Alexandrinische Kunst

Alexandrinische Kunst

Alexandrinische Kunst nennt man nach der Hauptstadt des Ptolemäerreichs die neue Blüte griechischer Kunst, die diese nach dem Tod Alexanders d. Gr. vornehmlich in Unterägypten, Syrien und Südkleinasien erlebt hat. Sie offenbarte sich am glänzendsten in monumentalen Städteanlagen und in imposanten Einzelbauten (Tempeln, Bädern, Säulenstraßen, Gymnasien, Bibliotheken, Markthallen etc.), über die wir bis jetzt nur durch literarische Überlieferungen unterrichtet sind, da noch keine Ausgrabungen in großem Maßstabe mit Erfolg versucht worden sind. Eine sinnliche Vorstellung von dem auf Prunk und starke malerische Wirkung gerichteten Wesen der alexandrinischen Kunst gewinnen wir aus einer Reihe von Marmorreliefs, Terrakotten und Werken der Kleinkunst, die zuerst von Th. Schreiber in Leipzig unter einheitlichem Gesichtspunkt gewürdigt worden sind. Danach ist die a. K. eine Erscheinung, die dem modernen Barockstil entspricht. Ihr Ursprung ist aus dem Hervortreten üppigen Privatlebens zu erklären, das allmählich zur Ausbildung einer genrehaften, für das Wohnhaus arbeitenden Kunst führte, und aus der zunehmenden Freude an der Natur, einem dem modernen Empfinden verwandten Interesse an der Schönheit der freien Natur, an dem Walde, an dem Hirten- und Schäferleben. Charakteristisch ist die dem antiken und modernen Barock eigentümliche Materialkünstelei, die Verwendung kostbarer Stoffe von Edelmetall, Edelsteinen und von Glas und Elfenbein für die Wanddekoration, ebenso wie für die Bildhauerei, die sich bis zur Anfertigung ganzer Statuen aus Edelsteinen und selbst aus farblosem Kristall verstieg. Die Einkehr der Kunst in das Volkstum, die Darstellung von Figuren und Szenen aus dem Straßenleben, die daraus erwachsende Genremalerei sind ein weiteres Element dieser Barockkunst. Der Hauptfaktor, der den Stilumschwung bewirkte, die immer stärker und allgemeiner werdende Naturfreude, führte in der Dichtung zur Entstehung des Idylls und des Romans, in der bildenden Kunst zur Landschaftsmalerei und zu einer besondern Art landschaftlicher Rundplastik, die allerlei zur Gartenausschmückung geschaffen hat. Eine besonders schöne Gattung von Prachtreliefs, die in reicher Umrahmung die Wände schmückten, waren getriebene Bronzearbeiten mit reichem landschaftlichen Hintergrund, von denen wir noch Marmornachbildungen in Brunnenreliefs im Palazzo Grimani in Venedig und in Reliefs im Palazzo Spada in Rom besitzen. Von letztern ist der schlafende Endymion mit seinem Hunde, der die herabschwebende Selene bemerkt, auch in modernen Nachbildungen viel verbreitet. Die Terrakotten von Alexandria, von denen das Berliner Museum eine Anzahl besitzt, enthalten ein reiches Material zur Kenntnis der alexandrinischen Religion und Kunst. Namentlich sind es merkwürdige Mischungen europäischer und afrikanischer Kultur. Als in Alexandria die Mischung griechischer und ägyptischer Gottheiten vor sich ging, galt es, letztere in griechischen Formen und doch mit Charakterisierung ihrer fremden Heimat zu gestalten. Ein Hauptwerk dieser Richtung ist die Gruppe des Nils im Vatikan (Abbildung s. »Nil«). Erzeugnisse alexandrinischer Malerei aus späterer, nachchristlicher Zeit sind uns in Mumienbildnissen (s. d.) erhalten. Vgl. Th. Schreiber, Die Wiener Brunnenreliefs aus dem Palazzo Grimani (Leipz. 1888); Derselbe, Die hellenistischen Reliefbilder (das. 1889–94) und Alexandrinische Toreutik (in den »Abhandlungen der sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften«, das. 1894); Brückner in der »Berliner philologischen Wochenschrift«, 1890.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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