- Edgeworth
Edgeworth (spr. éddsch-ŭörth), 1) Henry Allen de Firmont, Beichtvater des Königs Ludwig XVI. von Frankreich, geb. 1745 zu Edgeworth in Irland, gest. 22. Mai 1807 in Mitau, ward 1777 Beichtvater der Madame Elisabeth, der Schwester des Königs, und begleitete Ludwig XVI. auf das Blutgerüst, wo er die Worte sprach: »Sohn des heil. Ludwig, steige zum Himmel empor!« Um der Madame Elisabeth in ihrem Kerker geistlichen Trost angedeihen lassen zu können, hielt er sich in der Nähe von Paris versteckt; nach ihrer Hinrichtung ging er nach England und von da nach Mitau zu Ludwig XVIII. Seine »Mémoires« (»Dernières heures de Louis XVI«) gaben C. Sneyd Edgeworth englisch, Dupont französisch (Par. 1815; wieder abgedruckt in Barrières »Bibliothèque des mémoires«, Bd. 9, das. 1847), seine »Lettres« Mad. Elise de Bon (das. 1818) heraus.
2) Mary, engl. Schriftstellerin, geb. 1. Jan. 1767 in Black Bourton (Oxfordshire), gest. 22. Mai 1849 in Edgeworthstown (Irland), Tochter des durch mehrere Erfindungen bekannten Gutsbesitzers und Parlamentsmitgliedes Richard Lovell E. (1741–1817), folgte ihrem Vater 1782 nach dessen Besitzungen in Irland und betrat die schriftstellerische Laufbahn mit »Letters to literary ladies«, einer Schrift für Frauenemanzipation (1795). Mit ihrem Vater zusammen verfaßte sie ganz im Sinne von Rousseaus »Émile« die »Essays on a practical education« (1798), die ihr den Spottnamen »Nützlichkeitsapostel« (utilitarian) eintrugen. Sie versuchte sich in Erzählungen für die Jugend (»The parent's assistent«, 1796–1800, 6 Bde.); aber ihr erster Aufsehen erregender Roman war »Castle Rackrent«, d.h. Schloß Pachtzinsfolter (Lond. 1800), eine treue, selbständige und durch Humor gewürzte Schilderung des irischen Volkscharakters mit sozialer Tendenz; ihm folgten der »Essay on Irish bulls« (1802), »Popular tales« (1804, 3 Bde.), »The modern Griselda« (1804), »Leonora« (1806, 2 Bde.), »Tales of fashionable life« (zwei Serien, 1809–12, 6 Bde.) und der gegen die abwesenden Gutsherren gerichtete Roman »Absentee« (1812). Im Roman »Patronage« (1814, 4 Bde.) werden die Verirrungen der höhern Stände gezeichnet, während »Harrington« (1817) das Vorurteil gegen die Juden bekämpft. In »Ormond« (1817) bewegt sie sich wieder auf irischem Boden. Walter Scott ward durch ihre Skizzen aus dem irischen Volksleben zuerst angeregt, ähnliche Schilderungen seiner schottischen Heimat zu versuchen, und sandte ihr ein Exemplar von »Waverley«, worin er dies öffentlich aussprach. Ihre Romane waren jetzt in der Mode; auch persönlich wurde sie gefeiert, so von Byron, der sie einfach und entzückend fand. Aber schon ihre »Comic dramas« (1817) hatten wen iger Erfolg. Die »Memoirs of Richard Lovell Edgeworth«, die sie 1826 mit kindlicher Pietät herausgab (3. Aufl. 1814), wurden von der Kritik bitter angegriffen. Ihr letzter Roman: »Helen« (1834, 3 Bde.), zeigte deutlich, daß ihre Zeit vorbei war. Gesammelt erschienen ihre »Tales and novels« 1825 in 14 Bänden (neue Ausg. 1870, 10 Bde.); die einzelnen werden immer noch neu aufgelegt. Ihre Schriften sind meist ins Deutsche übersetzt, eine Auswahl wurde von A. Keller herausgegeben (Stuttg. 1840, 4 Bde.). Eine große Dichterin oder Denkerin war E. nicht, aber ihr Geist, ihre reine Sprache und der Freimut, mit dem sie gegen Laster und Herzl ofigkeit auftrat, machten ihre Erzählungen trotz der etwas beschränkten, lehrhaften Tendenz gefällig. Vgl. Helen Zimmern, Mary E. (Lond. 1883, auf Grund der 1867 privatim gedruckten Denkwürdigkeiten der Dichterin); J. C. Hare, Life and letters of M. F. (Lond. 1894).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.