- Joinville [3]
Joinville (spr. schŭängwil'), 1) Jean, Sire de, der erste bedeutende Historiker der Franzosen, geb. 1224 als Sprößling einer alten Familie in der Champagne, gest. 1318, nahm als Seneschall des Grafen von Champagne, Königs Thibaut IV. von Navarra, teil an dem Kreuzzug König Ludwigs IX. (1248). Mit Ludwig IX., dessen Freund er geworden, kehrte er erst 1254 nach Frankreich zurück und lebte seitdem teils am Hofe, teils auf seinen Gütern. Seine durch Anschaulichkeit, Wahrheit und Treue der Schilderungen ausgezeichnete »Histoire de saint Louis« ward herausgegeben von Ducange (Par. 1668); neue Ausgaben besorgten Michel (1858) und de Wailly (1866, illustrierte Ausg. 1874); deutsche Übersetzung von Driesch (Trier 1853). Vgl. Didot, Études sur la vie et les travaux de Jean de J. (Par. 1870); Delaborde, Jean de J. et les seigneurs de J. (das. 1895); G. Paris, Jean, sire de J. (das. 1897).
2) Franz Ferdinand Philipp Ludwig Maria von Orléans, Prinz von J., geb. 14. Aug. 1818 in Neuilly, gest. 16. Juni 1900 in Paris, war der dritte Sohn des Königs Ludwig Philipp von Frankreich und der Prinzessin Marie Amalie von Sizilien, trat 1834 in die Marine ein, in der er viele Seeexpeditionen, z. B. 1838 nach Mexiko, mitmachte. 1840 befehligte er die Fregatte La belle Poule, welche die Asche Napoleons von St. Helena nach Frankreich führte. 1845 war er Befehlshaber der Expedition gegen Marokko und wurde 1846 Vizeadmiral. Beim Ausbruch der Revolution 1848 begab er sich nach England. 1862 machte er mit seinem Sohne, dem Herzog von Penthièvre, und seinen Neffen, dem Grafen von Paris und dem Herzog von Chartres, im Unionsheer im Stabe Mac Clellans den Feldzug mit. Während des Krieges 1870/71 bemühte er sich vergeblich, im französischen Heer eine Stelle zu finden. 1871–76 war er Mitglied der Nationalversammlung; doch seine Taubheit ließ ihn auf das politische Leben verzichten. 1886 wurde er infolge des Prätendentengesetzes, das allen Mitgliedern der ehemaligen Herrscherfamilien Ämter und Würden entzog, aus den Kadres der Marinereserve gestrichen. Mehrere Aufsätze in der »Revue des Deux Mondes« erschienen gesammelt als »Essais sur la marine française. L'Escadre de la Méditerranée« (Par. 1853) und »Études sur la marine et récits de guerre« (1859; 2. Aufl. 1870, 2 Bde.); 1894 veröffentlichte er in den illustrierten »Vieux souvenirs, 1818 à 1848« interessante Erinnerungen aus dem Jahre 1848. Ferner schrieb er: »La guerre d'Amérique, campagne du Potomac« (2. Aufl. 1872), und »Encore un mot sur Sadowa« (Brüssel 1868). Er war seit 1. Mai 1843 vermählt mit einer Tochter des Kaisers Pedro I. von Brasilien, Franziska (geb. 2. Aug. 1824, gest. 27. März 1898), die ihm die (mit dem Herzog von Chartres vermählte) Prinzessin Franziska und den Herzog Peter von Penthièvre (geb. 4. Nov. 1845) gebar.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.