- Einhufer
Einhufer (Solidungula; hierzu die Tafel »Einhufer«) bildeten früher eine von den übrigen Huftieren gänzlich getrennte Ordnung, die nur das Geschlecht der Pferde im weitesten Sinne (Equiden) umschloß. Denn man stellte den Pferdehuf als ein ungeteiltes Ganzes dem fünf- bis zweizehigen Fuß der übrigen Huftiere gegenüber, unter denen übrigens noch an zweiter, ganz entfernter Stelle E. aufgetreten sind. Seitdem aber Paläontologie und Entwickelungsgeschichte die Homologie des Pferdehufes mit der Mittelzehe der Unpaarhufer (Perissodaktylen) erwiesen hatten und die Abzweigung des Equidenstammes von diesen genauer verfolgt werden konnte, mußte obige Ordnung eingezogen werden, und die E. bilden seitdem eine Familie der Unpaarhufer (s. Huftiere).
Die Geschichte der E. ist für die Deszendenztheorie sehr ergiebig geworden, da sich pferdeartige Tiere in Europa und Nordamerika bis in die ältesten Schichten des Tertiärs (Untereocän) zurückverfolgen lassen und von da ab als Herdentiere immer im Individuen- und Formenreichtum gelebt haben, so daß sehr zahlreiche fossile Arten erkennbar sind, welche die E. in fast lückenlosen Übergängen mit den ältesten fünfzehigen Urhufern (wie z. B. Phenacodus) verbinden. Schon Cuvier ahnte, daß die E. mit den dreizehigen Paläotherien des Pariser Beckens verwandt seien, Kowalewsky, Marsh, Huxley, Gaudry u.a. haben dann so viele Glieder der Kette entdeckt, daß der Stammbaum sich vollständiger entwerfen ließ als bei den meisten andern Säugerfamilien.
Im Untereocän Europas und Nordamerikas erschien im Hyracotherium bereits eine hierher gehörige Gattung, der sich in Amerika Eohippus und Pachynolophus anschlossen, kleine pferdeartige Tiere, z. T. nicht größer als ein Fuchs, die an den Vorderfüßen meist noch vier Zehen, einige sogar noch Rudimente der fünften besaßen. Im mittlern und obern Eocän Nordamerikas folgten dann die Gattungen Pachynolophus, Helohippus und Epihippus, in Europa Propalaeotherium, Palaeotherium, Lophiotherium, Paloplotherium und Anchilophus. Bei den meisten dieser Tiere war die vierte Zehe an den hintern Extremitäten bereits verschwunden, die Füße waren dreizehig mit vorherrschend entwickelter Mittelzehe geworden, aber die beiden Seitenzehen trugen noch Hufe und berührten beim Gang noch den Boden. Auch bei den miocänen Gattungen Mesohippus und Anchitherium waren noch Seitenzehen mit Hufen vorhanden, aber sie waren sehr verkleinert und berührten den Boden nicht mehr (s. Abbildung). Dasselbe gilt von der Gattung Hipparion (Hippotherium), die im obern Miocän von Europa, Nordafrika, Persien und Indien erscheint, dann im untern Pliocän Nordamerikas (dort Miohippus genannt) ihre Hauptverbreitung erlangt und von Merychippus und Protohippus begleitet wird. Diese Tiere hatten bereits die Gestalt dreizehiger, zierlicher Pferde, die nur mit der verstärkten Mittelzehe auftraten und dadurch eine größere Laufgeschwindigkeit und Ausdauer in der Fortbewegung erlangten. Im obern Pliocän traten dann in den Gattungen Pliohippus, Hippodactylus und Equus die ersten eigentlichen E. auf, bet denen die rudimentär gewordenen Seitenzehen ihre Hufe völlig verloren hatten und heute nur noch in den sogen. Griffelbeinen, die mit dem Mittelfußknochen der übrigbleibenden Zehe verschmolzen, Spuren zurückgelassen haben. Im gleichen Schritt mit den Veränderungen der Endgliedmaßen waren Umwandlungen im übrigen Gerüst und namentlich im Gebiß vor sich gegangen. Da die Arme und Beine nur noch als Laufwerkzeuge zu dienen hatten, verloren sie ihre Beweglichkeit nach jeder andern Richtung, Ellen- und Wadenbein sind durch Rückbildung und Verschmelzung als selbständige Knochen des Unterarms und Unterschenkels bis auf geringe Reste verschwunden. Aus den kurzen Backenzähnen der ältern Formen entwickelten sich lange, säulenförmige Zähne, deren Schmelzfalten ursprünglich ein einfaches, später zusammengesetztes Muster bildeten, das der Abnutzung durch das harte Futter besser widersteht. Außerdem ist den meisten Pferden der erste Prämolar verloren gegangen, der aber als sogen. Wolfszahn ebenso wie die Seitenzehen nicht selten durch Rückschlag wieder auftaucht. Zugleich hat die bei den ältesten Formen oft nur sehr bescheidene Körpergröße beständig zugenommen. Die im obersten Pliocän Europas zuerst erschienene Gattung Equus breitete sich über Europa, Asien und Afrika, im Pleistocän über ganz Nord- und Südamerika aus, erlosch aber hier schon vor Beginn der historischen Zeit, während sie in der Alten Welt noch heute in einer Anzahl von Wildpferden, Tigerpferden und Wildeseln fortlebt (s. beifolgende Tafel). Das Erlöschen des Equidengeschlechts in Amerika ist um so rätselhafter, als es dort lange Zeit in 3–4 Parallelstämmen mit getrennter (polyphyletischer) Entwickelung existiert hat. Noch merkwürdiger aber ist die Tatsache, daß in Südamerika ein ebenfalls erloschener, gar nicht näher verwandter Huftierstamm mit ganz verschiedenem Gebiß, derjenige der Proterotheriden, dieselbe Entwickelung vom Dreizeher zum Einhufer durchgemacht hat wie die Equiden. Die Proterotherium-Arten der untertertiären Schichten Patagoniens und andrer südamerikanischer Regionen waren Tiere, die fast die nämliche Fußbildung besaßen wie das altweltliche Anchitherium, mit dem sie zuerst verwechselt wurden, während bei dem jüngern Thoatherium die Seitenzehen noch restloser verschwunden waren als selbst bei Equus.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.