey mit seinen Bearbeitungen italienischer Lustspiele erhob. Dann hat Corneille mit dem »Menteur« nach spanischem Vorbilde das erste Charakterlustspiel geschaffen und damit Molière, dem Genialsten auf diesem Gebiet, und Racine den Weg gebahnt. Molières Einfluß beherrscht die Folgezeit (Regnard); doch schlägt das 18. Jahrh. mit Lesage, Marivaux, Gresset, Piron auch eigne Pfade ein. Beaumarchais, der die Prosa anwendet und von den Einheiten absieht, präludiert damit bereits dem 19. Jahrh. Hier wußte Scribe durch sichere Technik und durch Anschmiegen an den Zeitgeschmack Jahrzehnte hindurch die Bühne zu beherrschen, und Labiche gewann (neben Meilhac, Halévy u. a.) durch lustige Possen das Herz des Publikums. Dem Charakterlustspiel gaben Augier und Dumas d. Jüng. eine bestimmte Tendenz, indem sie aktuelle Fragen des sozialen Lebens darin behandelten. Manche, wie Musset, Banville, Pailleron, haben das feinere Lustspiel nur nebenbei, doch mit gutem Erfolg gepflegt. Unter den zahlreichen Autoren, deren Tätigkeit vorzugsweise in der dramatischen Zurichtung von Roman- und Novellenstoffen besteht, wobei die epische Form nur selten genügend abgestreift wird, steht Sardou voran.
In England entsprang die K. aus Nachahmungen des Terenz und Plautus zu Schulzwecken und gewann seit Mitte des 16. Jahrh. in Anlehnung an romantische Erzählungen aller Art und an italienische Dramen eine poetische Haltung, die schon in Shakespeares Erstlingswerken voll zutage tritt. Die Entwickelung der K. ging der des Trauerspiels um ein bis zwei Jahrzehnte voraus, bis nach Shakespeares letzten Tragödien, wie es scheint, ein Rückschlag erfolgte und ernste Bedeutsamkeit in das Lustspiel flutete, in das »Wintermärchen«, den »Sturm« und »Cymbeline«. Im 17. Jahrh. lebte aber nur die leichte Gattung der K. fort, anfangs mit englisch-derber (Congreve, Farquhar), nach der Restauration aber mit französisch-koketter Obszönität (Dryden). Eine Wendung zur Anständigkeit trat um 1700 ein (Steele, Cibber). Goldsmith verhalf dann einem gemütvollern Ton zum Durchbruch, während Sheridan, der Dichter der »Lästerschule«, die geistreiche Konversation zur Virtuosität trieb. Beide standen unter französischen Einflüssen; dazu gesellten sich seit 1798 auch deutsche (Kotzebue), und seitdem bekämpfen sich im englischen Lustspiel diese beiden Richtungen, ohne daß daneben eine besondere Originalität höherer künstlerischer Art aufgekommen wäre.
Bei den slawischen Völkern hat sich die K. etwa von der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. an entwickelt, und zwar namentlich bei den Russen (Sumarokow, Katharina II., Fonwisin, Knjaschnin, Kapnist, A. Schachowskoj, Gribojedow, Gogol, A. Pissemskij, Ostrowskij etc.), den Polen (Graf A. Fredro, Narzymski, Lubowski, Bałucki, K. Zalewski, Šwiętochowski, Bliziński, Fredro Sohn u. a.) und den Tschechen (W. Cl. Klicpera, Tyl, Bozděch, Jeřábek, Wlček etc.).
Dänemark nahm durch das hervorragende Talent L. v. Holbergs (1684–1754) an der Entwickelung der europäischen Komödiendichtung bedeutenden Anteil; sein »Politischer Kannegießer«, »Don Ranudo de Colibrados«, »Jakob von Thyboe« etc. beeinflußten die Produktion aller Kulturvölker.
In Deutschland gelangte die K. nicht zu derselben Blüte wie die andern Zweige der dramatischen Literatur. Die blühende Lebenslust und volkstümliche Kraft der Fastnachtsspiele von Hans Sachs, Ayrer etc. versiegte bald unter den religiösen und politischen Wirrnissen des Reiches, und das starke Talent eines A. Gryphius (gest. 1664, »Horribilicribrifax« und »Peter Squenz«) gelangte in der Zeit von Deutschlands größter Not nicht zu voller Entfaltung. Im 18. Jahrh. arbeitete man sich an der Hand ausländischer Muster (der italienischen commedia dell' arte, Molière, Marivaux, Destouches, Holberg etc.) mühsam zum harmlosen sächsischen Familienlustspiel durch (Frau Gottsched, Gellert, Weiße, der junge Lessing), bis Lessing in »Minna von Barnhelm« ein Meisterwerk schuf, in dem er den wichtigsten Gehalt des öffentlichen Lebens seiner Zeit mit edelster Gesinnung und vollendeter Kunst zusammenfaßte. Von dieser Höhe stieg die deutsche K. schnell wieder herab: die zahlreichen Lustspiele Kotzebues verbanden mit geschickter Technik und unleugbarem Witz zu viel undeutsche Frivolität, um dauernd zu befriedigen. Im 19. Jahrh. brachten es Tieck und Platen in ihren satirischen Literaturkomödien, Gutzkow, Laube, Gottschall u. a. im historischen Lustspiel, Bauernfeld und der etwas hausbackene Benedix u. a. im Familien- und Konversationsstück, L'Arronge im rührseligen Volksstück, Moser und Rosen in drastischen Possen, Schönthan, Blumenthal und Kadelburg in witzigen, aber sehr harmlosen Milieuschilderungen zu mehr oder minder bemerkenswerten Leistungen, während als die besten Komödien nach Lessing Kleists durch eigenartige Führung der Handlung, glänzende Charakterzeichnung und stimmungsvolle Milieuschilderung gleich ausgezeichneter »Zerbrochener Krug«, Freytags von bedeutendem Zeitgehalt und hinreißendem Humor erfüllte »Journalisten« und Hauptmanns »Biberpelz« anzusehen sind.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.