Karst [2]

Karst [2]

Karst (ital. Carso), Gebirge im österreich. Küstenland (s. Karte »Krain-Küstenland«), das, durch die Täler des Isonzo, der Idria und Sora (Pöllander Zeier, Nebenfluß der Save) von den Julischen Alpen getrennt, sich als Fortsetzung der südlichen Kalkalpen in südöstlicher Richtung bis in die Balkanhalbinsel erstreckt.

Karstlandschaft aus der Umgebung von Triest.
Karstlandschaft aus der Umgebung von Triest.

Der K. ist ein wesentlich aus Kalksteinen der Kreideformation aufgebautes Gebirge und besitzt einen Faltenbau, in dessen Mulden weichere, mergelige und sandige Eocängesteine auftreten; das Kalkgebirge ist vielfach zerklüftet, und das atmosphärische Wasser dringt sofort in bedeutende Tiefen ein. Der Kohlensäuregehalt befähigt das Wasser, den Kalkstein aufzulösen, und durch diesen chemischen Erosionsprozeß werden zahllose Höhlen gebildet, die das ganze Karstgebirge durchziehen. Statt der gewöhnlichen offenen Täler finden wir hier langgestreckte oder rundliche Talmulden, die plötzlich aufhören. Der Fluß verschwindet unter der Erde, durchzieht unterirdische Täler mit wechselnden Engen und Weitungen, mit Seen und Wasserfällen, um endlich in einer zweiten oberirdischen Talmulde wieder aufzutreten und manchmal wieder zu verschwinden. Ein Beispiel dieser Art ist die Laibach, die als Poik ihren Anfang nimmt, bei Adelsberg in die berühmte Grotte eintritt, als Unz wieder zutage kommt, das Talbecken von Planina durchfließt, abermals im Boden verschwindet und bei Oberlaibach plötzlich als schiffbarer Fluß wieder auftritt. Es gibt auch Flüsse, die niemals an der Oberfläche erscheinen, sondern unmittelbar in das Meer münden, wie die Omblaquelle bei Ragusa, oder unterirdisch in das Meer sich ergießen. Unvollkommene Talbildung ist also der Grundzug des Karstgebirges. Über die dem K. eigentümlichen Formen, wie die Dolinen, Poljen, Karren und die Grotten s. Artikel »Karsterscheinungen«. Das ganze Karstgebirge war einst bewaldet und lieferte Römern und Venezianern das Material zum Schiffbau. Dieser Umstand trug wesentlich zur Entwaldung des Karstes bei, noch mehr aber der Unverstand der Bewohner, die Weideplätze gewinnen wollten, und die Ziegenzucht, die jeden Nachwuchs verhindert. Ist aber hier einmal der Wald zerstört, so tritt sofort der Prozeß der Verkarstung, d. h. der Wüstenbildung, ein. Der Kalkstein dieser Gegend liefert nämlich bei seiner Auflösung durch die atmosphärischen Niederschläge als einzigen Rückstand eine rotockerige Erde, die sogen. Terra rossa, die eben ausreicht, um einen Wald zu ernähren. Ist der Wald aber verschwunden, so wird die Erde entweder vom Regen abgeschwemmt oder von den Winden fortgeführt, und die Steinwüste bleibt zurück. Die Bodenkultur zieht sich auf die Poljen und die Dolinen zurück, an deren Grunde sich die abgeschwemmte Erde sammelt; die eigentlichen Oasen des Karstes aber sind die eocänen Flyschzonen mit ihrer wasserdichten Unterlage.

Unter den Höhenrücken des Karstes treten in Österreich besonders zwei Züge hervor. Der nördliche Zug, eine einzige Hochterrasse, umfaßt drei Teile: den Ternovaner Wald, eine meist bewaldete Jurakalkplatte zwischen den Flüssen Isonzo, Wippach und Idria, mit dem höchsten Gipfel Goljak (1496 m); den Birnbaumer Wald, südöstlich vom erstern, im Nanos 1300 m, im Suhi Vrh 1315 m; das Krainer Kalkplateau mit den Hochflächen der Windischen Mark, im W. in der Pinkaplanina mit dem Javornik zu 1270 m, im Krainer Schneeberg zu 1796 m an steigend, östlich im Hornwald mit dem Hornbühel 1100 m, und in dem gegen das rechte Saveufer streichenden Uskokengebirge mit dem St. Geraberg (Gorianc) 1181 m erreichend. Der südliche, niedrigere Zug ist der eigentliche oder Triestiner K., der südlich gegen den Meerbusen von Triest mit einem 350 m hohen Abhang steil abstürzt und auf seiner vegetationsarmen Hochfläche Erhebungen bis 1029 m (Slounik) hat (vgl. Abbildung). Im SO. schließt sich an ihn der nach den Bewohnern (Tschitschen) benannte Tschitschenboden, der die Halbinsel Istrien füllt, im steil ansteigenden Monte Maggiore seine größte Höhe mit 1396 m erreicht und sich in Veglia, Cherso, Lussin insularisch fortsetzt. Östlich vom Tschitschenboden dehnt sich der Liburnische oder Kroatische K. aus, der aus zwei im SO. sich vereinigenden triasischen Ausbruchswellen besteht, die eine Kreidekalkmulde einschließen. Das östliche Randgebirge ist die Große und Kleine Kapela, die in der Bjela Lasica 1533 m erreicht; an sie schließt sich im S. die Plješevica (1649 m). Das westliche Randgebirge, der Velebit, erreicht im Vakanski Vrh 1758 m und vereinigt sich im S. mit dem vorher erwähnten Gebirge zu einem wilden Hochlande. Die Randgebirge steigen nach S. zu an und erreichen in der Grenzkette des Dalmatinischen Karstes oder der Dinarischen Alpen (s. d. und »Dalmatien«, S. 428) die größte Höhe (Dinara 1831 m, Troglav 1913 m). Das Klima ist auf der Höhe des Karstes trotz der südlichen Lage durch den Einfluß kalter Luftströmungen rauh; Sommer und Winter sind trocken, während Frühjahrs- und Herbstregen vorherrschen. Von den Winden ist der kalte Nordostwind, die Bora, wegen ihrer verheerenden Gewalt gefürchtet. Vgl. Moser, Der K. und seine Höhlen (Triest 1899); Diener, Bau und Bild der Ostalpen und des Karstgebietes (Wien 1903); Grund, Die Karsthydrographie (Leipz. 1903); v. Guttenberg, Die forstlichen Verhältnisse des Karstes (Triest 1882); Goll, Die Karstaufforstung in Krain (Laibach 1898); Pucich, Die Karstbewaldung im österreichisch-illyrischen Küstenland (Triest 1900).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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