Eisenbahnfrachtrecht, internationales

Eisenbahnfrachtrecht, internationales

Eisenbahnfrachtrecht, internationales. Die Grundlage des Eisenbahnfrachtrechts bilden die allgemeinen Rechtsnormen, insbes. die handelsrechtlichen Normen des Gebietes, in dem die Beförderung stattfindet. Durch Ausstellung einer Verkehrsordnung (Betriebsreglements) seitens der Eisenbahnverwaltungen (s. Eisenbahnverkehrsordnung) sowie durch das deutsche Handelsgesetzbuch (§ 422 ff.) hat das Eisenbahnfrachtrecht besondere Ausbildung erfahren. Einen bedeutsamen Fortschritt in seiner Entwickelung bildet das Berner internationale Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr vom 14. Okt. 1890 nebst Ausführungsbestimmungen und einem Reglement über die Errichtung eines Zentralamts. Nachdem der Schweizer Bundesrat die Anregung dazu gegeben und 1876 einen an das schweizerische Eisenbahnfrachtrecht sich anschließenden Entwurf vorgelegt hatte, war seitens des Deutschen Reiches ein zweiter, wesentlich auf das deutsche Eisenbahnfrachtrecht, also auf das Handelsgesetzbuch und das Betriebsreglement sich gründender Entwurf von erweitertem Umfang vorgelegt worden. Auf Grund dieser Vorarbeiten und weiterer Beratungen durch die Bevollmächtigten der Vertragsstaaten (Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich-Ungarn, Rußland und Schweiz) wurde das Übereinkommen in der Berner Konferenz vom 14. Okt. 1890 entgültig angenommen und mit 1. Jan. 1893 in Kraft gesetzt. In seiner Anordnung an das frühere Betriebsreglement für die Eisenbahnen Deutschlands sich anlehnend, aber auf den Güterverkehr sich beschränkend, behandelt es in 60 Artikeln die Bedeutung und Verbindlichkeit des Übereinkommens im allgemeinen, die Eingehung und den Inhalt der abzuschließenden Frachtverträge, deren Ausführung, die Ansprüche an die Eisenbahnverwaltungen wegen mangelhafter oder wegen Nichterfüllung der Frachtverträge, das Verhältnis der beteiligten Eisenbahnen untereinander und die Errichtung eines Zentralamts zwecks Durchführung und weitern Ausbaues des Übereinkommens. Indem es das innere Recht der vertragschließenden Staaten unberührt läßt, schafft es für deren gegenseitigen Eisenbahngüterverkehr eine gemeinschaftliche Rechtsgrundlage. Es begründet im Anschluß an die ältern Betriebsreglements allgemein die Verpflichtung der Eisenbahnen zur Übernahme von Transporten, auch von solchen, die gemeinsam mit andern Bahnen auszuführen sind, sei es durch Weitergabe an diese oder durch Eintritt in die von ihnen abgeschlossenen Frachtverträge. Es stellt den Grundsatz der Publizität der Tarife und das unbedingte Verbot jeder Begünstigung einzelner gegenüber den vorschriftsmäßig zustande gekommenen und gehörig veröffentlichten Tarifen auf. Sehr eingehend regelt es die Haftpflicht der Eisenbahnen im Falle des Verlustes oder der Beschädigung von Frachtgütern. Es hebt die bisherige Beschränkung der Ersatzpflicht auf gewisse Maximalsätze auf, so daß die Versicherung des Wertes der Sendung überflüssig wird. An ihre Stelle ist die Versicherung des Interesses an der Lieferung getreten, die sowohl das Interesse an der Lieferung überhaupt als auch speziell an der rechtzeitigen Lieferung umfaßt. In allen diesen Beziehungen ist das Übereinkommen für die Verkehrsordnung und das Vereinsbetriebsreglement vorbildlich geworden. Eingehend geregelt ist ferner das Verfügungsrecht des Absenders und des Empfängers über die beförderten Güter, womit die Befugnis zur gerichtlichen Geltendmachung der Rechte aus dem Frachtvertrage gegen die Eisenbahnen verbunden ist. Von Bedeutung ist auch die Festsetzung, daß die vom zuständigen Richter erlassenen und nach den für ihn maßgebenden Gesetzen vollstreckbaren Urteile im Gebiet sämtlicher Vertragsstaaten ohne materielle Prüfung des Inhaltes Vollstreckbarkeit erlangen. Das Zentralamt hat unter anderm die Aufgabe, auf Verlangen Entscheidungen über Streitigkeiten unter den Bahnen zu treffen, ferner die durch den internationalen Transport bedingten finanziellen Beziehungen zwischen den beteiligten Verwaltungen zu erleichtern. Weiterhin liegt ihm ob die Entgegennahme, Weitergabe und Veröffentlichung aller für den internationalen Verkehr wichtigen Mitteilungen der Eisenbahnen und der Regierungen sowie die selbständige Sammlung, Bearbeitung und Publikation derartigen Materials. Das Übereinkommen wurde zunächst auf 3 Jahre abgeschlossen und gilt für weitere 3 Jahre, sofern es nicht spätestens ein Jahr vor Ablauf dieser Frist gekündigt wird. Die dänische Regierung ist nachträglich dem Übereinkommen beigetreten. Nach Artikel 59 vereinbaren die Vertreter der beteiligten Staaten alle drei Jahre die notwendigen Änderungen und Ergänzungen. Vgl. J. Schwab, Das internationale Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr (Leipz. 1891); Gerstner, Internationales Eisenbahnfrachtrecht (Berl. 1893; Supplement. »Der neueste Stand etc.«, 1901); Eger, Das internationale Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr, Kommentar (Berl. 1894; 2. Aufl., in der Fassung des Zusatzübereinkommens vom 16. VI. 1898, das. 1903; Textausgabe, 2. Aufl., das. 1901); Rosenthal, Internationales Eisenbahnfrachtrecht (Jena 1894).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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