- Anwachsungsrecht
Anwachsungsrecht (Akkreszenzrecht, Jus accrescendi) bezeichnet in der Rechtssprache die Bestimmungen, auf Grund deren unter bestimmten Voraussetzungen der Anteil einer Person einer andern zufällt, anwächst. Abgesehen von der Bestimmung des § 738 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches. wonach der Anteil eines ausscheidenden Gesellschafters den übrigen Gesellschaftern zuwächst, beruht das A. ausschließlich auf Vorschriften des Erbrechts, wobei das Gesetz von der Fiktion ausgeht, daß der Erblasser unter den gesetzlich aufgestellten Voraussetzungen die Anwachsung gewollt habe. Im Gesetz ist die Bezeichnung A. zwar nur bei der testamentarischen Erbfolge gebraucht, Entsprechendes gilt jedoch auch für die gesetzliche Erbfolge. Wurde durch die Einsetzung mehrerer Erben die gesetzliche Erbfolge ausgeschlossen, so gehört bei Wegfall eines Erben (z. B. durch Verzicht, Ausschlagung, Ausschluß) der Erbteil desselben nicht den gesetzlichen Erben, sondern er wächst den übrigen eingesetzten Erben an. Ist dagegen die gesetzliche Erbfolge nur bezüglich eines Teils der Erbschaft ausgeschlossen, so fällt der durch Wegfall eines eingesetzten Erben freiwerdende Teil den gesetzlichen Erben zu, unter den eingesetzten Erben dagegen tritt die Anwachsung nur dann und so weit ein, als sie auf einen gemeinsamen Erbteil eingesetzt sind (§ 2094). Eine weitere Bestimmung über das A. trifft § 1490, wonach der einem Abkömmling am ehelichen Gesamtgute zustehende Anteil an die übrigen anteilsberechtigten Abkömmlinge oder an den überlebenden Ehegatten kommt, ihm anwächst, falls der anteilsberechtigte Abkömmling ohne anteilsberechtigte eigne Nachkommen stirbt. Was jedoch dem Verkäufer einer Erbschaft infolge einer Anwachsung zufällt, das gilt im Zweifel als nicht mit verkauft (§ 2373). Die Anwachsung kann übrigens vom Erblasser ausgeschlossen werden und gilt vor allem dann als ausgeschlossen, wenn der Erblasser für den Fall, daß ein Erbe vor oder nach dem Eintritte des Erbfalles wegfällt, einen andern als Erben (Ersatzerben) einsetzt.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.