Erythräa

Erythräa

Erythräa (ital. Eritrēa), ital. Kolonie am Roten (Erythräischen) Meer, im N. und O. von Abessinien, umfaßt den Küstenstrich von Ras Kasar (18°2' nördl. Br.) bis Kap Dumeirah (an der Grenze gegen das französische Obok) mit den vorgelagerten Inseln sowie das Hinterland bis zur abessinischen Grenze und einer durch Vertrag mit England 1891 bestimmten Demarkationslinie (s. Karte »Ägypten«). Sie läuft von der Mündung des Dschubbflusses an ihm aufwärts bis 6° nördl. Br., folgt dieser Gradlinie dann bis 35° östl. L., darauf diesem bis zum Rohatfluß und geht von dort zum Ras Kasar. In diese Grenzen sind inbegriffen die Somalküste am Indischen Ozean zwischen 8° nördl. Br. und der Dschubbmündung. E. umfaßt 247,300 qkm mit (1899) 329,516 Einw., davon 2014 Europäer. Hinter dem nur mit spärlicher Vegetation bedeckten schmalen Küstenstreifen erhebt sich eine niedrige Terrasse, der vereinzelte Vulkankegel aufgesetzt sind. Noch 1861 hat man bei Ed vulkanische Tätigkeit beobachtet. Das ganze Gebiet bis zum Steilabfall des abessinischen Hochlandes, die Samhara, ist heiß, wasser- und vegetationslos und nur schwach bevölkert; die Oberfläche besteht teils aus nacktem Fels, teils aus losen Sandablagerungen. Angebaut werden hier Bananen, Tabak, Baumwolle, Gemüse und Getreide. Auf dem 2000–2350 m hohen Hochland von Asmara, Godofelassi und Gura findet sich gutes Weideland, in den Tälern fruchtbarer Boden. Die kurzen Küstenflüsse führen nur periodisch Wasser; die vom abessinischen Hochland herabkommenden größern Flüsse verlieren sich in Salzseen, wie der Banert im Alalebaddsee, der Hawasch in Abhebaddsee, oder im Sande der Steppe, wie der Golima. Das Klima ist außerordentlich heiß; Massaua hat eine Jahrestemperatur von 30,3° (Juli 34,8°, Januar 25,6°), der Regenmangel ist groß, es fallen in Massaua 222, in Assab nur 61 mm jährlich, die Vegetation ist daher sehr dürftig. Die Tierwelt ist vertreten durch Löwen, Elefanten, Giraffen, Antilopen, Kamele, Schafe u. a. Die Bewohner sind im N. meist arabischer Abstammung, teils seßhaft, teils Nomaden; den südlichen Teil bewohnen die Afar oder Danakil, nomadische Viehzüchter, Fischer oder Händler, unter dem Sultan von Aussa. Der Handel bewegt sich vornehmlich über Massaua (s.d.), den Mittelpunkt der Kolonie, außerdem über Assab (500 Einw.), Beilul (800 Einw.), Gubbi (500 Einw.). Die Ausfuhr Massauas betrug 1900: 2,745,470 Lire, davon für 665,000 Perlmutter, 500,000 Perlen, 491,000 Häute, 131,000 Gummi; die Einfuhr betrug 1900: 9,376,543 Lire. Es liefen ein 2939 Schiffe (2364 italienische) mit 129,499 Ton., aus 2929 Schiffe (2358 italienische) mit 129,349 T. Straßen führen über Guinda nach Abessinien und über Keren nach Kassala. Aus strategischen Gründen sind zwei Eisenbahnlinien erbaut, von Massaua über M'Kullu-Saati nach Mai-Atal (35 km) und von Abd el Kader nach Arkiko; die erstere Linie soll bis Asmara (150 km) ausgebaut werden. Die Post hatte 1900 acht Ämter eröffnet, die Telegraphenlinien besaßen eine Länge von 700 km (Hauptlinie: Massaua-Assab-Perim). Die Besatzung, ein durch Gesetz vom 10. Juli 1887 geschaffenes Spezialkorps, besteht aus 172 Offizieren und 5995 Mann (5081 Eingeborne); sie ist stationiert in Massaua (mit den Forts Abd el Kader, Taulud, Gherar), Arkiko, Saati, Guinda, Saganeiti, Adi Caieh, Meder, Keren, Asmara und den wichtigen Grenzforts Adi Ugri und Argodat. Alle sind telephonisch miteinander verbunden. Administrativ ist die Kolonie in fünf Distrikte geteilt. Der Staatshaushalt der Kolonie balancierte 1900/1901 mit 10,430,500 Lire, worin 8,130,800 Staatszuschuß. An Tribut wurden von den Eingebornen 607,450 Lire erhoben. – Über die Geschichte der jungen Kolonie bis zur Jahrhundertwende vgl. Abessinien, S. 35. In den letzten Jahren handelt es sich in der Hauptsache um Grenzverträge mit England und Abessinien. Jahrelang kämpfte der Gouverneur, Ferd. Martini, um den freien Zugang zum Atbara und damit zum Nil; dieser wurde ihm jedoch versperrt durch die Abmachungen vom 22. Nov. 1901 und 15. Mai 1902, wodurch der an den Atbara vorspringende, schmale, 200 km lange Landstreifen mit Einwilligung Meneliks an den englisch-ägyptischen Sudan abgetreten ward. Dafür wurde der italienische Anspruch auf Cunama als berechtigt festgelegt, und Martini versucht durch Straßenbauten zwischen dem Gasch (Hareb) und dem Setit (Takazzé) etc. den Verkehr des Ostsudâns und Nordabessiniens von dem Wege Kassala-Suakin abzulenken und über das Land der Cunama nach Massaua zu ziehen. Die von Menelik geforderte und von Rudinì bereits zugesicherte Rückgabe der fruchtbaren Provinzen Okulb und Serae wurde unter dem Ministerium Pelloux dadurch hintangehalten, daß Italien für jene Gebiete und das gleichfalls besetzte große Kloster Bizen 5 Mill. Lire an Menelik zahlte. Auch in der Erschließung Erythräas durch Eisenbahnen hatte Martini insofern Erfolg, als die heiße Küste mit dem in gesunder Höhe gelegenen Regierungssitz Asmara durch eine Eisenbahn verbunden wird, deren Baukosten großenteils aus Ersparnissen an der kolonialen Verwaltung bestritten werden. Vgl. Schöller, Mitteilungen über meine Reise in der Colonia Eritrea (Berl. 1895); v. Bruchhausen, Die Italiener in Afrika (das. 1895); Derselbe, Der erythräisch-abessinische Krieg (das. 1897); La Jonquière, Les Italiensen Erythrée (Par. 1897); Pellenc, Les Italiensen Afrique, 1880–1896 (das. 1897); Camperio, L'Eritrea nel XX secolo (Mail. 1899); Melli, L'Eritrea dalle sue origini a tutto l'anno 1901 (das. 1902). Karten: »Carta della Colonia Eritrea«, 1: 50,000 (Flor. 1891); »Carta dimostrativa della Colonia Eritrea e regioni adjacenti«, hrsg. vom Militärgeographischen Institut, 16 Blatt 1: 250,000 (das. 1897 u. ö.), und 1: 100,000 (das. 1900).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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