- Glinka
Glinka, 1) Sergej Nikolajewitsch, russ. Schriftsteller, geb. 1774 im Gouv. Smolensk, gest. 1847 in Moskau, war 1796–99 Offizier in der Armee, ging als Erzieher in die Ukraine und lebte dann in Moskau. Er machte den Feldzug von 1806 mit, ließ sich nach dem Frieden von Tilsit wieder in Moskau nieder, gründete 1808 die franzosenfeindliche Zeitschrift »Russkij Vêstnik« (»Russischer Bote«) und wurde 1827 zum Zensor ernannt. Er hat sich besonders als Jugendschriftsteller einen Namen erworben durch seine »Russische Geschichte für die Jugend« (Mosk. 1817–1818, 10 Bde.; 3. Aufl., das. 1824, 14 Bde.) und seine »Lektüre für Kinder« (das. 1821, 12 Bde.). Von seinen übrigen Schriften sind anzuführen die Trauerspiele: »Sumbeka« und »Fürst Michael von Tschernigow«, seine »Memoiren aus dem Jahre 1812«, »Memoiren über Moskau und das Ausland von 1812–1815« u.a. Die Memoiren erschienen gesammelt Petersburg 1895.
2) Fedor Nikolajewitsch, russ. Schriftsteller, Bruder des vorigen, geb. 1788 im Gouv. Smolensk, gest. 6. März (23. Febr.) 1880 in Twer, wurde 1803 Offizier und kämpfte bei Austerlitz, zog sich dann aber auf ein Landgut zurück, um sich literarischen Beschäftigungen zu widmen. 1812–14 nahm er als Offizier der Garde an den Feldzügen der Russen teil und wurde Oberst des Ismailowschen Garderegiments. Seine Teilnahme an der Dekabristen-Verschwörung hatte 1826 seine Verweisung nach Petrosawodsk zur Folge; doch wurde er nach einigen Jahren begnadigt und lebte seitdem wieder in Petersburg und seit 1862 in Twer. G. zeichnete sich besonders als militärischer Schriftsteller aus durch die »Briefe eines russischen Offiziers über die Feldzüge von 1805–1806 und 1812–1815« (Mosk. 1815, 8 Bde.), »Züge aus dem Leben des Košciuszko« (Petersb. 1815), das historische Gemälde »Chmelnickij oder das befreite Kleinrußland« (das. 1818, 2 Bde.) und das »Geschenk für russische Soldaten« (das. 1818). Als Dichter hat er sich einen Namen erworben durch seine poetischen Übertragungen der Psalmen, des Buches Hiob und der Propheten sowie durch die »Erinnerungen aus dem Jahre 1812«, die Frucht religiöser und patriotischer Begeisterung. Sein beschreibendes Gedicht »Karelien oder die Gefangenschaft der Marfa Joannowna« (Petersb. 1830) enthält neben religiösen Ergüssen reizende Naturschilderungen aus dem Norden. Patriotischen Inhalts sind die »Skizzen über die Schlacht bei Borodino« (Petersb. 1839). – Seine Gattin Awdotja Pawlowna G., geb. 1795 aus der Familie Golenischtschew-Kutusow, gest. 7. Aug. (26. Juli) 1863 in Twer, hat sich gleichfalls in der russischen Literatur, durch die Übertragung von Schillers Gedichten (Petersburg 1859) sowie durch zahlreiche Novellen und Erbauungsschriften, bekannt gemacht.
3) Michael Iwanowitsch, Komponist, Neffe des vorigen, geb. 2. Juni 1804 auf dem Gut seines Vaters Nowospaskoje im Gouv. Smolensk, gest. 15. Febr. 1857 in Berlin, wurde im Adelsinstitut zu Petersburg erzogen, wo er unter andern Klavierunterricht von Field und H. Mayer erhielt. Durch seine Konstitution wiederholt zum Aufenthalt im Süden gezwungen, faßte er ein besonderes Interesse für südrussische Volksweisen, deren natürliche Harmonisierung er vergebens bei den berühmtesten Lehrern Italiens (unter andern Basilip) zu erlernen suchte. Endlich fand er 1834 in S. Dehn in Berlin einen glücklichen Berater, der ihn auf die Komposition russisch-nationaler Opern hinlenkte. In sein Vaterland zurückgekehrt, brachte er 1836 seine Oper »Das Leben für den Zaren« zur Ausführung, ein Werk, das bis heute sich auf dem Repertoire der russischen Bühne erhalten hat. Eine zweite Oper: »Rußlan und Ludmilla« (1842), fand gleichfalls lebhafte Anerkennung. Erneuter Aufenthalt im Süden führte ihn nach Paris, wo er sich mit Berlioz befreundete, und weiter nach Spanien, wo er zur Komposition der Ouverturen »Jota Aragonese« und »Eine Nacht in Madrid« Anregung erhielt. Der Tod ereilte ihn, als er mit Dehn Studien über Melodien der russischen Liturgie machte. Außer den genannten Werken schrieb er noch eine große Zahl russischer Lieder (darunter die russische Nationalhymne), mehrere Kammermusikwerke, die »Kamarinskaja« für Orchester, eine Tarantella für Gesang und Tanz mit Orchester, zwei unbeendete Symphonien (»Taras Bulba«) u.a. Seine »Memoiren und Briefwechsel mit Verwandten und Freunden« erschienen (in russischer Sprache) 1887 in St. Petersburg, wo ihm 1899 ein Denkmal (Büste) im Alexandergarten errichtet wurde; ein andres steht in Smolensk. Vgl. Fouque, Michel Ivanovitch G., d'après ses mémoires (Par. 1880), und Nik. Findeisen, Michael Iwanowitsch G. (1. Teil, Petersb. 1897, russ.).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.