Anrüchigkeit

Anrüchigkeit

Anrüchigkeit, im allgemeinen übler Ruf. In der Rechtswissenschaft bedeutet A. oder Unehrlichkeit eine Schmälerung der bürgerlichen Ehre und demgemäß der Rechtsfähigkeit, welche die Folge gewisser Eigenschaften einer Person war. Solche Eigenschaften waren früher die uneheliche Geburt und das Gewerbe des Abdeckers (Kavillers). Im Mittelalter erstreckte sich die A. sogar auf die nützlichsten Gewerbe, als: Müller, Schäfer, Weber; aber schon die Reichspolizeiverordnung von 1577 beschränkte die A., und nach einem Reichsschluß von 1731 blieben nur noch der Abdecker und seine ihm beim Geschäft beistehenden Kinder sowie die unehelichen Kinder dem Makel der A. unterworfen. Die Wirkung der A. bestand in der Unfähigkeit zum Eintritt in Zünfte und Korporationen, zur Ordination und zum Lehnserwerb. Nach einem Reichsschluß von 1772 konnte die A. durch Ehrhaftmachung durch den Landesherrn aufgehoben werden. Neben dieser A. im engern Sinne, die ein rein deutschrechtliches Institut war, nehmen einige Rechtslehrer auch eine A. im weitern Sinn an und begreifen unter dieser auch die Verächtlichmachung (turpitudo), die lediglich Folge der Verurteilung durch die öffentliche Meinung wegen unsittlicher Lebensführung ist und namentlich Vagabunden, Zigeunern, Lustdirnen, Kupplern und dergleichen Klassen anhaftet. Als ihre rechtlichen Wirkungen werden bezeichnet: verminderte Glaubwürdigkeit, Unfähigkeit zum Eintritt in ehrenhafte Genossenschaften, zur Ausübung gewisser Berufsarten, zur Übernahme einer Vormundschaft u. dgl. Als ein eigentliches Rechtsinstitut ist jedoch die Verächtlichkeit nicht anzusehen, vielmehr hängen deren Wirkungen lediglich vom richterlichen Ermessen in einzelnen Fällen ab. Nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch ist A., d.h. ehrloses oder unsittliches Verhalten, Ehescheidungsgrund (§ 1568), ferner berechtigt ehrloser und unsittlicher Lebenswandel nach § 2333, Ziff. 5, zur völligen Enterbung. Die Gewerbeordnung bestimmt in § 123, Ziff. 2, daß wegen liederlichen Lebenswandels Gesellen und Gehilfen jederzeit ohne Kündigung entlassen werden können. Vgl. Beneke, Von unehrlichen Leuten (2. Aufl., Berl. 1889).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Anrüchigkeit — Anrüchigkeit, Zustand geschmälerter persönlicher Ehrenhaftigkeit, bewirkte nach früherm deutschen Recht bald wegen des Gewerbes (Abdecker), bald wegen der Geburt (uneheliche Kinder) Ausschließung von Ämtern, geistl. Korporationen und Zünften;… …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Anrüchigkeit — ↑Hautgout …   Das große Fremdwörterbuch

  • Anrüchigkeit — Ạn|rü|chig|keit, die; , en: 1. <o. Pl.> das Anrüchigsein, zweifelhafte Beschaffenheit, Natur. 2. etw. anrüchig Wirkendes. * * * Ạn|rü|chig|keit, die; : das Anrüchigsein, zweifelhafte Beschaffenheit, Natur …   Universal-Lexikon

  • Anrüchigkeit — Ạn|rü|chig|keit …   Die deutsche Rechtschreibung

  • Odium — Anrüchigkeit; (geh.): Makel, Schatten, übler Beigeschmack; (emotional): Schandfleck. * * * Odium,das:⇨Schandfleck Odium 1.→Hass 2.→Schandfleck …   Das Wörterbuch der Synonyme

  • Odium — Odi|um 〈n.; s; unz.〉 1. 〈veraltet〉 Hass, Feindschaft 2. 〈geh.〉 übler Beigeschmack, Makel [lat.] * * * Odi|um, das; s [lat. odium = Hass, Feindschaft] (bildungsspr.): Anrüchigkeit, übler Beigeschmack: das O. des Verrats ruht auf ihm. * * * Odium   …   Universal-Lexikon

  • Anrüchig — Anrüchig, 1) im gewöhnlichen Leben ein Mensch, dessen Ruf nicht tadellos, u. der daher auch zu Übernahme eines Ehrenamtes od. zu einer Auszeichnung im bürgerlichen Leben nicht geeignet ist. Nach juristischem Begriffe ist Anrüchigkeit der Makel,… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Ehre — (Existimatio, Dignitas, Rechtsw.), 1) als rechtlicher Begriff die ungeschmälerte Rechtsfähigkeit, welche der Staat dem Staatsbürger auf den Grund der jeder Persönlichkeit präsumtiv zukommenden sittlichen Achtung beilegt. Diese äußere Achtung… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Hautgout — Haut|gout 〈[ogu:] m. 6; unz.〉 1. scharfer Geschmack nicht mehr frischen Fleisches (bes. von Wild) 2. 〈fig.〉 Anrüchigkeit [<frz. haut goût „würziger od. Wildbretgeschmack“] Siehe auch Info Eintrag: Hautgout info! * * * Haut|gout [o gu: ], der;… …   Universal-Lexikon

  • Abdecker — Abdecker, im oberdeutschen Sprachraum Wasenmeister[1], war jahrhundertelang eine Berufsbezeichnung für Personen, die in einem bestimmten Bezirk für die Tierkörperverwertung zuständig waren. Ihr Arbeitsplatz, meist auch Wohnstelle, war die… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”